Allfinanz

Renaissance einer altbekannten Idee?

Wenn ein echtes Schwergewicht der europäischen Versicherungsbranche eine exklusive Kooperation mit einer der nach Marktkapitalisierung größten europäischen Banken verkündet, ist das mit Blick auf die Markt- und Wettbewerbsverhältnisse der deutschen und europäischen Finanzbranche mehr als eine Randnotiz. Findet sich unter den Beteiligten dann noch die ING Diba, erhöht das hierzulande zusätzlich den Grad der Aufmerksamkeit. Der Sache nach geht es um die Mitte Juni verkündete Zusammenarbeit des französischen Versicherungskonzerns Axa mit der niederländischen ING-Group. Beide Häuser haben angekündigt, gemeinsam Versicherungsprodukte zu entwickeln und sie über eine digitale Versicherungsplattform länderübergreifend anzubieten. Die ING will ihren Kunden in Frankreich, Deutschland, Italien, der Tschechischen Republik und Australien diese Produkte anbieten.

Die Grundidee ruft zwangsläufig Erinnerungen an die Hochphase der Allfinanz wach, deren theoretische Grundlagen in den neunziger Jahren eine Blüte erlebte und dann bis zur Finanzkrise eher mäßig erfolgreich in die Praxis umgesetzt wurde. Die Übernahme der Dresdner Bank durch die Allianz, der Erwerb der Mehrheitsanteile am Deutschen Herold durch die Deutsche Bank und die mit Kapitalunterlegung untermauerte Zusammenarbeit der Commerzbank mit Generali unter dem Zeichen der europäischen Wahlverwandtschaften waren klassische Beispiele für strategische Übungen von Banken und Versicherern zur Bildung von branchen- und länderübergreifenden Finanzkonglomeraten. Als wirklich erfolgreich hat sich das Konzept allerdings nicht erwiesen. Insbesondere das Vertriebsgebahren der Versicherungsbranche und höchst unterschiedliche Unternehmenskulturen wurden oft als großes Hindernis genannt. Und spätestens im Laufe der Aufarbeitung der Folgen der jüngsten Finanzkrise wurden viele Kapitalverflechtungen wieder aufgelöst und Kooperationen beendet. Auch die ING-Gruppe hat sich in dieser Zeit von ihrem Versicherungsgeschäft, das ihr infolge von Fusionen beim Aufbau des niederländischen Finanzkonzerns zugefallen war, auf sanften politischen und/oder aufsichtsrechtlichen Druck getrennt. Nicht zuletzt das Handling der regulatorischen Anforderungen aus dem Bank- und dem Versicherungssektor gilt als zu komplex. Wirkliche Allfinanzkonglomerate gibt es in Europa nur recht wenige, darunter die DZ-Bank, BNP und Crédite Agricole in Frankreich, die belgische KBC sowie die finnische Oko Bank. Und auch die niederländische Rabobank lebt von der Sache her dieses Konzept, wenn auch mit anderen kapitalmäßigen Verflechtungen.

Im Zuge der Digitalisierung und des immens zunehmenden Vertriebs von Finanzprodukten über Plattformen wird der Allfinanzgedanke seit einigen Jahren wiederentdeckt. Hierzulande hat die Allianz ihre grundsätzliche Bereitschaft bekundet, über den Vertriebskanal der Banken Versicherungsprodukte vertreiben zu wollen. Wie der Wettbewerber Generali hat der Münchener Konzern mit der Unicredit erst kürzlich eine Vereinbarung zum Verkauf von Versicherungsprodukten in Osteuropa getroffen. Und nun folgt eben Axa und die ING-Group - hierzulande übrigens auf Kosten der erst im Frühjahr 2017 vereinbarten Zusammenarbeit der ING-Diba mit dem Online-Versicherungsmakler Clark. Auf Kapitalverflechtungen wird in all diesen Fällen bislang verzichtet.

Mit ihrem tapferen Festhalten an der Allfinanzstrategie über die Finanzkrise hinweg sind die beiden deutschen Verbünde damit ganz unverhofft wieder voll im Zeichen der Zeit. Ob sie allerdings auch bei der Entwicklung von Plattformkonzepten Schritt halten können?

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