Börsen

Revolution im DAX

Es war lange angekündigt und wurde intensiv vorbereitet. Ende November lieferte die Deutsche Börse dann die Reform der Indexregeln der DAX-Familie. Angestoßen wurde die Überarbeitung durch den Wirecard-Skandal und den anhaltenden Imageschaden, den der Finanzplatz Deutschland dadurch genommen hat. Doch die Deutsche Börse wollte nicht nur die Compliance-Regeln angehen, sondern gleich mit einem Rundumschlag versuchen, die DAX-Indexfamilie zu modernisieren.

Die wohl "revolutionärste" Änderung betrifft den DAX und den MDAX und wird im September des Jahres 2021 vollzogen werden. Dann wird die Zahl der Unternehmen im DAX von derzeit 30 auf 40 steigen. Im Gegenzug wird der MDAX um zehn Gesellschaften schrumpfen. Damit will die Deutsche Börse ihrem Premiumprodukt mehr Gewicht verleihen. Doch dabei kann es natürlich nicht nur um die reine Anzahl der Unternehmen gehen. Wie der Dow Jones als wohl bekanntester und wichtigster Aktienindex auf der Welt zeigt, können 30 Aktien ausreichend sein. Es geht vielmehr um das "Gewicht", also die Marktkapitalisierung. Und ein kurzer Vergleich zwischen den USA und Deutschland zeigt, dass wir unseren Leitindex da dringend "mästen" müssten: Die 30 DAX-Werte haben eine kumulierte Marktkapitalisierung von 1,29 Billionen Euro. Klingt erst mal viel. Doch der Blick in die USA zeigt: Apple als Schwergewicht im Dow Jones bringt es auf umgerechnet 1,7 Billionen Euro, die Nummer 2 (Microsoft) im US-Leitindex auf 1,38 Billionen Euro (alle Daten Stand 7. Dezember 2020; Quelle: Onvista.de).

Die Hinzunahme der zehn größten MDAX-Werte würde Stand jetzt nochmals 243 Milliarden Euro "Speck" wachsen lassen, aber damit bliebe der DAX immer noch ein "Hungerhaken" - zumindest relativ gesehen. Immerhin hätte er dann die Nummer 2 in den USA überboten. Natürlich ist die Maßnahme nur ein Tropfen auf den heißen Stein, aber ein Schritt in die richtige Richtung. Freilich, ohne die Entwicklung einer Aktienkultur wie in den USA, wird man den DAX nicht zum "Normalgewicht" bekommen. Im Bereich der Compliance wurde unter anderem beschlossen, dass es ab März 2021 Teil der Indexmethodologie wird, dass alle Unternehmen in den Auswahlindizes testierte Geschäftsberichte und vierteljährlich Quartalsmitteilungen veröffentlichen müssen. Nach einer 30-tägigen Warnfrist soll ein Verstoß unmittelbar zum Ausschluss führen. Das ist ohne Zweifel eine gute Idee und die direkte Folge der Causa Wirecard. Aber es stellt sich schon die Frage, warum die Idee nicht schon viel früher kam.

Zusätzlich müssen ab März 2021 alle Neuzugänge in den Indizes den Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex hinsichtlich eines Prüfungsausschusses im Aufsichtsrat entsprechen. Für die bestehenden Mitglieder wird das auch gelten, jedoch bekommen diese mehr Zeit. Sie müssen die Vorgabe erst im September 2022 erfüllen. Begrüßenswert ist zudem die Entscheidung, künftig zweimal im Jahr eine planmäßige Hauptüberprüfung der DAX-Indizes durchzuführen. So bekommt der Indexbetreiber die Möglichkeit, schneller auf Unregelmäßigkeiten zu reagieren.

Alles in allem klingen die allermeisten beschlossenen Schritte richtig und sinnvoll. Aber dennoch wirkt es eher wie eine Reihe zufällig zusammengewürfelter Einzelmaßnahmen. Es ist kein konkretes Konzept oder eine konkrete Grundidee, kein roter Faden zu erkennen. Einige Stimmen im Markt zeigen sich verstimmt, dass das Thema ESG ausgeklammert wurde. Allerdings wurde es nicht vergessen. Die Deutsche Börse weist explizit daraufhin, dass die Meinungen hier eine hohe "Diversität" aufweisen und erst eine Grundsatzdiskussion geführt werden müsse. Hier wurde jedoch eine Chance vertan, mal zu agieren, anstatt immer nur zu reagieren.

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