Jetzt nicht ausruhen

Miriam Veith Redakteurin, Foto: Miriam Veith

"Hi, how may I help you?" - Mit diesen Worten empfängt der kleine weiße Roboter namens Pepper die HSBC-Kunden beim Betreten der Filiale. Der humanoide Roboter, entwickelt von Softbank Robotics, kommt bereits an sieben Standorten von HSBC in den Vereinigten Staaten zum Einsatz und soll vor allem das Privatkundengeschäft neu beleben. Ausgestattet mit einem Tablet beantwortet Pepper Fragen zu Produkten oder hilft bei der Vereinbarung eines Beratungstermins.

Einen klassischen Bankberater kann und soll ein solcher Roboter natürlich nicht ersetzen, aber es wird deutlich, dass sich der Finanzsektor bereits mitten im digitalen Wandel befindet - und das ist eigentlich kein neues Phänomen. Denn Banken zählen durchaus zu den Vorreitern bei technologischen Innovationen. So gab es in der Historie immer wieder neue Entwicklungen, auf die die Institute reagiert haben, wie beispielsweise die Einführung der ersten elektronischen Taschenrechner als Ersatz für den Rechenschieber. Grundlegend verändert hat sich allerdings, dass es nicht nur mehr um einzelne Technologien oder Produkte geht. Stattdessen betrifft die Digitalisierung heute das gesamte System einer Bank, und das in einem Umfeld, das durch das anhaltende Niedrigzinsumfeld, verschärfte regulatorische Anforderungen sowie sich kontinuierlich verändernde Kundenbedürfnisse die klassischen Geschäftsmodelle der Institute auf die Probe stellt. Zudem nimmt der Konkurrenzkampf durch die Präsenz von Fintech-Unternehmen weiter zu, die in Sachen Kundenorientierung zum Teil neue Maßstäbe setzen.

Müssen die Banken aus diesem Grund jetzt aber zu Technologieunternehmen werden? - Nicht unbedingt, aber bei vielen traditionellen Großbanken war die letzte große Innovation die Etablierung des Online-Bankings, welches von der 2018 in Kraft getretenen europäischen Zahlungsrichtlinie PSD2 erneuten Zündstoff erhielt. Etwa 2,01 Millionen Menschen in Deutschland nutzen laut einer Studie des Bankenverbands bereits täglich das Internet für ihre Bankgeschäfte. In der Altersgruppe der 18- bis 49-Jährigen sind es sogar etwa 70 Prozent. Und gerade Fintechs, die mitunter über eine Banklizenz verfügen, agieren flexibler und können durch PSD2 einfacher personalisierte Dienste anbieten.

Aber auch wenn die Customer Journey der Kunden meist damit beginnt, dass in der Online-Suchmaschine ein bestimmtes Bankprodukt gesucht wird, findet rund jeder zweite Produktabschluss nach wie vor laut einer Studie von research tools in einer Filiale statt. Das spricht dafür, dass das Vertrauen der Kunden immer noch aufseiten der Banken ist. Es geht also im Wesentlichen darum, von der Konkurrenz zu lernen und dabei dennoch auf die eigene langjährige Erfahrung zu bauen, denn sowohl im Privat- als auch Firmenkundengeschäft ist der persönliche Kontakt immer noch entscheidend. Doch hierauf dürfen sich die Institute nicht ausruhen. Es gibt vor allem intern viele Probleme zu bewältigen, die oftmals mit veralteten IT-Architekturen zu tun haben, weshalb die Häuser in puncto Digitalisierung mit einem Bein noch in der Vergangenheit stehen, während ihre Konkurrenz den Finanzmarkt mit neuen Produkten flutet. Die Anforderungen an eine moderne IT-Architektur sind hoch und oftmals behelfen sich die Institute eher mit einem intelligenten Rück- und Umbau ihrer Systeme - es existiert also noch viel Nachholbedarf.

Angesichts der Corona-Krise waren die Institute dazu gezwungen, sich diesem Nachholbedarf zu stellen sowie bekannte Hürden schneller zu nehmen, um für ihre Kunden vermehrt digitale Angebote zu schaffen. Die Bankmitarbeiter wurden also übergangsweise ins Homeoffice überstellt, weshalb schnell die entsprechenden digitalen Strukturen geschaffen werden mussten, damit die Berater weiterhin über beispielsweise Videokonferenzen tätig sein konnten. Die Epidemie fungiert insofern als Treiber der Digitalisierung und sorgt gleichzeitig für neue Geschäftsmodelle bei Banken.

