Bundesgerichtshof

Kündbarkeit von Prämiensparverträgen

Dr. Claus Steiner, Foto: privat

Es kommt in der neueren bankrechtlichen Gerichtspraxis nicht allzu oft vor, dass alle drei Instanzen, Land-, Oberlandesgericht und Bundesgerichtshof, die Klage eines Kunden gegen seine Bank oder Sparkasse übereinstimmend für unbegründet halten und sie abweisen. In dem am 14. Mai 2019 letztinstanzlich vom BGH unter dem AZ XI ZR 345/18 entschiedenen Rechtsstreit ist das geschehen (abgedruckt unter anderem in ZIP 2019,1563). Es ging darin um die Frage, ob und ab wann eine Sparkasse den mit ihren Kunden nach dem Modell "S-Prämiensparen flexibel" abgeschlossenen Prämiensparvertrag außerplanmäßig kündigen kann. Die Kunden hatten 1994 einen und 2004 zwei Verträge nach diesem Modell abgeschlossen. Die Guthaben sollten variabel (anfangs mit 3 Prozent) verzinst werden; daneben wurden erstmals nach dem dritten Sparjahr Prämien von 3 Prozent auf die Sparleistung des abgelaufenen Sparjahres gutgeschrieben und diese Prämien auf bis zu 50 Prozent nach Ablauf des 15. Sparjahres angehoben. Im Übrigen galten die AGB der Sparkasse sowie deren Bedingungen und Sonderbedingungen für den Sparverkehr.

Unter dem Abschnitt "Ordentliche Kündigung" ist in Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen (Stand 21. März 2016), bestimmt, dass bei Fehlen einer Laufzeit oder abweichenden Kündigungsregelung der Kunde jederzeit und die Sparkasse bei Vorliegen eines sachgerechten Grundes die gesamte Geschäftsverbindung oder einzelne Geschäftszweige fristlos kündigen könne, wobei die Sparkasse den berechtigten Belangen des Kunden Rechnung tragen müsse, insbesondere nicht zur Unzeit kündigen dürfe. In vorliegenden Fall kündigte die Sparkasse die Prämiensparverträge aufgrund dieser AGB unter Hinweis auf das niedrige Zinsumfeld am 5. Dezember 2016, und zwar den Vertrag aus 1996 zum 1. April 2017 und die Verträge aus 2004 zum 13. November 2019. Die Kunden widersprachen dieser Kündigung und verlangten vergeblich die Fortdauer der Sparverträge. Darauf erhoben sie Klage auf Feststellung des weiteren Bestehens ihrer Verträge und auf Schadensersatz. Land- und Oberlandesgericht wiesen die Klage ab, weil die Sparkasse die Sparverträge wirksam zu den angegebenen Terminen gekündigt habe. Der BGH bestätigte diese Klagabweisung, weil die Feststellungsanträge der Kunden wegen der wirksamen Kündigung der Sparkasse unbegründet seien; auch Schadensersatzansprüche hätten sie nicht.

Diese eindeutige Aussage des Bankensenats des BGH erstaunt zunächst. Er entschied aber, dass die Prämiensparverträge dem Recht der "unregelmäßigen Verwahrung" (§ 700 BGB) unterliegen und nicht dem Darlehensrecht. Die Sparkasse habe daher mit den klagenden Kunden einen konkludenten und zeitlich bis zum Ablauf des 15. Sparjahres, also bis zur Erreichung der höchsten Prämienstufe befristeten Ausschluss des Kündigungsrechts aufgrund Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen wirksam vereinbaren können. Mit der vereinbarten Prämienstaffel habe die Sparkasse ihren Sparern einen besonderen Bonusanreiz geschaffen, der mit dem Ausschluss des AGB-Kündigungsrechts bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe (hier nach 15 Jahren) konkludent verbunden sei, weil andernfalls die Sparkasse ihren Sparern sonst jederzeit den Anspruch auf die Sparprämien entziehen könnte.

Gegen die Wirksamkeit von Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen würden auch im Hinblick darauf keine Bedenken bestehen, dass die Prämiensparverträge dem schon erwähnten Recht der "unregelmäßigen Verwahrung" unterliegen. Zwar ist der einschlägige Urteils-Leitsatz des BGH "negativ" formuliert: "Bei einem Prämiensparvertrag, bei dem die Prämien auf die Sparbeiträge stufenweise bis zu einem bestimmten Sparjahr steigen, ist das Recht der Sparkasse zur ordentlichen Kündigung nach Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe ausgeschlossen". Bankenfreundlicher hätte er auch so klingen können: "Die Sparkasse kann einen Prämiensparvertrag, bei dem die Prämien stufenweise bis zu einem bestimmten Sparjahr steigen, nach Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen ordentlich kündigen, nachdem die höchste Prämienstufe erreicht ist". Ob negativ oder positiv formuliert, entscheidend sollte sein, dass die Sparkassen sich nun mit Billigung des BGH von ihren Sparprämienmodellen lösen dürfen, bei deren "Erfindung" niemand an ein späteres Rentabilitätsdefizit bei heutigem Zinsumfeld gedacht haben wird.

RA Dr. Claus Steiner, Wiesbaden

Dr. Claus Steiner , Rechtsanwalt, Wiesbaden
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