Redaktionsgespräch mit Daniel Schmand

"Wie sieht für die 'Industrie 4.0' das 'Trade Finance 4.0' aus?"

Daniel Schmand, Foto: Deutsche Bank

Covid-19 hat eindrucksvoll bewiesen, wie fragil Lieferketten in einer globalisierten Welt sein können. Der internationale Handel und daran angeschlossen die Handelsfinanzierung steht nun vor der Frage, wie in einem weiteren Ernstfall Wertschöpfungsketten nicht gefährdet würden. Dabei spielt auch eine Rolle, wie Handelsfinanzierung in Zukunft abgewickelt wird. Daniel Schmand spricht im Gespräch mit der Redaktion darüber, wie "Trade Finance 4.0" aussehen könnte. Dabei bliebe vieles beim Alten, denn einerseits gäbe es bewährte Produkte, die krisensicher sind und sich bewährt haben. Andererseits drängen Banken und Unternehmen auf die Erforschung neuer digitaler Lösungen. Hierbei wird es jedoch vor allem bei grenzübergreifenden Geschäften schwierig, einheitliche Standards zu finden. Zumal bei manchen Produkten nicht einmal sicher sei, ob eine Digitalisierung überhaupt sinnvoll ist. (Red.)

Herr Schmand, welche Bedeutung hat im allgemeinen Umfeld die internationale Handelsfinanzierung noch für Banken und Unternehmen?

Die internationale Handelsfinanzierung hat eine große Bedeutung und wird sicherlich aufgrund der Corona-Pandemie deutlich an Bedeutung zunehmen.

Stimmen, die aufgrund der Pandemie eine Deglobalisierung heraufbeschwören, würden Sie eine Absage erteilen?

Nein, es dürfte zu einer Deglobalisierung kommen. Lieferketten und die strategische Warenhaltung werden sich verändern und die Banken werden das begleiten. Ich erwarte mehr "Near-Shoring", weniger "Off-Shoring". Das heißt aber nicht, dass jetzt alles, was früher weltweit bezogen wurde, direkt nach Deutschland zurückkommt. Ich glaube beispielsweise nicht, dass Deutschland zu einem Ölförderland wird.

Glauben Sie nicht, dass trotzdem insgesamt Handelsfinanzierungen im Volumen zurückgehen werden? Klar werden sicher nicht alle Lieferketten nach Deutschland zurückverlagert, aber Teile wahrscheinlich schon und nicht nur in Deutschland. Dabei müsste das Volumen insgesamt eigentlich sinken, oder?

Das glaube ich nicht. Zum einen verändern sich zwar die Handelsströme, aber fallen per se nicht weg. Aber wenn weniger gekauft wird, dann wird sicherlich auch weniger produziert.

Zum anderen ist Deutschland eine Exportnation und sogar Export-Weltmeister. Wenn wir weiter in Hochtechnologie und neue Technologie investieren und die Innovationskraft der deutschen Industrie weiterhin so hoch bleibt, werden diese Güter auch zukünftig weltweit gefragt sein.

Wie beeinflussen Faktoren wie zunehmende Regulierung oder Handelskonflikte diese Nachfragen?

Dass sie sich auswirken, steht außer Frage. Deswegen sichern sich Unternehmen zunächst einmal gegen die damit verbundenen Risiken stärker ab. Und das ist das klassische Feld der Handelsfinanzierung. Aufgrund der höheren Sensitivität, Unsicherheit und Volatilität steigt also der Bedarf nach Absicherung, insbesondere "Handelsströme werden sich verändern, aber nicht per se wegfallen." bei einigen Lieferbeziehungen, die auf "Open Account" liefen oder wo es bislang keine Absicherung gab.

Wie sieht eine solche Absicherung aus?

Immer wenn eine Krise kommt, kommen die ganz klassischen Produkte aus der Schublade. Es wird weiterhin Garantien geben und es wird weiterhin Akkreditive geben. Diese Instrumente sind getestet, robust und eignen sich hervorragend zur Absicherung von Risiken.

Wie wird sich das Geschäft mit diesen klassischen Absicherungsprodukten sortieren?

