Anstrengende Transformation

Hanna Thielemann

Ob wir jemandem vertrauen oder nicht, hängt wohl vor allem von Erfahrungen und Eindrücken ab, die wir im Laufe unseres Lebens sammeln. Das gilt im privaten Bereich ebenso wie bei Schule, Ausbildung und im Berufsleben. Auf Letzteres bezogen galt einst die Banklehre als Garant für einen erfolgreichen Einstieg, sicheren Arbeitsplatz und gute Bezahlung. Das Image der Banker hat jedoch im Schatten der Finanzkrise ordentlich gelitten. Und auch Niedrigzinsphase, Konsolidierungen, Filialschließungen und Kostendruck hinterlassen seither ihre Spuren bei Banken und Sparkassen. Die Folge: Die Zahl der Beschäftigten im deutschen Bankgewerbe sinkt, laut Berechnungen des Arbeitgeberverbandes des privaten Bankgewerbes (AGV Banken) allein im Jahr 2016 um 2,9 Prozent von 627 150 auf 609 100. Damit setzt sich der seit Jahren anhaltende Personalabbau mit etwas erhöhter Dynamik fort - im Vorjahr ist die Beschäftigtenzahl um 2,1 Prozent gesunken.

Blickt man auf die Beschäftigungszahlen der vergangenen 25 Jahre, trifft diese Entwicklung alle Bankengruppen gleichermaßen. 2016 arbeiteten im Sektor der privaten Banken 78 900 Menschen weniger als noch im Jahr 1991. Allein in den vergangenen sechs Jahren war ein Rückgang um knapp 15 000 Mitarbeiter zu beobachten. Etwas geringer ist der Rückgang bei den Sparkassen, die im letzten Vierteljahrhundert gut 56 650 Mitarbeiter abgebaut haben. Vergleichsweise konstant haben sich da die Mitarbeiterzahlen der Genossenschaftsgruppe gehalten. Aber auch die Volks- und Raiffeisenbanken sowie die Sparda-Banken haben im Jahr 2016 mit 157 300 Mitarbeitern immerhin 13 150 weniger als 1991. Nur vereinzelt ist in der Branche eine gegenläufige Entwicklung zu beobachten: Einen Personalaufbau hat der AGV Banken in den letzten Jahren nur bei Geschäftsmodellen wie den Privatbankiers, Realkreditinstituten, Konsumfinanzierern und Direktbanken beobachtet. Und auf die Tätigkeitsfelder bezogen ist die Zahl der Experten für Regulierung und Compliance, für Risikomanagement sowie für den Aufbau neuer digitaler Geschäftsmodelle gestiegen.

Als Ursache für den raschen Wandel gelten neben der anhaltenden Niedrigzinsphase und der zunehmenden Regulierung die fortschreitende Digitalisierung. Neue Mitbewerber in Bereichen, die früher ausschließlich Banken vorbehalten waren, neue Geschäftsmodelle und neue Formen der Kundeninteraktion fordern die Anpassungsfähigkeit der Institute auf ein sich schnell entwickelndes Umfeld. Kernfragen, die sich heute in vielen Häusern auf allen Ebenen dringlicher als in früheren Zeiten stellen: Welche Mitarbeiter mit welchen Qualifikationen braucht die Bank zukünftig und welche Schritte sind zum Aufbau einer "digitalen Kompetenz" erforderlich? Die Digitalisierung ist ursächlich für die steigende Geschwindigkeit der Arbeitsabläufe, eine zunehmende Arbeitsintensität und -komplexität. Von den Mitarbeitern erfordert sie mehr Flexibilität sowie ein hohes Maß an Selbstmanagement und Selbstdisziplin.

