Redaktionsgespräch mit Christian Sewing

"Wir haben eine starke Marktposition in allen vier Geschäftsfeldern"

Christian Sewing, Foto: Deutsche Bank AG

Christian Sewing scheint die doch eigentlich unregierbare Deutsche Bank gut im Griff zu haben. Das Institut schreibt wieder schwarze Zahlen, der Börsenkurs reüssiert, der Umbau läuft geräuschlos und planmäßig und selbst schwierige Personalentscheidungen gelingen reibungslos. Entsprechend zufrieden zeigt sich der Vorstandsvorsitzende im Redaktionsgespräch. Gleichzeitig warnt er vor Selbstzufriedenheit. Gerade jetzt müsse die Deutsche Bank mit noch größerer Disziplin an ihren Zielvorgaben arbeiten. Denn Sewing weiß, dass Banken zunehmend angestammte Geschäftsmöglichkeiten verlieren werden, die digitale und nachhaltige Transformation eine enorme Herausforderung darstellt und die Konsolidierung in Europas Bankensektor an Fahrt aufnehmen wird. Dieser will der Vorstandsvorsitzende aus einer Position der Stärke heraus begegnen. (Red.)

Herr Sewing, Sie stehen nun seit ziemlich genau drei Jahren an der Spitze der Deutschen Bank. Es waren auf jeden Fall bewegte Jahre, in denen viel passiert ist. Glaubt man dem Börsenkurs, machen Sie Ihre Sache gut. Wie fällt ein persönliches Fazit dieser Zeit aus?

Ich bin zufrieden. Was wir in diesen drei Jahren vorangetrieben haben, ist die umfassendste Transformation der Deutschen Bank seit zwei Jahrzehnten. Und wir sind schneller und besser vorangekommen als ursprünglich geplant. Dabei haben wir von Anfang an gesagt, dass sich die intensivste Phase dieses Umbaus auf die ersten sechs Quartale konzentrieren würde - also von Mitte 2019 bis Ende 2020. Nach diesen sechs Quartalen liegen nun 85 Prozent der umbaubedingten Belastungen hinter uns, die wir für die Zeit bis 2022 erwartet hatten. Wir haben bereits 2020 einen Vorsteuergewinn von mehr als einer Milliarde Euro erzielt, womit kaum jemand gerechnet hatte. Und wir halten an allen Zielen fest, die wir uns für 2022 gesetzt haben. Und dass, obwohl die Corona-Pandemie nicht nur die Gesundheit vieler Menschen gefährdet, sondern auch die Wirtschaft vor enorme Herausforderungen gestellt hat. Also, unterm Strich: Sehr viel erreicht, aber gerade jetzt müssen wir unseren Fokus und die Disziplin in der Umsetzung genauso weiter beibehalten wie bisher.

Die Deutsche Bank kommt sowohl operativ als auch beim Umbau schneller voran als erwartet - trotz Corona. Werden sich 2021 erste Bremsspuren zeigen?

Nein. Wir sehen einen kontinuierlichen Aufwärtstrend, unsere Kunden machen mehr und mehr Geschäft mit uns. Deswegen haben wir auch mit unserem Investorentag im Dezember 2020 den Startschuss für die dritte Phase unserer Transformation gegeben - die Phase der nachhaltigen Profitabilität, nachdem wir seit April 2018 unsere Bank in der ersten Phase stabilisiert und in der zweiten dann neu ausgerichtet hatten. Unser Ziel ist es nun, profitabel zu wachsen - also gleichzeitig bei Kosten und Kapital absolut diszipliniert zu bleiben. Entsprechend haben wir nun auch unseren Vorstand ausgerichtet.

Was lässt Sie da so sicher sein?

Wir haben uns auf unsere Stärken fokussiert und sind in unseren Geschäftsbereichen schlicht und einfach relevant. Da rüber hinaus haben wir in der Corona-Pandemie besonders davon profitiert, dass wir unsere Kreditrisiken seit Jahren konservativ steuern. Natürlich mussten wir in diesem Umfeld mit zusätzlichen Kreditausfällen rechnen, deshalb ist auch bei uns die Risikovorsorge im Jahr 2020 gestiegen. Dass wir unsere Kreditrisiken jedoch selbst in einer Rezession von historischem Ausmaß im Griff hatten, ist auch ein guter Indikator für die Zukunft: Wir haben unsere Vergabestandards auch in Jahren mit starkem Wirtschaftswachstum nicht aufgeweicht. Nicht umsonst wurde unsere Bank jüngst als "Risikomanager des Jahres" ausgezeichnet - eine hochverdiente Anerkennung für Stuart Lewis und sein Team.

Aber lässt sich das tatsächlich einfach in die Zukunft mit steigenden Insolvenzen fortschreiben?

Auch 2021 wird Herausforderungen mit sich bringen - schon allein deshalb, weil der Kampf gegen das Virus noch längst nicht gewonnen ist. Dennoch erwarten wir angesichts zahlreicher Konjunkturprogramme in vielen für uns wichtigen Märkten einen wirtschaftlichen Aufschwung, insbesondere wenn die laufenden Impfungen wie erwartet wirken. Deshalb rechnen wir auch damit, dass die Risikovorsorge dieses Jahr sinkt und 2022 weiter zurückgeht. Der Jahresstart hat uns in diesem Optimismus bestärkt: Für das erste Quartal dürfte die Risikovorsorge deutlich geringer sein, wie von den Analysten erwartet. Und auch in der Investmentbank hat sich die positive Dynamik zu Jahresbeginn fortgesetzt - auch wenn wir hier damit rechnen, dass sich das Marktumfeld normalisiert.

