Rechtsfragen

Kontoverfügung nach dem Tod - strafbar?

Die Problematik ist geläufig: Der Kontoinhaber verstirbt und die Erben warten auf den Erbschein und das kann dauern. Bis dahin können keinerlei Verfügungen getroffen werden, die Erben sind sowohl gehindert, das eilig Notwendige zu veranlassen (Bestattungsangelegenheiten) als auch das Konto zu plündern. War der Erblasser vorausschauend, hat er einer Vertrauensperson postmortale Vollmacht, das heißt eine "Vollmacht auf den Tod" (wirksam ab Todesfall) oder eine transmortale Vollmacht, das heißt "über den Tod hinaus" (bereits zu Lebzeiten wirksam) erteilt. Umfasst sie auch Bankangelegenheiten, kann der Bevollmächtigte handeln. Die Praxis der Kreditinstitute nur Vollmachten anzuerkennen, die auf ihren hauseigenen Vordrucken erstellt sind, ist rechtswidrig. Beide Arten der Vollmacht sind privatschriftlich frei errichtbar und von dem kontoführenden Kreditinstitut bedingungslos zu beachten (siehe BGH, Urteil vom 25. Oktober 1994 - XI ZR 239/93). Geschieht das nicht, kann der Bevollmächtigte, der nicht zwingend Erbe oder Verwandter des Erblassers sein muss, gegen die Bank oder Sparkasse klagen, was bei hohen Summen, etwa entstehenden Schäden und Streitwerten unangenehm und teuer werden kann.

Die Vollmacht selbst bedarf nur eines Satzes in Bezug auf die Bankbevollmächtigung und den trans- beziehungsweise postmortalen Kerninhalt. Je umfassender aber die Befugnisse sind, etwa im Rahmen einer Generalvollmacht, umso mehr Gewicht kommt ihr zu. Verfügt der Bevollmächtigte nach dem Tode des Kontoinhabers, indem er beispielsweise mit Kontokarte und PIN Geldbeträge abhebt oder einen Disporahmen ausschöpft, kommt es oft zu vermeidbaren Streitigkeiten. Es ist offenbar unausrottbar, dass Kreditinstitute den Bevollmächtigten dann auffordern, die Beträge zurückzuzahlen, insbesondere, wenn öffentliche Träger in Unkenntnis des Todes etwa noch Hartz IV oder Sozial leistungen überwiesen haben. Vollends abwegig ist die Drohung der Bank mit strafrechtlichen Konsequenzen. Damit wird die Rechtslage verkannt.

Zunächst: Die Vollmacht muss wirksam erteilt sein. Daran fehlt es, wenn sie "unwiderruflich" ist. Denn dann wäre sie wegen Knebelung des Vollmachtgebers gemäß § 138 BGB sittenwidrig und damit nichtig. Grundsätzlich sind die Erben widerrufsberechtigt. Das gilt ausdrücklich nicht, wenn der Vollmachtgeber sich selbst den Widerruf vorbehalten, aber gerade die Erben von der Widerrufsberechtigung ausgenommen hat. Dann bindet die Vollmacht nämlich auch die Erben. Jedenfalls berechtigt die post- oder transmortale Vollmacht bis zu ihrem wirksamen Widerruf, was unter Umständen erst nach einer rechtskräftigen Entscheidung über eine Feststellungsklage möglich ist, im erteilten Rahmen grundsätzlich zur Vornahme sämtlicher Rechtsgeschäfte und Handlungen im Namen des Vollmachtgebers, gegebenenfalls auch über den Nachlass. Nach welchem Zeitablauf sie endet, kommt auf den Einzelfall an und fordert die Einbindung eines Fachjuristen.

Wenn der wirksam Bevollmächtigte über das Konto verfügt, ist das legitimes Handeln. Er ist deshalb zu irgendwelchen Rückzahlungen an das Kreditinstitut nicht verpflichtet. Auch die Argumentation, die Bank müsse überzahlte öffentliche Leistungen erstatten, geht fehl. Etwaige Ansprüche sind ausschließlich gegen die Erben geltend zu machen. Diese wiederum könnten den Bevollmächtigten in Regress nehmen, wenn ihnen der Nachweis gelingt, dass dessen Verfügungen nicht im Interesse des Verstorbenen gelegen haben und Missbrauch vorliegt. Das dürfte eher selten der Fall und nur über ein gerichtliches Erkenntnisverfahren zu klären sein. Wenn es aber schon an zivilrechtlichen Ansprüchen des Kreditinstituts gegen den Bevollmächtigten fehlt, kommt eine strafrechtliche Verfolgung seines Handelns - etwa als Unterschlagung gemäß § 246 StGB - erst recht nicht in Betracht. Wird die Anzeige dennoch erstattet, ist damit zu rechnen, dass ein Ermittlungsverfahren mangels Anfangsverdachts erst gar nicht eingeleitet oder mangels begründeten Tatverdachts gemäß § 170 II StPO eingestellt wird. Das gilt insbesondere, wenn die Vollmacht bei der kontoführenden Stelle hinterlegt war und der Bank dieser Umstand als "bekannt" zuzurechnen ist.

Dann kann nämlich die kühne Wendung kommen: die Strafanzeige des Bevollmächtigten gegen die Mitarbeiter des Kreditinstituts wegen falscher Verdächtigung gemäß § 164 und Nötigung gemäß § 240 StGB, von den Konsequenzen wegen Rufschädigung und Kreditgefährdung (§§ 824 BGB, 187 StGB, hier: verleumderische Beleidigung) ganz abgesehen. Das wäre dann kein Ruhmesblatt für die Juristen dieses Hauses, sondern der Fluch der bösen Tat.

Hartmut Glenk, Institutsleiter, Institut für Genossenschaftswesen und Bankwirtschaft (IGB), Siegen/Berlin

Hartmut Glenk , Direktor, Institut für Genossenschaftswesen und Bankwirtschaft (IGB), Siegen/Berlin
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