Zentralbanken

Wenn die Köpfe zusammenstecken

Der Klimawandel ist unbestritten eine der größten Herausforderungen des aktuellen Jahrhunderts. Das gilt für Politik und Gesellschaft, die Anreize zu Verhaltensänderungen schaffen müssen. Das gilt für Unternehmen, die veränderte Produktionsprozesse entwickeln und umsetzen müssen. Das gilt für Banken und Sparkassen, die neue Elemente in ihrer Kredit- und Investitionsstrategie berücksichtigen müssen. Und das gilt auch für Zentralbanken, denn klimabedingte Finanzrisiken finden vermehrt Eingang in die Notenbankanalysen zur Finanzstabilität und zur Wirtschaftslage. Gerade diese tun sich aber nach wie vor schwer, besagte Risiken in ihre Modelle einfließen zu lassen und konkrete Maßnahmen zu ergreifen. Denn die Einbeziehung klimabedingter finanzieller Risiken in die Umsetzung der Geldpolitik erfordert eine große Menge von Daten, die eine Bewertung des Klimarisikos erlauben, eine gründliche Methodik und vor allem Zeit.

Das hat auch das "Network for Greening the Financial System" (NGFS) erkannt, eine weltweite Koalition der Willigen, bestehend aus 66 Mitgliedern und 13 Beobachtern von Zentralbanken und Finanzaufsichtsbehörden. In einem Ende Juni veröffentlichten Papier werden vier zugrundeliegende Fragen erörtert, wie Zentralbanken ihre Strategien an den Klimawandel anpassen können. Zunächst wird der Einfluss des Klimawandels auf makroökonomische Schlüsselvariablen untersucht. Ganz richtig wird dabei herausgestellt, dass das Zusammenspiel dieser Faktoren eine kaum überschaubare Menge von Stellschrauben liefert, die zudem noch für jede Zentralbank aufgrund verschiedener Ausgangslagen jeder Region andere Maßnahmen erfordern. Hinzu kommt, dass sich Zentralbanken zunächst gewahr werden müssten, welche Faktoren auch über den 3- bis 5-jährigen Horizont der Geldpolitik hinaus relevant sein könnten.

In dem Papier folgen noch weitere ernüchternde Feststellungen: Aufgrund eines niedrigen natürlichen Zinses sei der Handlungsspielraum der Geldpolitik für manche wesentlich kleiner als angenommen; nahezu alle Übertragungskanäle der Geldpolitik sind störanfällig gegenüber Klimarisiken; derzeit übliche Vorhersagemodelle sind für den Einbezug von Klimarisiken ungeeignet; Analysen der Auswirkungen des Klimawandels auf die Finanzsysteme sind noch nicht ausreichend.

Abschließend gibt das NGFS den Zentralbanken noch mit, dass sie all dies offen an die Öffentlichkeit kommunizieren sollten, um möglichst glaubwürdig im Angesicht dieser Krise erscheinen zu können. Was entgegnen die Zentralbanken aber der Öffentlichkeit, wenn diese zurückfragt: "Und was passiert jetzt?" Das NGFS meint: Erst einmal durchschnaufen. Die Probleme zunächst als solche wahrnehmen. Sich anschließend wieder zusammensetzen und gemeinsam an einer Lösung arbeiten. Sind sich Zentralbanken der Risiken also noch nicht vollständig bewusst? Wissen sie erst seit Kurzem um die Ausmaße des Problems? Hat jemand einen Lösungsansatz?

Bei solchen Gremien, die unverbindliche Ratschläge herausgeben, wird oft vom "zahnlosen Tiger" gesprochen. Die gemeinsame Arbeit des NGFS ist ja löblich. Wer aber liefert erste konkrete Erfahrungswerte? Das NGFS beteuert immer wieder, dass die Effekte des Klimawandels auf die Geldpolitik höchst individuell und von den einzelnen Regionen abhängig sind. Wäre es nicht vorteilhaft, würde sich eine jede Zentralbank um ihren eigenen Teil des Problems kümmern und so das weltumspannende Problem effektiv auf viele Schultern verteilt? Nach der derzeitigen Vorgehensweise der Koalition scheinen jedoch 66 Mitglieder einen Konsens für jedes einzelne Geldsystem finden zu müssen. Wenn der Prozess aber immer erst mit einem gemeinsamen Durchschnaufen beginnen muss, droht den Zentralbanken aufgrund der - auch vom NGFS betonten - zeitkritischen Natur des Problems, irgendwann die Luft wegzubleiben.

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