Ich sehe zwei Trends: Erstens werden jene Produkte an Bedeutung zunehmen, mit denen wir ganz klassisch den Unternehmen Liquidität bereitstellen, also beispielsweise das Factoring und die Finanzierung von Forderungen und Verbindlichkeiten. Denn auch das ist eine Lehre aus der Krise: Jederzeit ausreichende Liquidität zu haben ist überlebenswichtig. Nicht das profitabelste Unternehmen kann in einer Krise am besten reagieren, sondern das mit den größten Liquiditätsreserven. Wir haben auch schon während der Finanzkrise gesehen, dass Liquidität ganz entscheidend ist. Daher glaube ich, dass diese Treasury-Themen wichtiger werden.

Der zweite Trend ist das veränderte Verhalten in der Warenhaltung und Warenwirtschaft aufgrund von Faktoren wie Handelskonflikte - vor allem im Hinblick auf kritische Bestandteile des Produktionsprozesses, bei denen eine Unterbrechung der Handelskette auch zu einem Produktionsstopp führen kann. Auch da sind angepasste Finanzierungslösungen gefragt.

Wird das alles digital abgewickelt werden?

In diesen Lösungen sehe ich ein absolutes Voranschreiten der Digitalisierung. Wenn es jetzt zu klassischen, großen Finanzierungen kommt, zum Beispiel ein Kraftwerk nach Ägypten oder andere Exporte nach Afrika, auch auf klassischer Garantie- und Akkreditiv-Basis, da glaube ich nicht, dass alles digital ablaufen wird, auch wenn es technisch möglich wäre. Sonst liefe das ja schon alles digital. Die Blockchain gibt es jetzt schon wie lange? Es ist trotzdem noch nicht alles auf der Blockchain. Warum? Aus meiner Sicht ganz klar: Blockchains und Digitalisierungen funktionieren in einem geschlossenen Ökosystem sehr gut. Wenn wir aber ein globales Ökosystem anstreben, wird es trotz technischer Umsetzbarkeit schwieriger, da es keinen einheitlichen Standard gibt.

Konkret könnte es beispielsweise Komplikationen bei der Dispute Resolution in der Blockchain geben, also wenn Streitfälle gelöst werden müssen. Vor deutschen Gerichten braucht man Dokumente, um etwas nachweisen zu können. Wir müssen uns bei grenzüberschreitenden Finanzierungen über ein Regelwerk und ein Rechtssystem auf globaler Ebene Gedanken machen. Hier alle beteiligten internationalen Parteien an einen Tisch zu bringen und sich auf einen Entwurf zu einigen, ist ein langfristiger Prozess.

Wie lange wird es dauern, bis man hier mit einer Stimme spricht?

Mit einer Stimme zu sprechen, halte ich aktuell für unwahrscheinlich. Hier sehe ich Institutionen wie die internationale Handelskammer (ICC) in Paris, die Vereinten Nationen sowie die Welthandelsorganisation in der Pflicht, Normen zu setzen, an die sich Handelspartner halten. Gleichzeitig bin ich aber auch Realist. Ereignisse der jüngsten Zeit zeigen, dass internationale Standards, die in einem Moment mitgetragen wurden, im nächsten von derselben Partei für nichtig erklärt werden. Daher halte ich es für schwierig eine Aussage zu treffen, wie lange es dauern wird.

Blockieren hier nur Länder und Regierungen die Weiterentwicklung oder verschließen sich auch Unternehmen und Banken ihr gegenüber?

Unternehmen und Banken ganz klar nicht. Beide sind von Kosten und Effizienz getrieben. Und eine erfolgreiche Digitalisierung, ohne Medienbruch, hat einfach eine große Auswirkung auf die Effizienz und die Produktivitätssteigerung. Digitalisierung senkt Kosten und spart Zeit. Aber sie führt auch - das hat uns die Corona-Krise gezeigt - zu komplett unterschiedlichen Arbeits- und Interaktionsweisen. Das wäre ohne Technologie nicht möglich gewesen. Corona bringt die Digitalisierung nicht nur in der Wirtschaft weiter voran. Wenn alle Schulen bereits digitalisiert gewesen wären und Schüler auch zu Hause mit einem digitalen Standard ausgestattet wären, wären alle Beteiligten besser mit der Situation geschlossener Schulen zurechtgekommen.

