Konjunktur

Kreditvergabe wird restriktiver

Quelle: Europäische Zentralbank

 

Die EZB strebt eine Inflationsrate von "nahe 2 Prozent" an. Dafür tut sie, was immer sie tun muss. Unter anderem werden Banken mehr als üppig mit Liquidität versorgt und gleichzeitig wird das Parken von Geld verteuert, um die Institute zu motivieren, mehr Kredite an Unternehmen und Privatpersonen auszureichen, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Die Bilanz ist zweifelhaft, der Erfolg derzeit noch nicht zu messen. Von einer Kreditklemme ist zwar weit und breit keine Spur, aber die Konjunktur schwächelt, die Inflationsrate sinkt gerade mal wieder.

Das führt zu einer gewissen Zurückhaltung: Aktuellen Zahlen der EZB zufolge haben Banken 3,7 Prozent mehr Darlehen an Unternehmen ausgereicht als vor Jahresfrist. Im August betrug die Wachstumsrate noch 4,3 Prozent. Ganz offensichtlich führen die Unsicherheiten um einen nicht enden wollenden Brexit, die schwelenden Handelskonflikte und nicht zuletzt die Gefahr einer Rezession in Europa zu einer gewissen Vorsicht und Zurückhaltung. So wurden laut dem aktuellen Bank Lending Survey des Eurosystems für das dritte Quartal die Kreditrichtlinien gerade für die Vergabe von Darlehen an große Unternehmen leicht verschärft. Etwas leichter tun sich da noch kleine und mittlere Unternehmen, für die die Standards sogar etwas weiter gelockert wurden.

Gleichzeitig wurden in den vergangenen drei Monaten aber so viele Kreditanfragen abgelehnt wie in den vergangenen fünf Jahren nicht. Es ist also ein zwiespältiges Bild: Auf der einen Seite werden Kreditvergabestandards leicht gelockert, um Unternehmen den Zugang zu neuen Mitteln zu erleichtern, auf der anderen Seite scheint die Qualität der Kreditanfragen spürbar zu sinken. Manche interpretieren das als deutliche Zeichen der bevorstehenden konjunkturellen Abkühlung.

An der Entwicklung der Nachfrage kann es dagegen nicht liegen: Sowohl für kurz- wie für langfristige Darlehen ist das Interesse bei kleinen und mittleren wie großen Unternehmen nach wie vor hoch. Allerdings liegen die Werte des Bank Lending Survey für das dritte Quartal unter denen von Ende 2018 und Anfang 2019. Entscheidender Faktor nach Angaben der Bankverantwortlichen für die Kunden, weiterhin Darlehen nachzufragen, war in erster Linie das allgemeine Zinsniveau. Von daher könnte man meinen, dass die EZB-Politik des billigen Geldes doch funktioniert. Allerdings hat gleichzeitig die Bedeutung der Innenfinanzierung für einen Nachfragerückgang spürbar zugenommen, ein Faktor, der seit 2011 überhaupt keine Rolle mehr gespielt hat. Hier scheinen sich dann doch die von den Banken auf Einlagen von Firmenkunden erhobenen sogenannten "Verwahrentgelte" auszuwirken.

Der Blick nach vorn wird zumindest nach Einschätzung der Banken etwas trüber. So geht die Mehrzahl der befragten davon aus, dass die Nachfrage nach Krediten in den kommenden Monaten geringer werden wird. Das wiederum könnten Christine Lagarde und die übrigen Mitglieder des EZB-Rates, der keineswegs durch große Einigkeit hinsichtlich der getroffenen Beschlüsse aufgefallen ist, dazu animieren, eine weitere Lockerung der Geldpolitik zu forcieren. Ob es helfen wird? Denn Liquidität ist nicht alles, die Sorge vor der konjunkturellen Abkühlung wiegt schwer. Denn viele der Banken werden in den kommenden Monaten ihre Kreditvergabestandards verschärfen. Das sind zumindest aus Sicht der Bankenaufsicht gute Nachrichten. Aber am Ende müssen Banken schlicht profitabel sein. Und das wird unter diesen Rahmenbedingungen immer schwieriger.

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