Redaktionsgespräch mit Mathias Lüdtke-Handjery

"Die Anzahl an Bewerbungen ist im Vergleich zu den Vorjahren deutlich angestiegen"

Mathias Lüdtke-Handjery, Foto: Finanzberatungsgesellschaft mbH der Deutschen Bank

Der Kampf um Talente ist gerade auch im mobilen Vertrieb in der Finanzbranche intensiv. Dennoch hat die Deutsche Bank eine stetig steigende Zahl an Beratern bei gleichzeitig moderater Fluktuation. Doch damit dies gelingt, ist laut Lüdtke ein Recruiting-Konzept nötig, das sich von anderen abhebt und eine frühe emotionale Bindung bei den passenden Kandidaten aufbaut. Es brauche einen transparenten und informativen, aber auch emotionalen Prozess. So erhalten geeignete Interessenten nach dem Erstgespräch eine individualisierte Mail mit persönlicher Landingpage und einem individuellen Video, was bei den Kandidaten einen "Wow"- Effekt auslösen soll. Der höhere Aufwand lohne sich, da es erfolgsentscheidend sei, die besten Geschäftspartner für den mobilen Vertrieb zu finden. Zudem würden sich die Prozesse dahinter auch gut automatisieren lassen. Mit diesem Konzept konnte die Deutsche Bank die Zahl der neuen Finanzberater binnen Jahresfrist um 35 Prozent erhöhen. (Red.)

Die Deutsche Bank befindet sich in einem enormen Transformationsprozess und gerade im wichtigen Geschäftsfeld mobiler Vertrieb herrscht eine hohe Fluktuation. Woran liegt das? Und wie herausfordernd ist das für das Recruiting?

Diese Aussage kann ich für unser Haus nicht bestätigen, im Gegenteil: Die Anzahl der selbstständigen Finanzberater für die Deutsche Bank steigt seit Monaten stetig an und die Fluktuation liegt auf einem konstant moderaten Niveau. Diese Entwicklung ist für uns sehr erfreulich und gerade in Zeiten des Fachkräftemangels keine Selbstverständlichkeit, zumal der Schritt in die Selbstständigkeit nicht jedem leichtfällt. An diesem Punkt setzen wir beim Recruiting bewusst an, indem wir eine sehr gut strukturierte Bewerbungs- und Einarbeitungsphase bieten.

Welche neuen Wege müssen Sie aufgrund dieser Umstände einschlagen?

Der Wettbewerb um die Besten ist herausfordernd: Geeignete Bewerber bringen sowohl das fachliche Know-how als auch die Persönlichkeit für die unternehmerische Tätigkeit als Finanzberater mit. Da braucht es kluge Konzepte, um sich vom Markt abzuheben und früh eine emotionale Bindung bei den passenden Kandidaten aufzubauen. Dies gelingt uns unter anderem mit individuellen Filmen, regelmäßigem Kontakt zu den jeweiligen Ansprechpartnern und unserer "My Onboarding" App. Diese App versorgt die Interessenten bereits ab dem Erstkontakt bis weit in die Einarbeitungsphase mit relevanten Informationen. Wir begleiten Bewerber schrittweise auf dem Weg in ihren neuen Job und bauen eventuelle Ängste und Vorbehalte gegenüber der Selbstständigkeit ab.

Die klassische Bewerbung schreckt mittlerweile viele Menschen ab. Wie sollte Ihrer Meinung nach ein Bewerbungsprozess künftig aussehen, um attraktiv für Bewerber zu sein?

Kurz zusammengefasst, sollte der Prozess transparent, informativ und vor allem emotional sein. Menschen brauchen heute ansprechende und niedrigschwellige Angebote auf unterschiedlichen Kanälen. Annoncen auf Jobportalen reichen nicht aus. Wir nutzen beispielsweise Social Media Kampagnen mit authentischen Testimonials, um verschiedene Zielgruppen anzusprechen und Menschen zu erreichen, die nicht aktiv auf Jobsuche sind.

Häufig gibt es bei Ihnen kein klassisches Bewerbungsverfahren mehr, sondern die Erstansprache erfolgt über eine Führungskraft. Inwieweit verbessert die individuelle Ansprache die Chancen von Banken bei aussichtsreichen Kandidaten?

