Redaktionsgespräch mit Matthias Everding

"Auch wir als Sparkasse müssen uns anpassen"

Dr. Matthias Everding, Foto: Sparkasse Nürnberg

Am 2. November 1821 öffnete die von Johannes Scharrer gegründete Sparkasse in Nürnberg zum ersten Mal ihre Geschäftsräume. Bedienstete und ärmere Mitmenschen sollten beruhigter in die Zukunft blicken können. Sie sparten für Krankheit, Alter oder Notfälle - sicher und verzinst. Gewerbetreibende und Gutsbesitzende konnten sich wenig später zu sicheren Konditionen Geld leihen. Die Stärkung von Handwerk, Handel und Produktionsstätten brachte Wohlstand und eröffnete Perspektiven für Nürnberg und die Menschen. In zweihundert Jahren hat sich die Sparkasse daher zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor in ihrer Region entwickelt. Und das Geschäftsmodell "Einlagen aus der Region, Kredite für die Region" kann sich laut dem Autor auch heute noch bewähren. Doch natürlich müsse sich das Institut immerzu an neue Bedingungen, wie das veränderte Kundenverhalten, anpassen, um auch weiterhin langfristig bestehen zu können. (Red.)

Die Sparkasse Nürnberg ist mit ihren nun 200 Jahren fast so alt wie die Idee der Sparkassen selbst. Wie oft musste sich Ihr Haus in dieser Zeit neu erfinden, um immer noch erfolgreich am Markt zu sein? Oder ist die Sparkassen-Idee so stark, auch Jahrhunderte zu überdauern?

Die Sparkassen-Idee, also "Einlagen aus der Region, Kredite für die Region", ist nach wie vor sehr stark und setzt sich auch heute noch durch. Im Wesentlichen geht es dabei auf der einen Seite um Menschen, die zum Beispiel für das Alter, größere Anschaffungen oder schwierige Zeiten vorsorgen möchten. Auf der anderen Seite gibt es Unternehmen, die aus unterschiedlichen Gründen Geld beziehungsweise einen Kredit gebrauchen können. Genau an dieser Stelle tritt die Sparkasse als Mittler auf - und das funktioniert schon seit nun 200 Jahren. Das heißt aber nicht, dass wir uns als Sparkasse nicht anpassen müssten, da sich die Welt und auch das Kundenverhalten kontinuierlich verändern. Insofern ist es durchaus ein evolutionärer Prozess, den die Sparkasse Nürnberg immer wieder durchläuft.

"Wir finanzieren Zukunft" heißt es in Ihrem Jubiläumsspot. Was genau heißt das für Ihre Region?

Es geht vor allem darum, für die Menschen in unserer Region Perspektiven zu schaffen und eine gute Lebensqualität zu ermöglichen. Das drückt sich in den unterschiedlichsten Formen aus. Dabei kann es sich um eine Familie handeln, die sich ein Eigenheim wünscht, ein Unternehmen, das sich in der Gründung oder im Ausbau befindet sowie Schulen oder Krankenhäuser, die neue Geräte benötigen. Hier bieten wir die notwendige Unterstützung für die jeweilige Zukunftsperspektive an.

Und was muss wiederum eine Sparkasse heutzutage können, um zukunfts- beziehungsweise wettbewerbsfähig zu sein?

Das Wichtigste ist der enge Kontakt zum Kunden, das ist das A und O. Das bedeutet, dass man ständig in Kontakt bleibt und idealerweise eine Beziehung zueinander aufbaut. Dafür müssen wir mehr über unsere Kunden und über unsere Region wissen sowie schneller Entscheidungen treffen als in Großkonzernen. Das bekommen wir meistens auch sehr gut hin. Klar ist aber auch, dass ebenso wettbewerbsfähige Produkte und Preise entscheidende Faktoren darstellen.

Wen empfinden Sie als schärfsten Konkurrenten: Die Volksbanken, andere Banken wie Commerzbank oder Postbank oder doch die neuen Angreifer wie Fintechs und Bigtechs?

Diese Frage lässt sich eigentlich nicht pauschal beantworten, weil es mit Blick auf die unterschiedlichen Kundengruppen auch unterschiedliche Wettbewerber gibt. Dazu gehören natürlich die Großbanken im Firmenkundengeschäft, aber auch die Genossenschafts- und die Direktbanken im Privatkundengeschäft. Über Fintechs mache ich mir weniger Sorgen, da mit diesen eher gemeinsam an Verbesserungen gearbeitet wird, anstatt zu konkurrieren.

Werfen wir doch einmal einen Blick auf Ihre Zahlen: Im Geschäftsjahr 2020 schrumpften sowohl Ihr Zins- als auch der Provisionsüberschuss. Wie haben Sie hier gegengesteuert und wie stellt sich das im laufenden Jahr dar?

