Börsen

Mailand oder Madrid?

Quelle: pixabay.com

Die Deutsche Börse ist ein Ausnahme: Als einem der wenigen Unternehmen hat die Corona-Krise dem Handelsplatzbetreiber ein fantastisches erstes Quartal verschafft. Der explosionsartige Anstieg der Volatilität auf Rekordwerte ließ Umsatz und Gewinn sprudeln. In den Folgemonaten haben sich die Aktienmärkte wieder beruhigt und sich sogar wieder ihren Höchstständen angenähert. Die Volatilität, gemessen am VSTOXX lag Ende Juni bereits wieder um rund 70 Prozent unter dem Hoch, aber damit immer noch doppelt so hoch wie vor der Corona-Krise. Das spiegelt sich auch in den Zahlen zum zweiten Quartal der Deutschen Börse wider.

Im ersten Quartal betrug das Umsatzwachstum des Konzerns noch atemberaubende 27 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal. In den drauffolgenden drei Monaten sank das Wachstumstempo schon deutlich auf plus sieben Prozent auf 777,5 Millionen Euro. Der Periodenüberschuss sank marginal von 288,4 Millionen Euro im Vorjahr auf 288,1 Millionen Euro. Ein Grund dafür ist der doch sehr deutliche Anstieg der bereinigten operativen Kosten um 15,5 Prozent auf 300,2 Millionen Euro nach 260 Millionen Euro im Vorjahresquartal. Zusammengefasst über die ersten beiden Quartale ist das Gesamtbild aber immer noch dynamisch: Der Umsatz stieg um 17 Prozent gegenüber dem ersten Halbjahr 2019 auf 1,69 Milliarden Euro. Den Halbjahresüberschuss erhöhte das Unternehmen um 16 Prozent auf 675,5 Millionen Euro. Die Verantwortlichen werden aber nicht euphorisch: Obwohl die Zahlen für das erste Halbjahr über den ursprünglichen Erwartungen liegen, bleiben sie wie schon nach dem überaus erfolgreichen ersten Quartal unverändert bei ihrer Ganzjahresprognose, also einem Jahresüberschuss von etwa 1,2 Milliarden Euro.

Allerdings haben sich die Ertragsbringer gegenüber dem ersten Quartal gewandelt: Waren da vor allem die EEX, der Devisenhandel (360T) und das Clearing die Wachstumstreiber, verzeichnete die erfolgsverwöhnte EEX diesmal sogar einen Ergebnisrückgang, ebenso wie Clearstream. Einzig der Devisenhandel konnte sein EBITDA auf 10,5 Millionen Euro mehr als verdoppeln. In absoluten Zahlen erzielte jedoch das Segment Wertpapierhandel (Xetra) diesmal die größte EBITDA-Steigerung von 46,4 Millionen Euro auf 56,1 Millionen Euro. Börsenchef Theodor Weimer wies darauf hin, dass die Deutsche Börse auch Marktanteile von unregulierten Wettbewerbern zurückgewonnen habe, da die Leute in Krisenzeiten lieber wieder zu regulierten Handelsplätzen zurückkehren würden.

Eine bemerkenswerte Anmerkung hatte Weimer noch zum Übernahmekarussell in der Börsenlandschaft. Dieses würde sich nun noch schneller drehen. Er machte auch klar, dass die Deutsche Börse an der Borsa Italiana interessiert sei, die von der LSEG gezwungenermaßen ins Schaufenster gestellt wurde (siehe auch Seite 53). Explizit erwähnte er den Namen des Mailänder Handelsplatzes zwar nicht, aber seine Äußerung "Es gibt bestimmte Gespräche, wo Leute vielleicht bestimmte Dinge verkaufen müssen. Sie sind klug genug, um zu wissen, was ich damit meine" ist unzweifelhaft als Hinweis auf die italienische Börse zu verstehen. Allerdings wird ein Merger kein Selbstläufer. Denn auch der Euronext wird Interesse nachgesagt. Nachdem diese schon in Madrid das Nachsehen hatte, dürften die Avancen diesmal intensiviert werden, getreu dem Motto in Anlehnung an Andy Möller: "Mailand oder Madrid? Egal, Hauptsache eine Übernahme."

Noch keine Bewertungen vorhanden


X