Die individuelle Ansprache und Weiterempfehlungen waren bei uns schon immer das Mittel der Wahl. Unsere Finanzberater sind sehr erfolgreich, Erfolg wird gern geteilt und macht naturgemäß neugierig. Da ist es nur logisch, sie in den Rekrutierungsprozess einzubeziehen und verstärkt auf persönliche Empfehlung zu setzen. Das Programm "Finanzberater wirbt Finanzberater" ist unser größter Rekrutierungskanal. Die Finanzberater kennen Ihren Arbeitsalltag, die Möglichkeiten und Voraussetzungen selbst am besten. Davon profitieren am Ende alle: Gut vorbereitete und informierte Kandidaten genauso wie die Finanzberater, die für ihre Empfehlung eine Prämie erhalten. Das Erstgespräch mit der zuständigen Führungskraft kann in solchen Fällen ebenfalls viel individueller gestaltet werden.

Mit wem konkurrieren Sie um diese Kandidaten für den mobilen Vertrieb? Vor allem mit anderen Finanzdienstleistern oder eher mit Unternehmen der Realwirtschaft?

Die Finanzbranche ist ein stark regulierter Markt, der entsprechende Fachkenntnisse voraussetzt. Allein um die nötige Gewerbeerlaubnis als Voraussetzung für die Beratertätigkeit zu erhalten, braucht es Fachwissen. Insofern kommen die Kandidaten vor allem aus der Finanzwirtschaft.

Jeder Kandidat erhält nach dem Erstgespräch eine individuelle Einladungsbox, samt Video und Einblicken in den künftigen Job von der Deutschen Bank. Wie individuell zugeschnitten wird die Einladungsbox?

Geeignete Interessenten erhalten von ihrem Gesprächspartner des Erst- oder Folgegesprächs eine individualisierte E-Mail mit einer persönlichen Landingpage und einem Video. Die eigene, virtuelle Visitenkarte und der individuelle Imagefilm mit Detailinformationen des Bewerbers zeigen die persönlichen Zukunftsperspektiven auf. Das hilft dabei, sich schon einmal in die neue Rolle einzufühlen und sorgt nicht nur beim Kandidaten für einen Überraschungseffekt. Denn seien wir ehrlich: Berufliche Neuorientierung ist keine Entscheidung, die man allein trifft. In der Realität wird das Umfeld, etwa Familie und Freunde, eng mit einbezogen. Auch diese Mitentscheider haben so einen guten ersten Eindruck und sind mit im Boot.

Was erhoffen Sie sich davon?

Wir wollen Emotionen und Begeisterung wecken. Mit dem sehr individuellen Film erzeugen wir einen "Wow"-Effekt bei den Kandidaten und geben ihnen die Möglichkeit, schon mal gedanklich in die neue Rolle einzutauchen. Neben dieser emotionalen Bindung ist ein weiterer wichtiger Aspekt, in Kontakt zu bleiben. Schließlich sollen Kandidaten das ehrliche Interesse an ihrer Person spüren. Durch regelmäßigen Kontakt gelingt es, den sogenannten Ghosting-Effekt zu reduzieren und aus Bewerbern Vertragspartner zu machen.

Dieses Mehr an Individualisierung bedeutet immer auch mehr Aufwand. Lohnt dieses zusätzliche Investment? Und inwieweit lassen sich hierbei Prozesse automatisieren?

Die besten Geschäftspartner für unseren mobilen Vertrieb zu finden, ist für uns erfolgsentscheidend. Das Investment lohnt sich unbedingt, zumal die dahinter liegenden Prozesse sich über weite Strecken auch gut automatisieren lassen. Mit der "My Onboarding" App haben wir in der Rekrutierungs- und Onboarding-Phase ja bereits ein modernes Medium geschaffen, das den kompletten Prozess ab dem Erstkontakt begleitet und unterstützt. Kandidaten können damit ihren Informationsbedarf decken, Bewerbungs- und Entscheidungsprozesse aktiv gestalten und alle notwendigen Schritte planen.

Wie stellt sich der Kostenvergleich mit einem klassischen Bewerbungsverfahren dar? Kann man das überhaupt vergleichen?

Dieser Vergleich ist schwer. Zumal es nicht genügt, hier nur die Kostenseite zu betrachten. Es ist auch immer der Erfolg zu bewerten.

Nach Zustellung der Einladungsbox, wie geht der Recruiting- Prozess dann weiter? Wie kommt es dann zu weiteren Gesprächen?

Auf jeden Fall folgen weitere Gespräche. Das kann vom verantwortlichen Gesprächspartner direkt angestoßen werden. Hat man sich bereits im Erst- oder Folgekontakt auf einen Folgetermin geeinigt, können die Interessenten den Termin direkt über die personalisierte Mail bestätigen, mit der er beziehungsweise sie den Link zur Landingpage und den individualisierten Film erhalten hat. Alternativ werden die Interessenten via Button eingeladen, Folgetermine auszumachen. Bei der Komplexität des Geschäftsfeldes mit allen seinen Facetten, Fragestellungen und Möglichkeiten sind mehrere Gespräche nicht ungewöhnlich. Fachliche und persönliche Eignung müssen genauso besprochen werden wie die gegenseitigen Erwartungen und Wünsche. Diese Elemente des klassischen Bewerbungsverfahrens sind unverzichtbar. Enorm wichtig ist es, den Weg dahin einfach und klar zu gestalten, direkte Rückmeldungen zu ermöglichen und das Besprochene zu visualisieren und erfahrbar zu machen.