Dass der Zinsüberschuss schon seit Jahren zurückgeht, liegt bekanntermaßen nicht an uns, sondern an der Zinspolitik der EZB. Das ist ein Thema, das sich auch in den nächsten Jahren fortsetzen wird. Der Rückgang beim Provisionsüberschuss im vergangenen Jahr ist allerdings allein Corona geschuldet, weil natürlich der Kontakt zum Kunden durch die Pandemie erschwert war. Der Provisionsüberschuss wird in diesem Jahr aber wieder deutlich ansteigen.

Inwieweit könnte eine Plattformökonomie dabei helfen, das Provisionsergebnis zu steigern?

Plattformökonomie ist aktuell ein schönes Schlagwort, das auch immer wieder an verschiedensten Stellen benutzt wird. Wir bewegen uns durchaus auch auf anderen Plattformen und holen dort Geschäft herein, zum Beispiel mit der Interhyp. Die Gestaltung einer eigenen Plattform ist als einzelne Sparkasse aber sehr schwierig, weil man natürlich den dafür notwendigen Traffic braucht. Das fällt zugegebenermaßen den weltweiten Playern einfacher als einem regionalen Kreditinstitut.

Laut diversen Studien müssen die Geschäftsmodelle deutscher Banken aber kundenzentrischer ausgerichtet werden, um im Wettbewerb weiter bestehen zu können. Wie stellt sich die Sparkasse Nürnberg dieser Herausforderung?

Das Wichtigste ist und bleibt der Kontakt zum Kunden und das geschieht heutzutage über viele verschiedene Kanäle. Die Kunden erreichen uns in unseren Filialen und Beratungscentern persönlich vor Ort, aber auch telefonisch über unser Kundenservicecenter. Es gibt zudem die Möglichkeit, über die digitale Beratung betreut zu werden. All das sind wichtige Kontaktpunkte. Dazu gehören aber auch das Onlinebanking und die Sparkassen-App. Denn die App verfügt heute über mehr als 115 000 Nutzer und ist immerzu für die Kunden verfügbar.

Die Sparkasse Nürnberg richtet ihr Privatkundengeschäft neu aus. 18 Standorte sollen wegfallen sowie 150 Mitarbeiterstellen abgebaut werden. Inwieweit sollen die anderen Standorte hierfür aufgewertet werden und welcher Mehrwert ergibt sich hierbei für die Kunden?

Die Filiale wird nach wie vor eine große Bedeutung in unserer Sparkasse haben. Wir werden mehr Wertpapier-, Versicherungs- und Girokontospezialisten vor Ort einsetzen, um das Thema Beratung zu stärken. Das wird unseren Kunden einen erheblichen Mehrwert bieten. Gleichzeitig verdichten wir unser Filialnetz und leiten unseren Service in die digitalen Kanäle und in die Selbstbedienungskanäle.

Kundennähe ist eine der Stärken der Sparkassen. Inwieweit wird man diesem eigenen Anspruch in Zeiten von Corona-Pandemie und zunehmender Digitalisierung dennoch gerecht?

In der digitalen Welt sind wir sehr gut unterwegs. Unser Onlinebanking und auch die Sparkassen-App werden von unseren Kunden sehr geschätzt. Das zeigen sämtliche Bewertungen oder Tests. Und das wiederum sind sehr gute Kontaktpunkte, mit denen wir digital punkten können. Das Angebot, digitale Beratungen über Videokonferenzen durchzuführen, wird zwar im Moment noch nicht so intensiv angenommen, wie wir uns das vorgestellt hatten, aber das ist auch ein Entwicklungsprozess, der sich in den nächsten Jahren fortsetzen wird.

Mit der Digitalisierung hat aber auch das mobile Arbeiten erheblich zugenommen. Dadurch steigt allerdings auch das Gefahrenpotenzial für Hackerangriffe. Welche Erfahrungen haben Sie im vergangen Corona-Jahr gemacht?

Wir arbeiten hier eng mit unserem IT-Dienstleister der Sparkassen, der Finanzinformatik, zusammen. Das hat bisher sehr gut geklappt und es gab überhaupt keinen Anlass, um an den getroffenen Sicherheitsmaßnahmen zu zweifeln. Es gab bei uns bisher keinerlei Sicherheitsprobleme oder Angriffe. Daher ist aus meiner Sicht das mobile Arbeiten sicher.

Und wie machen Sie sich nun im Hinblick auf den zweiten Corona-Winter "winterfest"? Gab es sonstige Lerneffekte?