Das Ergebnis im Jahr 2020 war sehr stark vom Investmentbanking getragen. Würden Sie dennoch sagen, die Deutsche Bank verfügt heute schon über ein ausgewogenes Geschäftsmodell?

Ja, auf jeden Fall. Wir haben eine starke Marktposition in allen unseren vier maßgeblichen Geschäftsfeldern, also in der Privatkunden-, der Unternehmens- und der Investmentbank sowie der Vermögensverwaltung. Im Sommer 2019 haben wir gesagt, dass künftig rund ein Drittel der Erträge aus der Investmentbank kommen solle - 2020 waren es etwas mehr als 38 Prozent. Dieses Ergebnis haben wir erzielt, obwohl wir die Kosten verringert und den Kapitaleinsatz konstant gehalten haben. Wir haben unsere Strategie also nicht verändert. Aber wir haben das Potenzial unserer fokussierten Investmentbank ehrlicherweise unterschätzt: Der Erfolg basiert zum guten Teil darauf, dass wir uns auf unsere Stärken im Kapitalmarktgeschäft besonnen haben, also das Geschäft mit festverzinslichen Wertpapieren und Währungen sowie das Emissions- und Beratungsgeschäft.

Die Privatkundenbank und die Unternehmensbank mussten hingegen mit erheblichem Gegenwind klarkommen - und haben das besser geschafft als die meisten Wettbewerber. Wenn sich das Zinsumfeld nicht weiter verschlechtert oder die Zinsen gar wieder steigen, werden sich in beiden Bereichen auch die Ertrags- und Gewinnlage erheblich verbessern. Außerdem sehen wir weiterhin gute Wachstumschancen, für die Unternehmensbank etwa in Asien und im Zahlungsverkehr, für die Privatkundenbank im beratungsintensiven Geschäft und bei nachhaltigen Anlageformen. Zudem haben wir mit unserer Mobile App eine sehr gute Plattform, um das digitale Geschäft noch weiter auszubauen. Und mit der DWS haben wir einen Asset Manager, der klar auf Wachstumskurs ist und in Europa bereits zu den Marktführern zählt.

Insgesamt fühlen wir uns mit unserer globalen Aufstellung als Universalbank also sehr gut gerüstet für die großen Trends der kommenden Jahre. Wir erwarten einen wachsenden Finanzierungsbedarf von Firmen und Staaten, bei dem sowohl unsere Unternehmensbank als auch unsere Investmentbank gefragt sein werden. Die Privatkundenbank und DWS wiederum werden sich auf den Vermögenserhalt in einer alternden Gesellschaft konzentrieren.

Welche Folgen wird das Thema Nachhaltigkeit in Zukunft für den Antritt der Deutschen Bank an den Kapitalmärkten ebenso wie in der Unternehmensfinanzierung haben? Wie sehr werden diese Kriterien das Geschäft beeinflussen?

Der Kampf gegen den Klimawandel ist eine Jahrhundertaufgabe, die wir nicht an die nächste Generation delegieren können. Der Finanzindustrie kommt hierbei eine zentrale Rolle zu, da wir diese immense Transformation finanzieren müssen - sei es über Kredite oder indem wir direkten Zugang zu Investoren am Kapitalmarkt ermöglichen. Wir als Deutsche Bank haben deshalb Nachhaltigkeit als einen zentralen Bestandteil in unsere Strategie integriert. Das betrifft alle Bereiche unserer Bank - von der Strategie der einzelnen Geschäftsbereiche bis hin zum Risikomanagement oder wie wir intern Leistung messen. Dafür haben uns ehrgeizige Ziele gesetzt: Wir werden bis 2025 ein Volumen von 200 Milliarden Euro an nachhaltigen Finanzierungen und Anlagen ermöglichen - dabei ist unsere Fondstochter DWS noch gar nicht mit eingerechnet. Für 2020 hatten wir uns 20 Milliarden vorgenommen, tatsächlich haben wir 46 Milliarden erreicht. Und das ist nur der Anfang. Wie ernst wir das meinen, können Sie auch daran sehen, dass wir die Vergütung des Vorstands und der Topführungskräfte verstärkt an Nachhaltigkeitskriterien knüpfen.

Was würden grenzüberschreitende Fusionen für den europäischen Bankenmarkt und die Wettbewerbsverhältnisse bedeuten?

Der europäische Bankenmarkt ist mit rund 5 000 Instituten im Euroraum sehr zersplittert. Nur wenn wir konsolidieren, werden wir Skaleneffekte erreichen und die Kosten entsprechend weiter senken können. Aber die Herausforderung ist ja viel größer: In Europa gehen mehr als 80 Prozent der Finanzierungen auf Banken zurück, über den Kapitalmarkt sind es nicht einmal 20 Prozent. Das muss sich ändern, wenn wir die digitale und nachhaltige Transformation erfolgreich meistern wollen. Und dafür brauchen wir zu allererst eine Banken- und Kapitalmarktunion, ohne die es auch keine echte Bankenkonsolidierung geben wird.

Die Deutsche Bank plant also grenzüberschreitende Fusionen und Übernahmen?

Wenn es soweit ist, wollen wir als Deutsche Bank in der Tat bei der europäischen Konsolidierung aus einer Position der Stärke heraus agieren. Deshalb konzentrieren wir uns im Augenblick darauf, unsere Hausaufgaben zu machen und unsere Transformation erfolgreich abzuschließen.

Christian Sewing Vorsitzender des Vorstands, Deutsche Bank AG, Frankfurt am Main
 

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