Blockchain

Veritable Herausforderungen auf dem Weg in die Praxis

Quelle: pixabay.com

Vor gut vier Monaten, am 1. Juni, stand die Ausgabe dieser Zeitschrift ganz im Zeichen der Blockchain. Teils große und disruptive Visionen skizzierten die Autoren darin für die Finanzindustrie, ohne dabei die zweifellos vorhandenen Hürden auf dem Weg in die Praxis auszuklammern. Seitdem sind zahlreiche neue Machbarkeitsstudien, Initiativen und klangvolle Kooperationen rund um das Forschungsobjekt "Blockchain" beziehungsweise "Distributed-Ledger-Technologie" (DLT) hinzugekommen. An der Spitze der Bewegung stehen unverändert die Akteure der Finanzindustrie. Das jüngste Beispiel: Bank of Montreal, Caixa Bank, Commerzbank und Erste Group haben sich einer von UBS und IBM im Jahr 2016 gestarteten Initiative angeschlossen, deren Ziel die Etablierung einer neuen globalen Plattform zur Finanzierung von Handelsaktivitäten auf Basis der Blockchain-Technologie ist. Wie so oft, wenn es um Blockchain geht, sind auch hier die gesteckten Ziele ambitioniert: Transaktionen sollen effizienter, transparenter und kostengünstiger gestaltet werden.

Damit die Technologie tatsächlich der von vielen prophezeite "Game Changer" wird, ist die wohlwollende Beurteilung von Notenbanken und/oder Regulierungsbehörden eine wichtige Voraussetzung. Ein gutes Zeichen ist in diesem Zusammenhang sicherlich, dass sich diese selbst seit geraumer Zeit intensiv mit der Materie auseinandersetzen. Die Aussicht auf Erleichterungen bei der Regulierung (Datenerfassung) oder das Senken von Kontrahentenrisiken dank Blockchain-Anwendungen sind naheliegende Erklärungen dafür.

Nicht zuletzt die Bundesbank, die bereits im November 2016 einen blockchainbasierten Prototypen zur Abwicklung von Wertpapierkäufen gemeinsam mit der Deutschen Börse entwickelte, begleitet die Entwicklung mit großer Aufmerksamkeit. In einer aktuellen Analyse der DLT mit dem Schwerpunkt auf Zahlungsverkehr und Wertpapierabwicklung drückt sie nun im Monatsbericht September 2017 allerdings ein Stück weit auf die Euphoriebremse und identifiziert noch zahlreiche ungeklärte Fragen: Die ursprünglich für die virtuelle Währung Bitcoin entwickelte DLT müsse "erheblich modifiziert werden, um sie an die Bedürfnisse des Finanzsektors anzupassen".

Insbesondere die vor dem Hintergrund des Geldwäscherechts unabdingbare Identifizierbarkeit der Teilnehmer sieht die Bundesbank bei der anonymen Übertragung von Werteinheiten, wie sie für öffentliche DLT-Plattformen (zum Beispiel Bitcoin) charakteristisch ist, nicht gegebenen. Als Konsequenz kämen für die Finanzindustrie lediglich Private Ledger infrage, also geschlossene Netzwerke, die nur auserwählten Teilnehmern zugänglich sind. Die kühne Vision weltumspannender, komplett offener Blockchain-Systeme, zu der jeder Endnutzer direkten Zugang hat, erscheint angesichts solcher Töne äußerst unrealistisch.

Ähnlich skeptisch gibt sich die Bundesbank hinsichtlich der mancherorts prophezeiten Obsoleszenz zentraler Instanzen im Bereich der Wertpapierabwicklung. Gerade an der Schnittstelle zwischen realer und virtueller Welt bedarf es demnach vertrauenswürdiger Intermediäre, schließlich repräsentiert ein Wertpapier Ansprüche in der realen Welt. Bei allen Fragezeichen sieht die Bundesbank dennoch gute Gründe, die "praktische Anwendbarkeit der DLT im Zahlungsverkehr und in der Wertpapierabwicklung weiter zu erforschen".

Ein Zwischenfazit zu ihren Blockchain-Aktivitäten hat kürzlich auch die EZB gezogen. Sie forscht gemeinsam mit der Bank of Japan, inwieweit die Technologie zur Abwicklung im Zahlungsverkehr geeignet ist. Angesichts der gigantischen Volumina, die tagtäglich von Systemen wie Target-2 (rund 1,8 Billionen Euro) bewerkstelligt werden müssen, ist aber auch in diesem Bereich mit einem steinigen Weg hin zur Massentauglichkeit zu rechnen, denn die Blockchain benötigt immense Rechner- und Energieleistung. Die beiden Zentralbanken kommen in ihrem Projektbericht deshalb auch zu der vorläufigen Einschätzung, dass die Technologie noch nicht ausgereift ist für den hochvolumigen Zahlungsverkehr. Eine Ablösung des etablierten Target-2-Systems durch dezentral verteilte P2P-Datenbanken steht Stand heute ohnehin nicht zur Debatte. Es scheint also fast so, als wäre die Blockchain nach dem anfänglichen Hype in eine Phase der Ernüchterung eingetreten. Zweifellos ist der Tatendrang ungebrochen, der konkrete, praxistaugliche Anwendungsfall ist jedoch weiter nicht in Sicht.

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