Banken

Woher kommt das Risiko?

Blickt man mal ein Jahr zurück, so schien die Welt noch einigermaßen beherrschbar. In seiner Risikoidentifikation und -bewertung, die die EZB-Bankenaufsicht jährlich in enger Zusammenarbeit mit den nationalen zuständigen Behörden vornimmt, hat der Einheitliche Aufsichtsmechanismus SSM folgende drei Hauptrisikofaktoren identifiziert, die das Bankensystem des Euroraums in den nächsten drei Jahren betreffen dürften: Herausforderungen im Bereich Wirtschaft, Politik und Schuldentragfähigkeit im Euroraum, Tragfähigkeit der Geschäftsmodelle sowie Cyberkriminalität und IT-Mängel. Daran hat sich durch den Ausbruch der Corona-Pandemie sicherlich nicht viel verändert, nur sind neue, ebenfalls gutbekannte Risiken hinzugekommen - die Kreditrisiken. Und das schmerzt natürlich, wurde doch gerade die deutsche Kreditwirtschaft in den vergangenen Jahren davon weitgehend verschont.

Insgesamt 2,949 Billionen Euro haben allein die deutschen Banken und Sparkassen per Ende Juni 2020 an inländische Unternehmen und Privatpersonen ausgelegt. Knapp 45 Prozent davon entfallen mit 1,319 Billionen Euro auf Kredite an Privathaushalte, 1,166 Billionen Euro auf echte Firmenkredite und 447 Milliarden Euro auf Ausleihungen an wirtschaftlich selbstständige Privatpersonen. Der kräftige Anstieg um rund eine halbe Billion Euro in den vergangenen vier Jahren war bewusste Unternehmenspolitik der Institute, die nach wie vor versuchen müssen, die von der Geldpolitik verursachten spürbaren Rückgänge der Zinseinnahmen über Volumenwachstum auszugleichen. Droht nun das dicke Ende? Laut einer Simulationsrechnung, die im aktuellen Finanzstabilitätsbericht der Deutschen Bundesbank veröffentlich wurde, ist bis Ende des ersten Quartals 2021 ein Anstieg der Insolvenzanträge auf über 6 000 zu erwarten. In dieser Simulation sind alle von der Bundesregierung getroffenen Maßnahmen wie Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und Schuldenmoratorien berücksichtigt, allerdings wurde diese Hochrechnung noch vor dem zweiten Lockdown erstellt.

Der simulierte Höchststand entspricht dabei in etwa dem Wert im Jahr 2013. Das klingt zunächst nicht weiter dramatisch. Auch das vor allem im verarbeitenden Gewerbe die Insolvenzen den Schätzungen zufolge spürbar zunehmen und sich der Lage während der Finanzkrise 2007/2008 annähern werden, kann nicht wirklich überraschen und sollte nur wenigen Bankern graue Haare wachsen lassen. Zumindest dann nicht, wenn man ausreichend Umsicht bei der Kreditvergabe hat walten lassen. Ähnliches stellt die Bundesbank für die Kreditvergabe an den privaten Sektor fest. So dürfte der Einkommensrückgang deutlich geringer ausfallen als zu Zeiten der globalen Finanzkrise, als das verfügbare Einkommen privater Haushalte zwischenzeitlich um über 2 Prozent zurückging. Zudem sind private Haushalte in Deutschland vergleichsweise moderat verschuldet und verfügen noch über finanzielle Reserven. Zudem sind die meisten Kredite noch mit Sicherheiten in Form von Immobilien unterlegt. Die Risiken scheinen also zumindest bislang nicht aus völlig neuen Richtungen zu kommen.

Entsprechend beherrschbar sieht der Finanzstabilitätsbericht 2020 entsprechend auch die Herausforderungen der kommenden Monate, auch wenn die Wertberichtigungen in den kommenden Quartalen sicherlich stark ansteigen werden. Im Basisszenario, so heißt es, kann das Bankensystem die Verluste gut verkraften. Und selbst in einem sehr adversen Szenario mit erheblichen Marktrisiken und einem Rückgang der Immobilienpreise um 30 Prozent würde "die Funktionsfähigkeit des Bankensystems nur begrenzt beeinflusst." Das klingt zwar nicht entspannt, aber auch nicht dramatisch. Und das ist in diesen Tagen doch schon eine gute Nachricht.

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