Perspektiven auf transparente Lobbyarbeit

Dr. Jens Zimmermann, Foto: Marlene Bleicher

"Das Lobbyregister wird zu mehr Transparenz führen"

Dr. Jens Zimmermann Mitglied des Bundestags (SPD), Berlin

Was verbinden Sie mit dem Wort Lobbyarbeit?

Die Vertretung von Interessen. Das sehe ich auch nicht grundsätzlich kritisch, denn Lobbyarbeit liefert der Politik auch Informationen zu und stellt unterschiedliche Interessenlagen dar.

Ich halte es für wichtig immer zu hinterfragen: Mit wem spreche ich und welche Interessen vertritt diese Person? Dann kann es sehr sinnvoll sein, sich mit unterschiedlichen Perspektiven und Interessen zu befassen.

Was erwarten Sie von guter Lobbyarbeit?

Klare Kommunikation und ein Verständnis für politische Abläufe. Jeder politische Vertreter erhält ständig Anfragen für Lobbygespräche. Bei Gesetzgebungsprozessen filtere ich eine große Anzahl an Informationen und Interessenlagen. Umso klarer und kompakter diese formuliert sind, umso besser kann ich damit arbeiten, vergleichen und meine Schlüsse ziehen.

Braucht es mehr Transparenz in der Lobbyarbeit?

Eindeutig ja. Dafür sorgen wir mit dem Lobbyregister. Ich finde es gut, wenn sichtbarer wird, welche Interessenverbände wo Gespräche geführt und Einfluss genommen haben. Politik sollte transparent sein. Dazu gehört eben auch die Lobbyarbeit.

Wie wird das neue Lobbyregister die künftige Arbeit mit Lobbyisten und der Politik verändern?

Das Lobbyregister wird zu mehr Transparenz führen und es wird zu einem größeren Bewusstsein über Lobbyarbeit führen - aufseiten der Politik aber auch der Interessenvertreter. Als Politiker sollte man sich stets damit beschäftigen, wen man trifft und welches Interesse diese Person hat. Aber auch für die Interessenvertreter ist es wichtig, sich damit auseinanderzusetzen, welche Politiker treffe ich und welchen Anschein erweckt dies vielleicht. Ich bin mir deshalb sicher: Das Lobbyregister wird zu mehr Transparenz führen.

"Unsere Identität als Interessenvertreter muss jederzeit ersichtlich sein"

Dr. Stefan Mai Leiter Vorstandsstab und Head of Public Affairs, Union Investment, Frankfurt am Main

Warum ist für Sie als Finanzunternehmen Public-Affairs-Arbeit wichtig?

Mehr als andere Wirtschaftszweige sind wir als Finanzunternehmen von der Regulierung, die Parlamente und Regierungen erarbeiten, betroffen. Staat und Aufsichtsbehörden definieren den Rahmen, in dem wir tätig sind. Häufig sogar sehr kleinteilig, denken Sie etwa an die Vorgaben zu Produktinformationsblättern. Um Regulierung möglichst praxisnah auszugestalten, ist Public-Affairs-Arbeit deshalb unverzichtbar. Denn die Politik und der Gesetzgeber wissen häufig nicht im Detail, welche möglichen Konsequenzen eine Gesetzgebung in der Praxis hat oder zukünftig haben wird.

Politiker und Fachbeamte wollen meist auch selbst nicht einfach "am grünen Tisch" entscheiden. Genau an dieser Stelle kommt Public-Affairs-Arbeit zum Einsatz. Wir tauschen uns mit der Politik und dem Regulierer aus und geben bereits im vor legeslativen Raum Feedback an die Politik über mögliche Auswirkungen von neuen Gesetzen. Nur so können wir die Interessen unserer Anleger wahren.

Welche Rolle spielt Transparenz für Ihre Arbeit als Head of Public Affairs?