Natürlich haben wir aus den Erfahrungen im ersten Halbjahr 2020 noch einiges gelernt und im zweiten Halbjahr umgesetzt. Mobiles Arbeiten ist bei uns ein völlig gängiges Instrument. Es ist jetzt auch nicht so, dass in den diesjährigen Sommermonaten alle wieder am Arbeitsplatz gewesen wären. Somit ist der Schritt, den wir jetzt wieder gehen müssen, nichts Besonderes, sondern Normalität.

In einzelnen Bereichen sind auch jetzt in den Sommermonaten bis zu 80 Prozent mobil gearbeitet worden. Wir stellen das aber sehr stark auf die jeweilige Führungskraft und die jeweilige Abteilung ab. Dort wird vereinbart, was sinnvoll für Kunden und Mitarbeiter ist.

Im Zuge der Pandemie gewährte Ihre Sparkasse über 600 Corona-Kredite in Höhe von 100 Millionen Euro. Darüber hinaus wurden 800 Tilgungsaussetzungen bewilligt. In den Medien und Studien wird immer wieder von steigenden Kreditausfällen und Insolvenzen gewarnt. Wie stellt sich das bei Ihnen derzeit dar?

Zurzeit ist die Risikolage in der Sparkasse Nürnberg sehr gut. Wir können nicht beobachten, dass es zu größeren Ausfällen gekommen ist. Man muss sagen, dass die staatlichen Corona-Hilfen dort ihre Wirkung gezeigt haben. Natürlich ist es jetzt in dieser Phase wichtig, dass die stark betroffenen Branchen wie Gastronomie oder Hotel weitere Hilfen bekommen. Da sind nämlich keine Reserven und kein Speck mehr vorhanden. Ich gehe aber auch davon aus, dass die Politik diese Unterstützung wieder leisten wird.

Die weiter anhaltende Unsicherheit befeuert aber auch die allgemeine Einlagenflut. Wie geht Ihre Sparkasse damit um?

Das Thema Einlagen ist für die Kreditinstitute in der heutigen Zeit ein Problem. Wir versuchen, möglichst viele Einlagen im Kreditgeschäft unterzubringen, aber das gelingt nicht immer. Insofern verlangt auch unser Haus Verwahrentgelte von Privat- und Firmenkunden und dadurch wird auch der Einlagenzufluss in einer gewissen Art und Weise gestoppt. Fakt ist aber auch, dass in Zeiten von Inflation - und die haben wir zurzeit sehr stark - mit Einlagen auf Sicht-, Cash- oder Spareinlagenkonten kein Kunde seine Kaufkraft erhalten kann. Insofern raten wir den Kunden zu einer Anlage in Aktien oder Immobilien. Natürlich immer vor dem Hintergrund der jeweiligen Vermögenssituation und der Risikobereitschaft.

Die Pandemie hat auch eine gewisse Euphorie gegenüber Wertpapieren bei deutschen Sparern ausgelöst. Hat diese Entwicklung das Potenzial zu einer neuen Aktienkultur in Deutschland beizutragen? Wie schlägt sich das in den Zahlen Ihres Hauses nieder?

Der Nettoabsatz im Wertpapiergeschäft bei Privatkunden hat sich dieses Jahr um 50 Prozent erhöht. Insofern kann man schon von einem kleinen "Boom" sprechen. Ich glaube auch, dass diese Entwicklung die Chance hat sich zu verstetigen. Das Wichtigste ist dabei, dass wir unseren Kunden immer wieder beibringen, bei Rückschlägen - die kommen werden - nicht auszusteigen, sondern durchzuhalten. Nur mit dieser Aufklärung können wir langfristig in eine gesunde Aktienkultur hineinkommen.

Apropos Aufklärung: Wie schulen Sie Berater in Sachen Nachhaltigkeit, damit dieses Thema in den Beratungsgesprächen adäquat behandelt werden kann?

Nachhaltigkeit ist heutzutage ein ganz wichtiges Thema, nicht nur für die Gesellschaft, sondern auch für uns als Sparkasse Nürnberg. In der Anlageberatung findet Nachhaltigkeit schon ihren Niederschlag. In jedem Anlagegespräch wird der Kunde gefragt, ob er nachhaltige Produkte haben und nachhaltig anlegen möchte. Wenn diese Frage mit einem Ja beantwortet wird, dann wird auch nur noch über zum Beispiel nachhaltige Fondsprodukte gesprochen. Diese Vorgehensweise zeigt bereits Erfolge: Etwa ein Drittel des Absatzes sind schon jetzt nachhaltig. Wir verwenden dort häufig die Produkte der Deka, aber auch von anderen Anbietern. Im Finanzierungsgeschäft ist das zugegebenermaßen noch schwieriger. Wir haben in diesem Jahr alle Vorbereitungen getroffen, um ab dem Jahr 2022 auch dort nachhaltiger unterwegs sein zu können. Das bedeutet Schulungen für viele Firmenkundenberater, um dann auch in jedem Finanzierungsgespräch dieses Thema aktiv ansprechen zu können - mit Augenmaß, aber natürlich auch mit einer klaren Zielrichtung.