Ist diese Art des Recruitings denn auch erfolgreicher? Wie viele Finanzberater konnten Sie durch diese Methode bereits gewinnen?

Der klare Fokus und die konsequente Umsetzung der beschriebenen Maßnahmen zeigen Wirkung. Wir merken deutlich, dass die Finanzberatungsgesellschaft in der Branche und bei Interessenten stärker wahrgenommen wird. Die Anzahl an Bewerbungen ist im Vergleich zu den Vorjahren deutlich angestiegen. In diesem Jahr konnten wir per Oktober 2021 insgesamt 188 neue Finanzberater unter Vertrag nehmen. Das bedeutet im Vergleich zum Vorjahreszeitraum einen Anstieg von 35 Prozent. Diese starken Rekrutierungszahlen verbunden mit einer niedrigen Fluktuationsquote sorgen im Ergebnis für einen klaren Wachstumsschub unserer Organisation.

Bleiben die neuen Finanzberater denn auch langfristig? Sprich kann auf diese Weise auch der bereits angesprochenen Fluktuation entgegengewirkt werden?

Natürlich ist es unser Ziel, langfristig mit unseren Selbstständigen Finanzberater zusammenzuarbeiten: Wir sind mit der Bleibedauer unserer Berater von durchschnittlich mehr als zehn Jahren zufrieden. Gerade Fachkräfte, die aus einem Angestelltenverhältnis kommen, brauchen für den Schritt in die Selbstständigkeit aber erfahrungsgemäß Unterstützung und Hilfestellung. Auch dafür haben wir Lösungen entwickelt und gestalten den Übergang von Rekrutierung über Onboarding bis hin zur Einarbeitung aktiv unterstützend und fließend. Persönliche Begleitung im Entscheidungsprozess ist genauso wichtig wie nachher in der Umsetzung. Und ja, das zahlt sich aus: Unsere Finanzberater kommen schnell im eigentlichen Vertriebsalltag an und haben erste Erfolgserlebnisse. Das motiviert, dabeizubleiben und begünstigt eine langjährige und gute Zusammenarbeit.

Kommt dieses Verfahren auch in anderen Bereichen der Bank zum Tragen? Beispielsweise möchte die Deutsche Bank auch das Personal in der IT aufstocken. Wäre der beschriebene Prozess auch hier denkbar, um für Bewerber attraktiver zu werden?

Der mobile Vertrieb ist ein eigenständiger Bereich innerhalb des Konzerns, der sich selbst organisiert. Unser Geschäftsmodell braucht flexible und individuelle Lösungen. Sicher ist es immer sinnvoll zu schauen, was bei anderen warum gut funktioniert und was man davon für sich selbst nutzen kann. Einige Elemente des Verfahrens, wie eine Onboarding App werden bei der Rekrutierung von Hochschulabsolventen in der Deutschen Bank bereits genutzt. Ferner gibt es auch in der Deutschen Bank ein Mitarbeiterempfehlungsprogramm.

Wie könnte dieser Ansatz bei der Bewerberansprache auch auf die Kundenansprache ausgeweitet werden?

Wenn man sich unseren Ansatz bei der Rekrutierung selbstständiger Finanzberater anschaut, wird einem einiges bekannt vorkommen: Empfehlungsprogramme, die emotionale Ansprache auf unterschiedlichen Kanälen und der sinnvolle Einsatz von Digitalformaten sind bei der Gewinnung neuer Kunden ja schon länger wichtige Instrumente.

Glauben Sie, dass Sie zu einem besseren Image der Deutschen Bank beitragen?

Der stärkste Hebel für ein gutes Image sind am Ende viele zufriedene Kunden. Sie profitieren bei uns nicht nur von einer umfassenden Beratung auf hohem Niveau, sondern eben auch von einer hohen zeitlichen und örtlichen Flexibilität der selbstständigen Berater. Das macht unser Geschäftsmodell des mobilen Vertriebes besonders erfolgreich. Hinzu kommen die Sicherheit und die breit aufgestellte Produktpalette der starken Marke Deutsche Bank.

Mathias Lüdtke-Handjery , Geschäftsführer , Finanzberatungsgesellschaft mbH der Deutschen Bank
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