Großbanken

Schlussstrich unter der Bilanz

Eine gewisse Wehmut war bei Frauke Hegemann schon zu spüren, als die Vorstandsvorsitzende der Comdirect die letzte Bilanzpressekonferenz der Online-Bank als eigenständiges Unternehmen einleitete. Seitdem die Commerzbank dem aktivistischen Investor Petrus Advisers für einen mehr als satten Aufschlag sein Aktienpaket für 15,15 Euro je Aktie abkaufte - das eigentliche Angebot lag bei 11,44 Euro - ist klar, dass der Squeezeout kommen wird und die beiden Unternehmen wieder verschmolzen werden. Anfang des Jahres haben laut Hegemann die Integrationsgespräche mit der Commerzbank begonnen. Zunächst wollen Mutter und Tochter das Zielbild für die Integration ausarbeiten. Bis Ende März rechnet sie damit, dass der Verschmelzungsvertrag unterzeichnet wird. Zur Hauptversammlung der Comdirect am 5. Mai 2020 soll der verschmelzungsrechtliche Squeezeout erfolgen und drei bis vier Monate später mit dem Eintrag ins Handelsregister die Transaktion abgeschlossen sein.

Wenig verwunderlich hat der noch amtierende Vorstand die meiste Zeit auf der Bilanzpressekonferenz jedoch darauf verwendet, zu belegen, wie gut er gearbeitet hat. So hat die Comdirect 2019 mit 190,6 Millionen Euro einen Rekordgewinn vor Steuern ausgewiesen, der allerdings durch den Verkauf von Ebase einen Sondergewinn in Höhe von 103,3 Millionen Euro beinhaltet. Bereinigt kletterte der Vorsteuergewinn immerhin noch um 23,5 Prozent, denn es wurden sowohl Zins- als auch Provisionsergebnis gesteigert. Die Zahl der Kunden legte um 221 000 oder 9 Prozent zu. Das betreute Kundenvermögen stieg um fast 30 Prozent und überschritt erstmals die Marke von 80 Milliarden Euro. Das Depotvolumen der Kunden kletterte um 40 Prozent auf 51,3 Milliarden am stärksten. Der Zuwachs ging nicht nur von Kurssteigerungen aus, sondern zu 44,2 Prozent waren auch Neumittelzuflüsse dafür verantwortlich.

Die reinen Zahlen sind also gut, aber (noch) nicht so dramatisch gut, dass sie als Hauptmotivation für die Übernahme taugen. Dass belegt auch ein Blick auf die Cost Income Ratio (CIR). Im Jahr 2018 schnellte sie bei der Commerzbank-Tochter auf 83,2 Prozent hoch. Zwar gelang 2019 wieder eine Verbesserung auf 78,9 Prozent. Doch wenn man das mit anderen reinen Onlinebanken vergleicht, zeigt sich viel Nachholbedarf: 2019 hatte die ING Deutschland (siehe auch Seite 47) eine CIR von 48 Prozent. Die DKB verzeichnete zum Halbjahr 2019 - neuere Zahlen liegen nicht vor - eine Kostenaufwandsquote von 53,3 Prozent.

Ein eigentlich Marketingorientierter Ausspruch, den Frauke Hegemann auf der Pressekonferenz von sich gab, weist auf den eigentlichen Grund für die Übernahme hin: "Wir sind die Bank im Handy." Im Firmenkundenbereich ist die Commerzbank selbst innovativ und auf einem guten Weg. Doch die digitale Transformation im Retail- Bereich der Commerzbank ist bis jetzt noch kein Paradebeispiel für Innovation in der Branche. Da liegt es natürlich nahe, dass man die Tochter, die insbesondere in die digitalen Prozesse und das digitale Kundenerlebnis investiert hat, einfach wieder integriert.

Einfach einen Haken hinter diesen Agendapunkt kann die Commerzbank dabei natürlich noch nicht machen. Gerade weil die Comdirect - die sich auf der Pressekonferenz auch als "erstes Fintech Deutschlands" bezeichnete - den Hauptfokus auf das Digitale legt, sind die Strukturen und Philosophien in beiden Unternehmen höchst unterschiedlich. Wie das gesamte Programm Commerzbank 5.0 ist schon der Teilaspekt Reintegration der Comdirect damit eine Herausforderung an vielen Fronten. Es muss sich erst zeigen, ob das Mammutprogramm gelingen kann. Eines ist aber klar: Die Commerzbank muss sich dieser Herausforderung stellen. Es ist alternativlos.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X