Kundeneinlagen

Negativzinsen zum Ersatz des Eigenaufwands?

Dr. Claus Steiner, Foto: privat

Die Erhebung von Negativzinsen auf private Spar- und Giroeinlagen, die derzeit breit diskutiert und auch schon praktiziert wird, erscheint sach- und regel gerecht und für die Einleger akzeptabel, wenn es den Banken nur darum geht, ihre eigenen Aufwendungen für Negativzinsen zu ersetzen, die ihnen durch die EZB für gehaltene Guthaben auferlegt wurden. Es steht fest, dass es sich bei diesen Negativzinsen der Institute um im Zusammenhang mit den Kundeneinlagen notwendigen Aufwand handelt, der grundsätzlich an diejenigen "abgewälzt" werden kann, in deren Interesse er erfolgt ist. Im Kontext zur Hereinnahme und "Verwahrung" von Geldern der Einleger durch die Bank steht, dass die Einleger nach allgemeinen Rechtsprinzipien für notwendigen Aufwand der "Verwahrerin" (Bank) aufkommen müssen. Auf den ersten Blick scheint es mithin schlüssig zu sein, dass die Banken mit ihrem "Ersatzverlangen" gegenüber den Einlegern im Recht sind, sodass sie auch keine Hemmungen haben müssen, über diesen Aufwendungsersatz zu bestimmen.

Wie häufig in der Praxis dringt auch hier der "zweite Blick" weiter in die Tiefe und lässt die Brisanz des zu Betrachtenden erst erkennen. Hier wird deutlich, dass es bei der Belastung der Einleger mit Negativzins den Banken nicht primär oder allein darum geht, den eigenen Negativzinsaufwand auf Einlagen bei der Zentralbank auf die Einleger umzulegen. Wäre das das Ziel einer Bank, müsste sie davon ausgehen, welcher Eigenaufwand in Euro und Cent an Negativzinsen ihr selbst entsteht. Allein daraus müsste sie ermitteln, mit welchem Prozentsatz dieser Aufwand auf die Einleger umzulegen ist. Nach bisher erkennbarer Übung sehen die Banken aber schlicht vor, den von der Maßnahme betroffenen (wohlhabenderen) Kunden den unveränderten Negativzins von 0,5 Prozent im Jahr aufzuerlegen, ohne zu berücksichtigen, dass das in der Summe mehr Negativzinsertrag ergibt, als die Bank selbst auf ihr Zentralbankguthaben aufzuwenden hat. Insoweit schleicht sich der böse Eindruck ein, dass die Aktion Negativzinsen auf Kundeneinlagen nicht nur den Effekt haben soll, den eigenen Aufwand des Instituts abzudecken, sondern auch den Nebenzweck haben könnte, hier eine neue Ertragsquelle zur Mehrung des bilanziellen Zinsüberschusses zu erschließen. Dieser Nebenzweck wäre zwar nicht offenkundig gesetzeswidrig, aber doch in einem höheren Sinne fragwürdig und inakzeptabel, weil hier Einleger letzten Endes ungerecht bestraft würden, ohne "Strafbares" getan oder gewollt zu haben.

Dass dieser Eindruck nicht ganz fern liegt, ergibt sich schon aus dem schlichten Zahlenverhältnis zwischen den Bankbilanzpositionen Kundeneinlagen auf der Passivseite und Guthaben bei der Zentralbank auf der Aktivseite. Im normalen Bankverkehr dienen Kunden einlagen zur Refinanzierung des positiv zinstragenden (Aktiv-)Kreditgeschäfts. Nur zur Deckung des 1-prozentigen Mindestreserve-Solls, ferner als Liquiditätsreserve und (bei zu geringem Kreditgeschäft) als Überschussliquidität werden Teilbeträge auf dem Zentralbankguthaben geparkt. Eine typische Beispielbank, die 10 Milliarden Euro Kundeneinlagen hat, davon 9 Milliarden Euro im Aktivgeschäft einsetzt und im Schnitt 1 Milliarde Euro auf dem Zentralbankkonto parkt, zahlt nach ihrer Freigrenze von 600 Millionen Euro (= 6-fache des Mindestreserve-Solls) auf 400 Millionen Euro den Negativzins von 0,5 Prozent = 2 Millionen.

Wenn die Bank nun - was richtig wäre - diesen eigenen Aufwand von 2 Millionen Euro auf die Kundeneinlagen von 10 Milliarden Euro gleichmäßig umlegen würde, ergäbe das eine Belastung von nur 0,02 Prozent für den Einleger oder von 20 Euro für 100 000 Einlage. Wenn die Bank Negativzinsen nur auf höhere Ein lagen erheben will, würde das geschätzt 50 Prozent dieser Einlagen betreffen. Auf diese umgelegt ergäbe der Eigenaufwand von 2 Millionen Euro eine Belastung der Einleger mit 0,04 Prozent oder 40 Euro pro 100 000 Einlage. Würde die Bank dagegen 0,5 Prozent Negativzinsen auf 50 Prozent der Einlagen erheben, brächte ihr das einen Ertrag von 25 Millionen Euro und damit des 12,5-fachen ihres Eigenaufwands. Es gehört keine Fantasie dazu, sich die Empörung auszudenken, die das Bekanntwerden dieses wenig seriösen Ergebnisses bei den betroffenen Einlegern auslösen würde. Die Mahnung zu maßvoller Kalkulation der an die Einleger weiterzugebenden Negativ zinsen allein auf der Grundlage des tatsächlichen relevanten Eigenaufwands der Bank ist ein Gebot der Stunde.

RA Dr. Claus Steiner, Wiesbaden

Dr. Claus Steiner , Rechtsanwalt, Wiesbaden
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