Bringt diese Beschleunigung auch Nachteile mit sich? Wie sieht es beispielsweise mit dem persönlichen Kontakt zu Kunden aus?

Der fehlt mir auch ein bisschen, das gestehe ich. Der kommt aber gewiss auch wieder zurück. Allerdings haben wir gelernt: Auch das funktioniert mit Videokonferenzen. Vor Kurzem hatte ich ein solches digitales Meeting mit Kunden. Man gewöhnt sich daran. Das musste man und hat festgestellt, das tut nicht weh und ist eine brauchbare Alternative.

Sind ESG-Standards bei der Handelsfinanzierung ein bedeutender werdendes Thema?

Absolut. Das Thema hat bei der Deutschen Bank einen der höchsten Stellenwerte und wird von Christian Sewing, unserem Vorstandschef, selbst geführt. Für unseren Bereich bin ich der ESG- Beauftragte - das Thema liegt direkt bei mir.

Heißt das, dass Sie gewisse Finanzierungen nicht oder andere stärker tätigen?

Wir haben ein Commitment, wie wir ESG-konform finanzieren wollen. Bis Ende 2025 soll unser Volumen an ESG-Finanzierungen sowie der Bestand an verwaltetem Vermögen in nachhaltigen Anlagen auf insgesamt mehr als 200 Milliarden Euro steigen. Es gibt noch keine landes- oder EU-weite einheitliche Taxonomie, sondern jedes Unternehmen hat sich selbst eine gegeben. Dabei ist wichtig, dass "E" ungleich "G" ungleich "S" ist. Unter diesem Dach schauen wir uns jeden Buchstaben einzeln an. Das heißt, ein Krankenhaus muss nicht immer komplett grün und solartechnisch ausgestattet sein, hat aber sicherlich einen sozialen Aspekt.

Bei dem ESG-Begriff, der sehr gerne benutzt wird, ist es erst einmal wichtig, sich klarzumachen, was er bedeutet - Thema Taxonomie. Dann kann man auch für die Teilbereiche Ziele und Vorgaben geben. Zurzeit macht es jedes Unternehmen anders.

Gibt es bei der Deutschen Bank so eine Art Blacklist von Aktivitäten, die Sie gar nicht finanzieren?

Ja, haben wir. Bestimmte Güter oder Bereiche sind für uns tabu. Das legen interne Richtlinien fest. Es gibt eine klare Blacklist und es gibt eine graue Liste. Das nennt sich bei uns "Reputationsrisiken" und für jeden Industriezweig gibt es Vorgaben, was wir machen und was nicht. Das hat aber nicht zwangsläufig nur etwas mit ESG-Themen zu tun.

Macht die digitale Handelsfinanzierung für jede Unternehmensform, Großkonzerne wie KMU, auch in verschiedenen Branchen, Sinn?

Digitalisierung ist ja ein Schlagwort, unter dem sich jeder vorstellen kann, was er will. Sie bedeutet auch für unter schiedliche Unternehmen und Branchen komplett unterschiedliche Dinge. Das Thema ist kein Selbstzweck. Die Frage ist, was ist der wirtschaftliche Nutzen? Welches Problem versuche ich digital zu lösen?

Was die Deutsche Bank sehr umtreibt, ist das Thema "Asset-as-a-Service". Wie sieht für die "Industrie 4.0" das "Finance 4.0" aus? Wenn beispielsweise Produktionsanlagen nicht gekauft werden, sondern für ihre Nutzung bezahlt wird, kommen Modelle wie "Pay-as-you-go" oder "Pay-per-use" zum Tragen. Das dient der Liquidität des Nutzers. Und auch in unserer Branche wird das Internet of Things (IoT) eine ganz große Rolle spielen.

Das IoT würde also an einer Stelle eintreten, wo Produktionsstätten miteinander kommunizieren, ohne dass Menschen zwischengeschaltet sind?

Wo die Produktions- und die Kommunikationsdaten auf einer Plattform sind, ja. Dann ist die Frage, welche dieser Datenpunkte benutzt werden und zum Beispiel für uns als Bank relevant sind, um Finanzierungsmöglichkeiten und -formen darzustellen.

