Neuemissionen

Ungewöhnliche Häufung

Quelle: Deutsche Börse 

Es hatte lange gedauert, doch 2021 kam der Aktienprimärmarkt doch noch in Schwung. Wie schon im Leitartikel der Ausgabe 16/2021 dieser Zeitschrift angesprochen, lag der Markt für Initial Public Offerings (IPO) in den vergangenen Jahren darnieder und erreichte gar nur einen Bruchteil kleinerer Länder wie Schweden. Nun sind es bereits 17 Neuemissionen im laufenden Jahr und damit schon zwei Börsengänge mehr als in den Jahren 2019 und 2020 kumuliert. Weitere befinden sich für 2021 noch in der Pipeline.

Ist nun alles eitel Sonnenschein und der deutsche Primärmarkt holt gegenüber dem Rest der Welt auf? Kann sein. Allerdings gab es zuletzt innerhalb kürzester Zeit gleich zwei geplante IPOs, die unmittelbar vor der Platzierung einen Rückzieher machten. Zunächst war das der Sprachkurseanbieter Babbel. Die Zeichnungsfrist lief ursprünglich bis zum 22. September 2021 und nach Aussagen einer der beteiligten Banken lagen vorab schon genug Orders vor, um alle Aktien zu platzieren. CEO Arne Schepker äußerte sich noch eine Woche zuvor, dass er sehr zufrieden war mit der Resonanz der Anleger und der Zeitpunkt für den Börsengang der richtige sei. Einen Tag vor Ende der Zeichnungsfrist dann die überraschende Absage. Begründung: "Derzeit ungünstige Marktbedingungen." Auch wenn Babbel weiterhin an die Börse gehen will, mutet das Vorgehen doch etwas seltsam an. Nun, Anfang Oktober, folgte ein weiterer, zumindest ähnlich gelagerter Fall, wenngleich hier die Zeichnungsfrist noch nicht lief: Der Börsengang des Spezial-Logistikers Transo-flex, eigentlich für Oktober geplant, wurde nach Medienberichten auf "frühestens" Ende November verschoben. Begründung: das Marktumfeld.

Im gleichen Zeitfenster noch ein weiterer "Fall", allerdings in der Schweiz: Der Luxusuhrenhändler Chronext wollte ebenfalls an den Markt, es folgte ein ähnliches Muster wie bei Babbel. Auch hier wurde der ganze IPO zwei Tage vor der geplanten Erstnotiz auf unbestimmte Zeit verschoben. Begründung: ungünstige Marktbedingungen für Wachstumsunternehmen. Es lässt sich also durchaus ein Muster erkennen.

Es stellt sich natürlich die Frage, ist es eine zufällige Häufung oder steckt mehr dahinter? Neben der Zufallsthese lassen sich noch zwei weitere Thesen aufstellen. These eins: Die Qualität der Unternehmen ist einfach zu schlecht für die aktuelle Marktphase. Es war in der Vergangenheit zu beobachten, dass in der Schlussphase von langen und/oder intensiven Haussen auch die Unternehmen an den Markt gelockt wurden, die sich in normalen Phasen vielleicht noch nicht reif dafür sahen. Das schnelle Geld war dann doch zu verlockend. Beispiel Babbel: Das Start-up steigerte den Umsatz von 2018 bis 2020 um 38,4 Prozent. Die Cost of Sale stiegen jedoch sogar um beinahe 75 Prozent und die Marketingkosten als mit Abstand größter Aufwandsposten um 43,3 Prozent. Unter dem Strich verdoppelte sich in diesem Zeitraum der Verlust beinahe von 12,4 auf 23,6 Millionen Euro. Oder Chronext: Umsätze stiegen hier ebenfalls prozentual zweistellig. Doch profitabel will das Unternehmen erst "mittelfristig" werden. Der dritte im Bunde, Trans-o-flex, war im Jahr 2017 ein Sanierungsfall, wurde dann allerdings erfolgreich umstrukturiert und weist zumindest wieder ein deutlich wachsendes EBITDA aus.

Die zweite These: Die Hausse steht vor ihrem Ende und die Marktteilnehmer sind grundsätzlich nicht mehr bereit, Risikoinvestments einzugehen. Gegen diese Vermutung spricht allerdings die Ansage der beteiligten Bank (siehe oben), dass alle Aktien eigentlich platziert waren. Grundsätzlich gibt es natürlich Faktoren, die derzeit auf den Märkten lasten. Aber um vom endgültigen Ende der Hausse zu reden, könnte es noch zu früh sein. Dieses dürfte erst am Kipppunkt der Geldpolitik erreicht sein. Somit spricht einiges mehr für These eins. Die nächsten Wochen werden hoffentlich Aufschluss darüber bieten.

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