Nachhaltigkeit

Klimaschutz nicht um jeden Preis

Der menschengemachte Klimawandel bedroht nicht nur die Umwelt, sondern auch die Gesellschaft und die Wirtschaft. "Wir müssen uns selbst in die Welt von morgen treiben", sagte die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kürzlich in ihrer Rede zur Lage der EU. Bis zum Jahr 2030 soll der Treibhausgas-Ausstoß gegenüber dem Vergleichsjahr 1990 um mindestens 55 Prozent sinken, zuvor war von 40 Prozent die Rede. Dabei kommt der Kreditwirtschaft eine entscheiden Rolle zu, schließlich ist sie es, die einen Großteil des Wandels finanzieren soll und muss. "Die Banken stehen bereit, eine Schlüsselrolle beim Klimaschutz einzunehmen. Mehr Klimaschutz geht nur mit den Banken", so Dr. Christian Ossig, Hauptgeschäftsführer des BdB.

Um diesen Anforderungen aber auch gerecht werden zu können, fordern die privaten Banken schnelle und spürbare Verbesserungen auf politischer wie regulatorischer Ebene. Denn einer Umfrage des Bankenverbands unter seinen Mitgliedern zufolge rechnen 89 Prozent der befragten Banken mit spürbaren oder sogar gravierenden Folgen des Klimawandels für die Finanzbranche innerhalb der kommenden zehn Jahre.

So spricht sich der BdB in seinem aktuellen Positionspapier "Sustainable Finance - Der Beitrag der privaten Banken" für eine stärkere Förderung von ESG-Projekten durch die öffentliche Hand aus. Konkret schweben den Verantwortlichen staatliche Garantien vor, durch die ein Teil oder das gesamte Adressenausfallrisiko übernommen würde. Das hätte gleich zwei Vorteile: Zum einen erhoffen sich die privaten Banken davon einen Nachfrageschub. Denn es gäbe zwar schon ein umfassendes grünes Kredit- und Kapitalangebot, allerdings fehle es noch an der Nachfrage, so Ossig. Zum anderen würden staatliche Garantien auch die Kosten für die Banken senken, da ein so garantierter Kredit im Solvenzregime nicht mit Eigenkapital unterlegt und auch in Säule II weniger internes Kapital vorgehalten werden muss.

Der Verband fordert darüber hinaus von den Regulierern eine pauschale Senkung der Eigenkapitalanforderungen für die Finanzierung von nachhaltigen Krediten. Damit verbindet sich auch die Hoffnung, dass einige der Folgen von Basel IV abgemildert würden. Eine Verknüpfung dieser pauschalen Absenkung mit dem zugrunde liegenden Risiko lehnt der BdB aber ab, da nachhaltige Kredite nicht per se risikoarm seien. Dafür braucht es aber zunächst eine vereinfachte Definition, was als grün einzustufen sei. Denn die im Frühjahr vorgelegte EU-Taxonomie ist mit fast 600 Seiten viel zu komplex und im Kredit-Tagesgeschäft nicht umzusetzen. Darüber hinaus fehlt es auch an wesentlichen Daten, die einer Kreditentscheidung zugrunde liegen. Entsprechend wünscht sich Ossig einige klar definierte und standardisierte Kennzahlen, die auf EU-Ebene über ein zentrales Datenregister zur Verfügung gestellt werden.

All das wäre zwar ein starkes politisches Signal und würde vermutlich zu spürbar mehr nachhaltigen Finanzierungen führen. Aber ist das wirklich wünschenswert? Bei einer Auslagerung der Risiken und gleichzeitiger Absenkung der Eigenkapitalunterlegung würden vermutlich auch Investments getätigt werden, nur um den Investitionswillen zu befriedigen. Die "grüne Blase" würde enorm aufgepumpt werden, die, wenn sie platzt, zu einem verminderten Vertrauen gegenüber Sustainable Finance führen könnte. Es gibt ohne Zweifel noch viel zu tun, aber Nachhaltigkeit sollte nicht erzwungen werden.

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