Ohne Transparenz ist alles nichts. Oder wie wir bei Union Investment sagen: Das Hinterzimmer war gestern. Für uns ist eine transparente Lobbyarbeit beziehungsweise Public-Affairs-Arbeit das A und O. Dazu zählt für uns insbesondere, dass unsere Identität als Interessenvertreter jederzeit ersichtlich sein muss. Das Gegenüber muss stets wissen, in wessen Auftrag und für welche Interessen ein Gesprächspartner agiert. Wir reden offen über Themen, vertreten Positionen, machen Vorschläge oder versuchen Denkanstöße für den politischen und regulatorischen Prozess zu geben. Wenn wir Zahlen nennen, nennen wir immer die Quelle und machen nachvollziehbar, wo wir stehen. Wir sind überzeugt: Politik und Lobbyarbeit muss transparent sein. Dann findet sie auch Akzeptanz. Denn letztendlich agieren wir im Interesse unserer Kunden und Anleger.

Ein gutes Beispiel ist hierfür auch unsere 2016 gestartete digitale Public-Affairs-Plattform "FinanzAgenda" (www.finanzagenda.de), eine Internetseite, auf der wir Informationen für Politiker bereitstellen und unsere Aktivitäten offenlegen. Aktuell, transparent und umfassend informieren wir hier über Themen, wie zum Beispiel Altersvorsorge und Nachhaltigkeit, zu denen wir als einer der größten Asset Manager in Deutschland politisch und gesellschaftlich beitragen.

Was halten Sie von der geplanten Einführung eines Lobbyregisters in Deutschland?

Wie begrüßen es unbedingt, denn wir haben seit vielen Jahren darauf gewartet und auf EU-Ebene sind wir sowieso seit langem im Transparenzregister registriert. Wissen Sie: Lobbying, da denken viele immer noch an geheime Gespräche hinter verschlossenen Türen - aber so funktioniert das nicht. Nochmals: Hinterzimmer war gestern.

Wir können doch nicht von unseren Portfolio-Unternehmen große Anstrengungen bei Transparenz, Nachhaltigkeit und Compliance verlangen und uns dann selbst wegducken. Das ist nicht unser Stil. Wir liefern auch selbst. Union Investment ist übrigens leider immer noch einer der wenigen Asset Manager aus Deutschland, der seine Daten im Transparenzregister der EU offenlegt. Gleiches gilt auch für das Lobbyregister in Berlin. Sobald dieses zur Verfügung steht, werden wir hier zu finden sein.

Sind Digital Public Affairs eine gute Alternative und können sie das persönliche Gespräch ersetzen?

Digital Public Affairs sind heute unerlässlich und Teil unserer täglichen Arbeit, aber sie können definitiv kein persönliches Gespräch ersetzen. Das ist wie bei einem Beratungsgespräch in einer Primärbank bei einer komplexen Finanzierung oder Anlage. Für den Aufbau von Vertrauen ist der persönliche Austausch zwischen Menschen unbedingte Voraussetzung. Die persönliche Begegnung bleibt auch in Zukunft unverändert wichtig. Denn persönliche Begegnung schafft Nähe, steht für die Verbindlichkeit des gesprochenen Wortes, transportiert Emotionen und ermöglicht direktes und ungefiltertes Feedback. Physische Anwesenheit bei einem Termin oder die Teilnahme an einer politischen Veranstaltung ist auch ein Zeichen des Respekts, der Anerkennung und des Interesses - dies kann meiner Meinung nach nicht durch eine digitale Alternative ersetzt werden.

Letztlich benötigt eine erfolgreiche Public-Affairs-Arbeit eine Mischung aus beidem: dem digitalen und persönlichen/ physischen Austausch - also einen hybriden Ansatz.

Dr. Jens Zimmermann , Mitglied des Bundestags (SPD), Berlin
Dr. Stefan Mai , Leiter Vorstandsstab und Head of Public Affairs , Union Investment

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