Beispiel Bohrmaschine: Man zahlt pro gebohrtes Loch und nicht mehr für die Bohrmaschine. Der Handwerker verursacht einen Geldfluss, sobald er ein Loch bohrt und somit arbeitet. So bezahlt man nicht das Asset selbst, also die Bohrmaschine, sondern ihren Service, das Löcherbohren. Solche Modelle sind nur auf einer Datenplattform abwickelbar.

Sind für die Verarbeitung einer solchen Entwicklung eher größere IT-Dienstleister oder kleinere Fintechs geeignet?

Man muss danach unterscheiden, wofür man die Dienstleistung braucht. Wenn man ein Boot kauft, wird auch zwischen einem Schnellboot und einem Supertanker unterschieden. Beide schwimmen, aber die Frage ist, für welchen Zweck man es braucht.

Es gibt hier mehrere Fragen: Welche Datenmenge muss gelagert werden? Welche Sicherheitsvorschriften gibt es? Wie sehen die Serverfarmen aus - auch eine Cloud basiert letztlich auf physischen Servern - und wie erdbebensicher sind sie? Fintechs und größere IT-Dienstleister haben hierauf verschiedene Antworten. Beide haben ihre Berechtigung und werden weiterhin gebraucht, aber eben für verschiedene Anforderungen.

Welche Rolle spielt die ICC bei der Setzung von Standards in der Handelsfinanzierung?

Letztendlich ist die ICC eine normengebende Organisation. Die von ihr gesetzten Regeln werden angenommen und haben sich bewährt. Neben anderen Themen beschäftigt sie sich auch mit der Digitalisierung. Sie will auch dafür Standards setzen und dafür die richtigen Bedingungen schaffen.

Die meisten Cross-Broder-Lieferverträge basieren heute auf Incoterms und gerade bemüht sich die ICC, Incoterms für die Blockchain - also für die Datenplattformen - zu finden. Hier stehen verschiedene Themen zur Debatte: Wie funktioniert bei einer Handelsfinanzierung der Gefahren- und Rechteübergang? Wer hat welche Rechte und Pflichten? Wie wird im Streitfall geschlichtet? Geht das über ein nationales oder ein internationales Schiedsgericht? Das sind Fragen, bei denen die ICC eine entscheidende Rolle spielt. Sie stellt supranational geltende Plattformen und neutrale Regelwerke zur Verfügung.

Wie sicher sind derzeit digitale Transaktionen?

Ich kann nur für die Deutsche Bank sprechen. Cyberfraud und -crime sind sicherlich ein Thema, wie Fraud und Crime schon immer ein Thema waren. Digitale Transaktionen sind dafür nicht mehr oder weniger anfällig. Einen Datensatz zu fälschen ist kompliziert und das kann nicht jeder - aber ein physisches Dokument zu fälschen, das können schon deutlich mehr Menschen. Beide Formen brauchen ihre eigenen Sicherheitsmechanismen. Ich denke, bei den digitalen Daten ist die Dokumentation jedoch transparenter und besser nachvollziehbar.

Wie technisch ist ein Vertragsabschluss heute? Gibt es physische Elemente oder ist alles digital?

Ein Vertrag ist heute meistens ein Word-Dokument. Das ist digital. Wir haben aber Medienbrüche - zum Beispiel, wenn jemand einen Vertrag ausdruckt und verschickt. Am anderen Ende kann der Empfänger das Dokument dann mit einem Lesegerät oder einer Spracherkennungssoftware digitalisieren und in seinem eigenen Prozess verarbeiten.

Digitalisierung funktioniert relativ einfach im geschlossenen Ökosystem, also in einem abgesteckten Geltungsbereich. Immer dann, wenn etwas das eigene System verlässt, ist die Frage, wie Daten mit welchem Sicherheitsstandard und unter welchen vorher abgestimmten Regeln übermittelt werden. Für das eigene Unternehmen ist so etwas einfach festgelegt. Sobald es nach außen geht, müssen Partner sich über solche Angelegenheiten einig sein.

Kann man bei einem digitalen Vertragsabschluss noch von einem Originaldokument sprechen? Wird ein solches noch gefordert?

