Finanzgerichtsbarkeit

Zugewinnausgleich und eine steuerliche "Absurdität"

Das Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht hat schon manche Absurditäten bei der finanzamtlichen Feststellung von Steuerungstatbeständen erzeugt, die zwar aus dem reinen Gesetzestext formal ableitbar, aber dem gesundem Menschenverstand des Steuerbürgers dennoch nicht begreifbar sind. Auch nach den mehrfachen Reformversuchen am Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz halten es nach wie vor viele Bürger für willkürlich und enteignungsgleich. Vor dem internationalen Hintergrund, dass nicht nur Staaten, wie unter anderem Schweden, Norwegen, Österreich und die Schweiz, sondern auch die Russische Föderation die Erbschaftssteuer inzwischen ganz abgeschafft haben, und dass in 30 (von 39) europäischen Staaten wenigstens die Ehe- und Lebenspartner von ihr freigestellt wurden, wäre es auch in Deutschland an der Zeit, sich der Neustrukturierung dieses Gesetzes anzunehmen.

Mehrere Vorschläge dazu, von der Streichung der Steuer insgesamt, der Anhebung der Freibeträge beziehungsweise Senkung der Steuerprozentsätze bis zur Steuerfreiheit für Ehe- und Lebenspartner und der Besteuerung in allen anderen Fällen zu einer "Flatrate" von 5 bis 10 Prozent (Kirchhof-Modell), liegen längst auf dem Tisch. Es wäre zu wünschen, dass gerade auch die vermögensverwaltende Kreditwirtschaft im Interesse ihrer Kunden initiativ wird, indem sie den Enteignungscharakter der Erbschafts- und Schenkungsbesteuerung von Privatvermögen rügt und eine Reform anregt, die dieses Prädikat verdient.

Die besondere "Absurdität", die hier zu vermelden ist, zeigt sich in einem Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 15. Dezember 2016 (AZ 1 K 199/15, abgedruckt in ZErb-Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis, Heft 9-2017, Seite 264). Zwangsläufig stellt sich bei dessen Lektüre die Frage nach Sinn oder Unsinn eines darin vom Hessischen Finanzgericht bestätigten Steuerbescheids nach dem Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz. Über folgenden Sachverhalt war zu entscheiden: Ein Ehepaar, bei Ehebeginn beide ohne Vermögen, lebte viele Jahre im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Der Ehemann erarbeitete als erfolgreicher Unternehmer im Laufe der Jahre ein hohes (versteuertes) Vermögen, das aus Konten, Geldanlagen und Unternehmensbeteiligungen (unter anderem Aktien) bestand. Er bewertete es auf einen um 12 Millionen Euro höheren Betrag als das seiner Ehefrau zuzurechnende Vermögen. Der Absicht, die Ehefrau an seinem Vermögenszuwachs partizipieren zu lassen, stand die daraus erwachsende Schenkungssteuerlast in Millionenhöhe entgegen. Die Eheleute kamen daher zu dem vernünftigen Entschluss, ihren gesetzlichen Güterstand durch Vertrag zu beenden und nachfolgend in Gütertrennung zu leben. Nach § 5 Abs. 2 des ErbschStG ist nämlich der Anspruch auf Zugewinnausgleich eines Ehegatten auch bei vertraglicher Beendigung des gesetzlichen Güterstands - also nicht nur im Todesfall des "reicheren" Ehegatten - steuerfrei. Wegen der Risiken unter anderem in Bezug auf den nachhaltigen Wert der Unternehmensanteile vereinbarten die Eheleute, statt des rechnerischen Ausgleichsbetrags von 6 Millionen Euro nur 3,8 Millionen Euro an die Ehefrau zu übertragen.

Diese Vereinbarung schien in trockenen Tüchern, bis das Finanzamt dem Ehemann einen Steuerbescheid wegen Schenkungssteuer für die von seiner Ehefrau nicht beanspruchte Differenz von 2,2 Millionen Euro ins Haus schickte. Die Ehefrau habe insoweit auf ihren Anspruch verzichtet und damit dem Ehemann eine von ihm zu versteuernde "freigebige Zuwendung" gemacht. Dieses absurde Ergebnis, dass der Ehemann den von seiner Ehefrau nicht beanspruchten Teilbetrag seines eigenen Vermögens nun als "Schenkung seiner Ehefrau an ihn" versteuern müsse, hat das Hessische Finanzgericht in seinem Urteil bestätigt. Das Gericht führte dazu aus, dass zwar der Zugewinnausgleich der freien Disposition der Eheleute unterliege. Wenn aber wie hier im Vertrag der rechnerische Ausgleichsbetrag mit 6 Millionen Euro beziffert worden sei, handele es sich um einen als Schenkung zu wertenden und daher vom Ehemann als "Empfänger" zu versteuernden Verzicht der Ehefrau auf den Differenzbetrag.

In der Tat kann - nicht "muss" - man dieses Ergebnis unmittelbar aus dem Gesetzestext auslegend ableiten. Absurd macht den Fall aber, dass dem Steuerbescheid jede Grundlage gefehlt hätte, wenn das Ehepaar in seinem Güterrechtsvertrag den rechnerischen Betrag von 6 Millionen Euro gar nicht erwähnt, sondern eben nur den vereinbarten Zahlbetrag von 3,8 Millionen Euro als Ausgleichsforderung festgelegt hätte. Dann nämlich gäbe es einen "freigebigen" Verzicht der Ehefrau nicht. Es wirkt enteignungsgleich, dass der Fiskus aus dieser kleinen Formalie einen Steueranspruch herleitet, der zudem nicht die eigentlich bereicherte Ehefrau trifft, sondern den Ehemann, der sich "entreichert" hat, aber nun gerade den Teil seines eigenen Vermögens, um den er sich nicht "entreichern" wollte, als Schenkung an ihn (sinnlos) versteuern muss. Wenigstens hat das Finanzgericht die Revision zum BFH zugelassen; es bleibt abzuwarten, ob er den richtigen Weg aus diesem "Absurdistan" findet.

RA Dr. Claus Steiner, Wiesbaden

Dr. Claus Steiner , Rechtsanwalt, Wiesbaden
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