Redaktionsgespräch mit Andreas Dombret

" Unterschätzen Sie die deutschen Banken nicht"

Dr. Andreas Dombret, Foto: Deutsche Bundesbank

Die Bedrohungsabwehr von möglichen Hackerangriffen wird heutzutage für alle Unternehmen, aber insbesondere für Banken, da diese über eine immense Fülle von sensiblen Daten verfügen, immer wichtiger. Denn die Cyberkriminellen entwickeln immerzu neue Methoden, um sich an den Firewalls ihrer Opfer vorbeizuschleichen. Im Zusammenhang mit dem Ukraine- Krieg werden aktuell verstärkt Cyberangriffe aus Russland auf deutsche Unternehmen und Banken befürchtet. Zu Recht, denn diese Sachlage sei zwar nicht völlig neu, aber durchaus ein Grund zur Sorge, so der Autor. Daher sollte seiner Auffassung nach wesentlich mehr Geld in die Cybersicherheit investiert werden. Auch sei es dabei möglicherweise sinnvoller, dieses Thema nicht nur in der Finanzmarktregulierung zu lösen, sondern stattdessen gemeinsam in wirtschaftsübergreifenden Initiativen zu arbeiten. Der Baseler Ausschuss könne hier als Vorbild dienen. (Red.)

Herr Dombret, die deutschen Banken befinden sich seit Jahren quasi in einem immerwährenden Transformationsprozess. Nun kommen mit den Zweit- und Drittrundeneffekten aus dem Ukraine-Krieg neue Herausforderungen dazu. Wie beurteilen Sie das aktuelle Umfeld, in dem sich die deutsche Kreditwirtschaft bewegen muss, und die Chancen für die Institute, sich hierbei gut zu schlagen?

Deutschland ist, wie Sie wissen, sehr exportorientiert. Der deutsche Arbeitsmarkt und die von den deutschen Banken finanzierten heimischen Unternehmen hängen somit maßgeblich von der internationalen Konjunktur ab. Und die trübt sich aufgrund des Krieges in der Ukraine deutlich ein - man schaue sich nur die Zahlen an, die der Internationale Währungsfonds und die Weltbank gerade veröffentlicht haben.

Nicht vergessen dürfen wir bei alldem auch die Inflation, die sicherlich durch die Ukraine-Krise und die steigenden Energie- und Nahrungsmittelpreise noch einen weiteren Schub erhält, die aber auch tieferliegende Gründe hat. Diese Wachstumsschwäche wird die Profitabilität der deutschen Banken sehr wahrscheinlich negativ beeinflussen. Abschreibungen werden sich vorerst aber nach meiner Einschätzung eher in Grenzen halten und vor allem die Finanzierung von Unternehmen betreffen, die in der Ukraine oder in Russland durch den Krieg und die verhängten Sanktionen produktive Aktiva verloren haben.

Werden sich europäische Entwicklungen wie etwa die Bankenunion, die Kapitalmarktunion und Ähnliches beschleunigen? Wird Europa angesichts der neuen Entwicklungen zwischen den USA, China, Russland enger zusammenrücken?

Diese Entwicklungen sind zwar ohne jede Frage sehr wichtig, aber ich meine, wir müssen zurzeit noch größer denken. Die Ukraine-Krise wird zusätzlichen, erheblichen Druck auf die europäische Fiskalpolitik erzeugen. Der EZB sind angesichts der steigenden Inflation zunehmend die Hände gebunden. Die EU wird sich also etwas einfallen lassen müssen, wie sie in diesem neuen Umfeld die Fragmentierungsrisiken in der Eurozone kleinhält. Alles in allem bin ich davon überzeugt, dass dies auch Einfluss auf die Struktur des EU-Banken- und Kapitalmarkts haben wird.

Wird das auch in einer Konsolidierung des europäischen Finanzsektors münden?

Vorerst wohl eher nicht - der Risikoappetit und die Risikofähigkeit möglicher Konsolidierer im Bankensektor erscheint mir angesichts der geopolitischen Krise begrenzt. Das bezieht sich vor allem, aber nicht nur, auf grenzüberschreitende Fusionen und Übernahmen. Und was man leider erkennen kann ist, dass internationale Kreditgeber momentan ihr Engagement in EU-Banken reduzieren. Dies könnte durchaus Auswirkungen auf die zukünftige Struktur des EU-Bankensystems haben.

Mit Blick auf das deutsche Bankensystem stellen Sie seit Jahren ein zu großes Beharrungsvermögen fest. Sehen Sie die großen deutschen Banken eher als aktiven oder passiven Teilnehmer an einer europäischen Konsolidierung?

Auf einzelne deutsche Banken möchte ich aufgrund meiner beruflichen Vergangenheit als Bankenaufseher nicht eingehen - das fände ich bei meiner Kenntnis der Datenlage unangemessen. Nur so viel: Unterschätzen Sie die deutschen Banken nicht. Wenn die Zeit reif ist, werden sie ihre Rolle finden und bis dahin an der Verbesserung ihrer jeweiligen Ausgangslage arbeiten.

