Rechtsfragen

Morgens um sieben ...

Morgens um sieben kann die Welt noch in Ordnung sein, muss sie aber nicht, nämlich dann, wenn es klingelt. Dann könnte die Steuerfahndung vor der Türe stehen. Zunächst: Die Zahl der Steuerdelikte ist enorm, das weiß man spätestens seit der Flut von Selbstanzeigen. Ohne die Mitarbeit von Bankbeschäftigten wäre die Realisierung der §§ 369, 370 AO kaum möglich gewesen. Da der positive Nachweis eines Steuerdelikts des Kunden als Hauptverdächtigen Voraussetzung für den Vorwurf der Beihilfe gemäß §§ 27 ff. StGB ist, kann in vielen Fällen aufgeatmet werden. Aber: Die derzeitige Konzentration der Steuerbehörden auf Geldverschiebungen ins Ausland und der Wirtschaftsstaatsanwaltschaften auf Kapitalanlagebetrug* sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die nächste Ermittlungswelle rollt. Dass längst nicht mehr existente "Bankgeheimnis" zieht seine Bedeutung allenfalls noch aus "Treu und Glauben", das heißt der Beachtung besonderer beruflicher Gepflogenheiten des § 242 BGB, oder den AGB.** Den Rest besorgen die §§ 30a V, 93 AO, wonach die Kreditinstitute den Auskunftsersuchen der Steuerbehörden entsprechen müssen.

Bankvorstände sollten beachten: Pauschale Ersuchen müssen nicht beantwortet werden (siehe § 93 I S. 3 AO), das Kreditinstitut sollte, um Schadensersatzansprüche des Kunden zu vermeiden, auf einer detaillierten Begründung bestehen und sich gegebenenfalls eine Frist zur Beantwortung ausbedingen. Die Information des Kunden über das Auskunftsersuchen ist nicht verboten, auch wenn die Anschreiben diese Bitte enthalten. Bereits das Auskunftsersuchen gemäß § 93 AO oder Datenzugriffe per § 24c KWG deuten auf den Verdacht einer Steuerstraftat des Kunden hin. In Literatur und Rechtsprechung ist der Begriff der Beihilfe von Bankmitarbeitern zur Steuerhinterziehung umstritten. Allerdings hat sich herauskristallisiert, dass die strafbare "Gehilfentätigkeit" dann realisiert sein soll, wenn der Bankmitarbeiter das Feld berufstypischen Handelns verlässt. Damit können sämtliche buchhalterischen und organisatorischen Handlungen ebenso in Betracht kommen wie Weisungen eines Vorstandsmitglieds, wenn dadurch die Haupttat nur "irgendwie" begünstigt wird. "Ob der Gehilfe den Erfolg der Haupttat wünscht oder ihn lieber vermeiden würde, ist nicht entscheidend. Der Vorsatz ist selbst dann nicht infrage gestellt, wenn der Gehilfe dem Täter ausdrücklich erklärt, er missbillige die Haupttat" (vergleiche BGH, Urteil vom 1. August 2000 - 5 StR 624/99). Somit kann grundsätzlich jede Form bankmäßigen Handelns einen Tatverdacht begründen, wenn der Kunde ins Visier der Strafverfolgungsbehörden gerät. Die effektive Interessenwahrnehmung eines verdächtigten Bankers kann durch eigenes Fehlverhalten, erfahrungsgemäß in den ersten 15 Minuten, nachdem es geklingelt hat, unterlaufen werden. Durchsuchungsmaßnahmen sind gemäß § 104 III StPO ab 6:00 Uhr zulässig und werden bevorzugt ab dieser Zeit durchgeführt, weil dann ein Rechtsbeistand nur schwer zu erreichen ist. Wenn nicht "Gefahr im Verzuge" geltend gemacht wird, ergeht die Maßnahme aufgrund eines richterlichen Beschlusses.

Erste-Hilfe-Maßnahmen sind: Durchsicht des Beschlusses, gegen wen sich die Durchsuchung richtet; gemäß § 103 StPO ist sie gegen andere, als dort genannte Personen unzulässig. Auch ein Hausarrest: "Bleiben Sie bitte dort sitzen, bis wir fertig sind", ist nicht zulässig. Man kann sich deshalb auch entfernen, um Zeugen zu holen. Fragen braucht man ohnehin nicht zu beantworten. Die Beamten nicht allein lassen; alle Vorgänge detailliert mit Diktiergerät aufnehmen. Keine Schriftstücke unterschreiben: Mit der "Genehmigung" verzichtet man auf das Rechtsmittel der "Beschwerde" und das Geltendmachen von Beweisverwertungsverboten, deshalb beschlagnahmen lassen. Kein Durchsuchungsprotokoll unterschreiben, wenn die beschlagnahmten Sachen nicht detailliert und umfangreich dokumentiert sind: "ein Karton CD-ROM, zwei Kartons Dokumente "Schriftverkehr BaFin", genügt nicht. Dann dauert es für die Fahnder eben so lange, bis der Rechtsbeistand eingetroffen ist. Ziel einer Verteidigung ist die Einstellung gemäß § 170 II StPO: "kein hinreichender Tatverdacht", § 398 AO: "Geringfügigkeit" oder § 153a StPO "gegen Auflage". Bei der letzten Variante sind aber bankaufsichtliche Folgemaßnahmen nicht ausgeschlossen. Wichtig: Von sensiblen Daten Doppel fertigen und sie weder in der Bank noch zu Hause aufbewahren. Und: sich nicht auf den Bereich "Geldwäsche" fokussieren. Dann kann man entspannter öffnen, wenn es morgens klingeln sollte.

Hartmut Glenk, Direktor, Institut für Genossenschaftswesen und Bankwirtschaft (IGB) Siegen/Berlin

* siehe Glenk, Bankenhaftung bei Kapitalanlagen, ZAP - Zeitschrift für die Anwaltspraxis, 19/2015.

** siehe ausführlich: Glenk, Das Bankgeschäft in der anwaltlichen Beratung, in: ZAP 11/2016; 13/2016.

Hartmut Glenk , Direktor, Institut für Genossenschaftswesen und Bankwirtschaft (IGB), Siegen/Berlin
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