Aber ist das nicht auch eine Art von "Greenwashing", wenn dem Kunden nur noch grüne Produkte angeboten werden, sobald er sich positiv zum Thema Nachhaltigkeit geäußert hat?

Wenn ein Kunde auf eine eindeutige Frage seinen Wunsch äußert, dann werden wir diesem Wunsch nachkommen. Wichtig ist, dass das Produkt in sich nachhaltig ist. Dabei wissen wir, dass das heutzutage auch noch nicht zu Ende definiert ist. Vielmehr handelt es sich um einen Entwicklungsprozess, den wir in den nächsten fünf Jahren erleben werden.

Bleiben wir bei der Beratung: Der DSGV hat die Politik davor gewarnt, die Beratung für Finanzprodukte gegen Honorar zum Standard zu machen. Welche Konsequenzen sehen Sie dadurch auf sich zukommen?

Das Thema Honorarberatung ist für einen kleinen Teil der vermögenden Privatkunden ein möglicher Ansatz, aber für Ottonormalverbraucher sehr schwierig. Denn wenn die Beratung Geld kostet, wird der Kunde nicht mehr zur Beratung kommen und damit viele Chancen, die er durch eine vernünftige Beratung zum Beispiel zum Thema Altersvorsorge haben könnte, nicht mehr wahrnehmen können. Ich glaube, dass die Politik damit einen großen Fehler machen würde, so wie es in Großbritannien eigentlich schon bekannt ist.

Was würden Sie sich gerne von der neuen Bundesregierung wünschen?

Ich glaube, es steht einer kleinen Sparkasse Nürnberg nicht zu, sich etwas von der großen Politik zu wünschen. Aber selbstverständlich gibt es Themen, die verbesserungswürdig sind. Dazu zählt eine Regulatorik mit Augenmaß, die auch die kleineren Kreditinstitute vernünftig behandelt. Außerdem sollte die europäische Einlagensicherung EDIS verhindert werden. Es kann nämlich nicht sein, dass das Geld, welches die Sparkassen in vielen Jahren zur Seite gelegt haben, um unsere Kunden zu schützen, für Kunden von Banken in anderen Ländern eingesetzt werden soll, wo das eben nicht gemacht worden ist.

Ein anderes Thema: Laut BGH-Urteil Ende April dürfen Banken nicht ohne ausdrückliche Zustimmung die Gebühren für das Girokonto erhöhen. Wie viele Kunden haben sich bereits zwecks einer entsprechenden Entschädigung bei Ihnen gemeldet und wie gehen Sie mit dieser Situation um?

Das Urteil, dass wir die Zustimmung einholen müssen, werden wir in Zukunft natürlich beachten. Wir sind gerade dabei, die Zustimmung von allen Kunden einzuholen. Aus Kundensicht ist meine Einschätzung, dass das ein Thema ist, das sie nicht wirklich interessiert. Das unterstreichen auch die geringen Beschwerdezahlen. Zuvor wurde das Ganze transparent, aber einfach und pragmatisch gehandhabt. Jeder Kunde hätte widersprechen können, wenn ihm etwas nicht gepasst hätte. Jetzt wird es für beide Seiten aufwendiger. Damit müssen wir leben. Was die Verbraucherschützer zudem offenbar ausblenden ist, dass es gar nicht so einfach ist, alle Kunden zu erreichen, wenn diese Nachrichten entweder gar nicht lesen oder Briefe sogar wegwerfen.

Welchen sonstigen Herausforderungen blickt die Sparkasse Nürnberg entgegen und wie könnte ihre Zukunft aussehen?

Ich glaube, die Herausforderungen haben wir alle angesprochen: Regulatorik, Niedrigzins, Digitalisierung, Rechtsprechung. Das Wichtigste für die Zukunft ist, dass wir uns ständig unserem Umfeld und den neuen Bedingungen anpassen. Das ist mit allgemeiner Veränderungsbereitschaft verbunden, auch bei den Mitarbeitern, denn schließlich ist das Verständnis für den Kunden hierbei enorm wichtig. Nur so können wir uns immer wieder gemeinsam auf einen neuen Weg begeben und auch die nächsten 50 Jahre als Sparkasse Nürnberg schaffen.

Dr. Matthias Everding , Vorstandsvorsitzender , Sparkasse Nürnberg
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