Es werden im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg nun verstärkt Cyberangriffe aus Russland auf deutsche Unternehmen und Banken befürchtet. Teilen Sie diese Besorgnis?

Eindeutig ja. Dies ist zwar keine völlig neue Sachlage, aber die verstärkten Angriffe machen wir durchaus Sorge. Es wird also darauf ankommen, sich bestmöglich vor solchen Attacken zu schützen. Jeder sinnvoll investierte Euro ist ein gut investierter Euro.

Viele Experten halten Cybercrime für die am meisten unterschätzte Gefahr der Zukunft - warum ist das so?

Ich gehöre auch dazu. Warum ist das so? Weil wir immer noch viel zu wenig über Cybercrime wissen. Viele Unternehmen, Banken eingeschlossen, entdecken manche erfolgreichen Angriffe erst recht spät, und dies häufig erst durch Hinweise von außen.

Die kriminelle Energie der Angreifer ist leider beträchtlich. Da viel Geld gestohlen werden kann, sind die Angreifer heutzutage auch entsprechend gut ausgerüstet. Bereits vor einigen Jahren mussten wir uns von dem Irrglauben verabschieden, es handele sich bei Cybercrime um ein paar wenige Computer-Nerds, die es als Herausforderung empfinden, sich an den Firewalls von Banken und Versicherungen zu messen. Ein erfolgreicher Angriff auf ein kleines Institut kann schnell das Vertrauen in das gesamte System erschüttern und damit die Finanzstabilität gefährden.

Wie können sich die Institute wirksam gegen zunehmende Hackerangriffe schützen?

Das ist den Instituten sehr wohl bekannt, und sie wappnen sich zunehmend. Dass die Bankenaufsicht nun zunehmend - in Absprache mit Finanzhäusern - Angriffe simuliert, um auch auf diese Weise Erkenntnisse über Verwundbarkeiten zu sammeln, begrüße ich außerordentlich. Bei meiner Verabschiedung aus dem Amt hatte ich dies, wie Sie sich vielleicht erinnern, ganz besonders angemahnt und gefordert.

Wichtig ist schließlich, dass sich die Finanzinstitute einerseits und die Aufsicht andererseits sehr intensiv untereinander austauschen - ganz besonders über Landesgrenzen hinweg. Aus Angriffen und Fehlern in anderen Jurisdiktionen kann viel gelernt werden, und je früher, umso besser.

Was bedeuten diese Entwicklungen für die Finanzstabilität in Deutschland und Europa?

Nichts Gutes. Das Cyberrisiko hat sich zu einem wesentlichen Risiko entwickelt und muss auch genauso intern und aufsichtsmäßig behandelt werden.

Wie steht Deutschland in Sachen Cybersicherheit im internationalen Vergleich?

Im Mittelfeld.

Wie reagiert die deutsche Bankenaufsicht, also BaFin und Bundesbank, bei einem schweren Cyberangriff, gibt es da klare Prozesse und Arbeitsabläufe?

Aber natürlich.

Müssen Regulatoren und Aufseher diesen Themen noch mehr Aufmerksamkeit schenken und eventuell bestehende Regelungen anpassen oder erweitern?

Sie können auch heute bereits die höchste Aufmerksamkeit unterstellen und liegen dann damit richtig.

Braucht es noch mehr internationale Zusammenarbeit bei diesen Themen?

Eindeutig. Angesichts der Bedeutung von Cyberrisiken nicht nur für den Finanzsektor, sondern für alle Industrien und Privatpersonen stellt sich die Frage, ob man das isoliert in der Finanzmarktregulierung lösen soll oder ob nicht wirtschaftsübergreifende Initiativen sinnvoller sind. Hier wäre meiner Meinung nach nicht zuletzt auch an die Schaffung von internationalen Gremien zu denken. Der Basler Ausschuss, der in den 1970ern für die Koordination von Regulierung im Bankensektor geschaffen wurde und seither globale Regeln setzt sowie internationale Kooperation fördert, könnte hier als Vorbild dienen.

Wie könnte man den Informationsfluss bei solchen Angriffen verbessern und beschleunigen, beispielsweise durch ein zentrales Melderegister oder Ähnliches? Oder wird hier bereits ausreichend getan?

Nach meiner Einschätzung wird hier bereits heute sehr viel getan. Aber es kann zugegebenermaßen natürlich immer noch mehr sein. Never be complacent, wie es zu Recht heißt. Ankommen wird es auch darauf, dass es der Finanzindustrie und der Aufsicht gelingt, sehr gute Experten für sich zu gewinnen, um nachhaltig gerüstet zu sein.

Dr. Andreas Dombret , Global Senior Advisor , Oliver Wyman GmbH, München (und Vorstand i.R., Deutsche Bundesbank)
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