Das ist die Thematik, die ich vorher versucht habe anzusprechen: Was ist das Originaldokument, das vor Gericht beschlussfähig ist? Welcher digitale Datensatz war der erste? Auch da gibt es Technologien, die zeigen, wann der Datensatz verändert und welche Veränderungen vorgenommen wurden. Wir reden dann von den Datenprotokollen, der Datenhistorie. Technisch ist es darstellbar, aber es gibt keinen einheitlichen rechtlichen Standard.

Welche Vorteile könnte bei der Verifizierung und Protokollierung solcher Vorgänge die Distributed-Ledger-Technologie (DLT), die Blockchain haben?

Der Vorteil ist, dass es voll elektronisch ist und man nichts mehr anfassen muss. Warum ist aber noch nicht jeder auf der Blockchain? Hier kommen wir wieder zu den einheitlichen Regeln und Standards für Blockchain-Handelsgeschäfte. Diese gibt es nicht. Daher wird es noch eine ganz lange Reise, bis sich diese Technologie durchsetzen wird.

Warum verzögert sich das Fortschreiten auf diesem Weg?

Nehmen wir als Beispiel ein grenzüberschreitendes Handelsgeschäft: Welches Recht liegt dem zugrunde? Das des Verkäufers oder des Käufers? Im Streitfall gehen beide Parteien vor Gericht, die eine in Frankfurt, die andere in Wladiwostok. Die in Frankfurt bekommt Recht. Aber wie sieht es nun mit der Durchsetzung des Titels in Wladiwostok aus? Das ist nicht klar geregelt. Bevor es hier keine einheitlichen Regeln gibt, bewegt sich nichts vorwärts. So eben auch mit der Blockchain.

Welche anderen Fortschritte halten Sie momentan für wichtiger?

Was mich mehr beschäftigt sind Standards und Plattformen. Ich bin ein großer Verfechter von API-Schnittstellen und Open Source. Apple macht es uns vor: Alle paar Sekunden taucht im App-Store eine neue App auf, ohne dass Apple sie entwickelt hat. Jeder kann eine App auf iOS bringen, solange er sich an das Datenprotokoll hält. Hier hat Apple mit seinem Standard eine gewisse Marktmacht, sodass sich viele daran orientieren.

In unserem Bereich wird es nicht einen einzigen Standard geben, es gibt bereits verschiedene. Interessant wird, wie die verschiedenen Systeme miteinander kommunizieren werden - die sogenannte Interoperabilität von Plattformen und Systemen. Das wird relevanter sein, als einen Standard für alles zu entwickeln.

Gibt es zumindest innerhalb Europas Systeme, die problemlos miteinander kommunizieren können?

Ja, SWIFT. Alle Akkreditive kommen bei uns als SWIFT Message Type 700 an. Dort, wo europäische Regeln und Standards existieren und problemlos funktionieren, wird es auch europäische Lösungen geben.

Plattformen wie We.Trade oder Marco Polo stehen im Wettbewerb zueinander. Ist Wettbewerb bei solchen Technologien dem Fortschritt abträglich? Inwieweit wurde hier bereits auf Interoperabilität geachtet?

Ich bin ein großer Fan von Wettbewerb. Es ist in Ordnung, dass die beiden Plattformen völlig unabhängig voneinander laufen. Ob die Interoperabilität gegeben ist, hängt vom Design der jeweiligen Plattform ab. Wenn ihre Schnittstellen klar sind, kann ein Fintech dort anknüpfen und einen Datentransfer und -austausch ermöglichen. Wenn die Plattform keine solchen Schnittstellen hat, ist es kein offenes, sondern ein geschlossenes System. Dann muss es eine marktbeherrschende Stellung erreichen, sonst wird es schwierig, genügend Flow oder Traffic auf eine Plattform zu bekommen. Entweder wird sich also ein Marktführer herauskristallisieren oder die beiden Plattformen schaffen ein Nebeneinander mit entsprechenden Schnittstellen und Standards.

Wenn wir von digitalen Plattformen sprechen, können wir auch über digitale Währungen sprechen, mit denen Finanzierungen abgeschlossen würden. Beispielsweise ist ein Ziel der Libra Association, durch ihre Kryptowährung Menschen Zugang zu Zahlungsmöglichkeiten zu erleichtern, die vorher "under" oder "unbanked" waren. Welches Potenzial sehen Sie in solchen Kryptowährungen für Unternehmen, die bisher keinen Zugriff auf internationale Finanzierungsmöglichkeiten hatten?