Die Veränderungen sind weitreichend. In einem Pressegespräch im Frühjahr dieses Jahres schätzte der Arbeitsdirektor der DZ Bank den Anteil der Arbeitsplätze in Banken, die von der Digitalisierung betroffen sind, auf 70 Prozent. Da es in der Branche mit zunehmender Automatisierung allgemein zu einem Wachstum ohne Menschen kommt, gehe es nun vor allem darum, zum einen vorhandene Mitarbeiter für neue Anforderungsprofile zu qualifizieren und zum anderen neue Kollegen zu integrieren, die mit hohen IT-Kenntnissen die Schnittstellen zwischen Linienfunktionen und agilen Entwicklerteams schon heute besetzen können. Galt es vor zehn bis zwanzig Jahren manuelle Tätigkeiten in der Zentralverwaltung zu automatisieren und Mitarbeiter so weit wie möglich im Vertrieb einzusetzen, sind jetzt auch Spezialisten betroffen. Selbst in den unmittelbar nach der Finanzkrise regulatorisch aufgewerteten Bereichen wie dem Risikomanagement und der Compliance wird derzeit schon wieder vermehrt nach Einsatzmöglichkeiten der Technik gesucht.

Ein aktuelles Beispiel für die Herausforderung ist die Umsetzung der Strategie "Commerzbank 4.0" mit einer umfangreichen digitalen Transformation und höheren Effizienz. An den Mitarbeitern gemessen soll die Bank drastisch verkleinert werden. Ende März dieses Jahres zählte sie noch 41 600 Vollzeitjobs in der Stammbelegschaft, bis 2020 sollen es nur noch 36 000 Stellen sein. Dabei sollen betriebsbedingte Kündigungen so weit wie möglich vermieden werden. Als Alternative Programme werden Altersregelungen wie Vorruhestand und das Abfindungsprogramm "56plus", Altersteilzeit, Aufhebungsverträge mit Abfindungen sowie freiwillige individuelle Arbeitszeitreduzierungen genannt.

Mit der Digitalisierung ändern sich aber nicht nur die Anforderungen der Banken an Mitarbeiter, sondern auch die Anforderungen der Mitarbeiter an Banken. Die Anpassung von Unternehmensstrategien und -strukturen an veränderte Rahmenbedingungen verlangt den Mitarbeitern in Banken viel ab. Im viel beschworenen Wett bewerb um die besten Talente wird es da umgekehrt für Arbeitgeber immer wichtiger, für eine höhere Motivation und Zufriedenheit der Beschäftigten zu sorgen.

Ein Stichwort, das in diesem Zusammenhang über alle Branchen hinweg noch ein wenig häufiger fällt als in den vergangenen Jahren, ist Work-Life-Balance. Dazu zählt die Erleichterung der Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit, beispielsweise durch flexible Arbeitszeiten, Homeoffice-Modelle oder Teilzeitprogramme. Aber auch eine gute Vereinbarkeit zwischen der heutzutage oftmals geforderten "ständigen Erreichbarkeit" und der Freizeit eines jeden Mitarbeiters ist dabei ein Thema. Darüber hinaus treffen durch die zunehmende Verzahnung der Banken mit Fintechs verschiedene Unternehmenskulturen aufeinander. Es ist noch nicht klar, wie und ob sich diese neuen Formen der Zusammenarbeit in den bislang eher hierarchischen Organisationen der Kreditwirtschaft und mit einem unflexiblen Tarif- und Arbeitsrecht vereinbaren und inwiefern sich die mit unter verschiedenen Arbeitsweisen integrieren lassen.

Die Personalverantwortlichen stehen vor der Aufgabe, den Spagat zwischen dem Kunden und seinen veränderten Bedürfnissen, den regulatorischen und gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen und den Fähigkeiten der Mitarbeiter zu schaffen. Noch vor 15 Jahren waren die vertriebsstarken Banken im Grunde genommen auf den reinen Produktverkauf ausgerichtet. Nach der Finanzkrise und vor dem Hintergrund der Digitalisierung setzen viele Banken wieder auf hoch qualifizierte Berater, die das Vertrauen des Kunden genießen und möglichst ein Leben lang an seiner Seite stehen. So soll der Ruf des Bankers auch mit der Zeit wieder rehabilitiert werden. Es ist nur fraglich, ob die Branche all die IT-affinen, leistungsstarken, flexiblen, rhetorisch gewandten, überzeugenden, verantwortungsvollen und aufrichtigen Mitarbeiter für sich begeistern kann, die sie braucht.

Hanna Thielemann , Redaktion, Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen , Fritz Knapp Verlag

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