Hier müssen wir uns fragen, warum Institute die Unternehmen nicht bedienen. Wenn ein Kunde nicht "bankable" ist, weil zum Beispiel Eigentümerstrukturen nicht klar sind oder das Rating zu schlecht ist, was hilft dann eine Kryptowährung? Im Zweifel könnte sie für eine weitere Verschleierung genutzt werden.

Wenn man das auf kleine Kunden in Ländern, die schlecht bewertet sind, bezieht, würde ich zunächst fragen, warum die Technologie nicht bereits eingesetzt wird, um ihnen zu helfen. Ich glaube nicht, dass die Technologie das Heilmittel für das grundlegende Problem ist.

Gibt es weitere Bedenken bezüglich solcher Währungen?

Libra ist Geld auf einem Token. Wenn diese "Tokenisierung" nicht reguliert ist, kann es zu Problemen kommen. Ein Beispiel: Wie macht man aus Kryptowährungen wieder Euro? Zum Großteil funktioniert dies über nicht regulierte Handelsplattformen. Das kommt einem Geldwechsler gleich, der früher am Straßenrand an einer Landesgrenze stand. Ein Umtausch von Geld kann hier funktionieren, muss aber nicht. Man wurde hier immer angehalten, nachzusehen, ob bei dem gewechselten Geld nicht auch falsche Scheine mit dabei waren. Und das ist auch das Thema hier: Digitales Geld wird sich weiter durchsetzen, sollte aber ganz klar geregelt werden. Denn Geld basiert auf Vertrauen.

Wenn die Zentralbanken sich auf eine neue Form des elektronischen Euros oder Geldes einigen, dann wird es klare Regeln dafür geben. Daraufhin eben auch wieder technische Lösungen. Dabei ist die technische Umsetzung wieder zweitrangig. Eher ist wichtig, wo das Geld hinterlegt wird. Ich sage immer, wenn man bei der Hausbank neben einem US-Dollar- und einem Euro-Konto noch ein Libra-Konto hat, dann ist es eine gängige Währung, mit der man auch etwas anfangen kann. Vorher ist es schwierig, das breit durchzusetzen. Wenn das Kryptogeld so klasse wäre, hätte ja jeder schon einen Token in der Hosentasche.

Sie wären also eher aufseiten einer digitalen Zentralbankwährung?

Dafür bin ich hundertprozentig. Die Menschen müssen Vertrauen in das Geld und dessen Wert haben, deswegen sehe ich einen starken Schutz- und Regulierungsbedarf.

Glauben Sie, ein digitaler Euro würde der Handelsfinanzierung über DLT zum Durchbruch verhelfen?

Nein. Solange das, was wir vorher besprochen haben, nicht geregelt ist, ist der digitale Euro ein nettes Feature, aber das Grundproblem, die nichteinheitlichen Standards für DLT, wird damit nicht gelöst.

Das DLT-basierte Trade Financing soll die Transaktionskosten der Handelspartner senken. Wie sieht es mit den Banken aus? Wird das auch höhere Margen in diesem Segment mit sich bringen?

Nein, das glaube ich nicht, denn der Markt regelt sich selbst. Banken sowie ihre Partner sind permanent angereizt, ihre Kostenstrukturen anzupassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Ich würde es umdrehen und sagen: Diejenigen, die nicht in der Lage sind, die notwendigen Investitionen in die Digitalisierung der eigenen Systeme zu leisten oder an digitalen Handelsfinanzierungsinstrumenten teilzunehmen, haben einen Wettbewerbsnachteil. Ich würde aber nicht notwendigerweise sagen, dass die, die teilnehmen, einen Wettbewerbsvorteil haben. Das ist, wie wenn man heute ein Auto ohne Klimaanlage würde verkaufen wollen. Man kann da nicht sagen, "Ich habe jetzt aber auch eine Klimaanlage." Das muss man einfach haben, um mitspielen zu können.

Daniel Schmand Vorsitzender der ICC-Bankenkommission, Global Head of Trade Finance & Lending Corporate Bank, Deutsche Bank, Frankfurt am Main
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