Das belegt auch eine aktuelle PwC-Umfrage: Über 90 Prozent der Befragten erwarten langfristige Veränderungen hinsichtlich ihrer Geschäftsmodelle für die zweite Jahreshälfte 2020. Gut ein Drittel geht sogar von einem starken Wandel aus. Grund ist der zunehmende Kostendruck, der auf die Banken zukommt, da die Unternehmen krisenbedingt in Zahlungsschwierigkeiten geraten und Kredite ausgesetzt werden müssen. Aus diesem Grund halten es 58 Prozent der Befragten für sinnvoll, die Ertragssteigerung als strategisches Ziel zu priorisieren, während 37 Prozent Maßnahmen zur Kostenreduzierung forcieren würden. Um sowohl Kosten zu senken als auch den Ertrag steigern zu können, sehen 75 Prozent der Umfrageteilnehmer Potenzial bei der Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern. So wollen 60 Prozent zukünftig mehr Dienstleistungen auslagern. Zudem wollen sie den Impuls, der durch die Krise gesetzt wurde, auch zukünftig nutzen, um auch perspektivisch betrachtet konkurrenzfähig bleiben zu können. Die große Mehrheit von 92 Prozent strebt sogar eine starke Entwicklung bezüglich der digitalen Transformation in ihrem Haus an. Besonders hervorgehoben werden in diesem Zusammenhang die Digitalisierung der Vertriebskanäle, Neugeschäftsprozesse sowie Bestandsprozesse.

Ob und wie schnell diese hohen Ziele auch tatsächlich in die Umsetzung gebracht werden, ist fraglich, denn die digitale Transformation steht schon seit vielen Jahren ganz oben auf der Agenda der Häuser. Die Krise hat die bestehenden Probleme also nur noch einmal deutlicher in den Fokus gerückt und nicht erst erzeugt. Und bei allem Drang zum Fortschritt darf nicht vergessen werden, dass das richtige Maß an Geschwindigkeit darüber entscheidet, ob man die Mitarbeiter nicht auf halber Strecke dieser Reise verliert, die jedes Institut von einem ganz individuellen Punkt aus startet. Der Prozess darf also nicht zu schnell vorangehen, auch nicht für die Kunden: Denn eine Bank sollte in der Lage sein, bei allen Entwicklungen zu bleiben, was sie ist, und dabei ihre Kunden sowohl digital als auch analog zu begleiten - das ist ein deutlicher Spagat zwischen alt Bestehendem und der Moderne.

Bislang verhielten sich die deutschen Banken aber auch recht zögerlich, wenn es um die Implementierung neuer Technologien oder zum Beispiel einer Cloud-basierten Geschäftslösung ging, und das, obwohl sich durch die Nutzung enorme Chancen für die Finanzbranche ergeben würden. Das mag an der Verantwortung liegen, die die Banken als Hüter sämtlicher sensibler Kundendaten innehaben, die es vor Hackern und deren Cyberattacken zu schützen gilt, aber auch an der Angst, sich als Unternehmen neu erfinden zu müssen.

Gerade wenn aufgrund von Wettbewerbsdruck neue Technologien oder Dienstleistungen eingeführt werden, bevor entsprechende Sicherheitsvorkehrungen implementiert werden konnten, erhöht das die Chancen für einen erfolgreichen Cyberangriff, der weitreichende Folgen haben kann. Im Zuge der Digitalisierung haben sich Attacken durch professionelle Hacker enorm erhöht. Aus diesem Grund ist die Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Banken als kritische Infrastruktur besonders relevant. Neben der IT-Sicherheit wird aber auch die regulatorische Compliance eine wachsende Bedeutung einnehmen. Seit Anfang des Jahres unterziehen sich schon ein paar wenige Institute auf Initiative der Europäischen Zentralbank einer freiwilligen Überprüfung ihrer IT-Systeme mittels Threat Intelligence-based Ethical Red-Teaming, die einen realitätsnahen Cyberangriff simulieren. Erste Ergebnisse sollen Ende des Jahres 2020 veröffentlicht werden.

Obwohl Bankern oftmals nachgesagt wird, dass sie Angst vor Veränderung oder Machtverlust hätten, haben sie in der aktuellen Phase der Corona-Krise bewiesen, dass sie in der Lage sind, schnell zu handeln und auch digitale Strukturen zu schaffen, die den Betrieb aufrechterhalten. Nun stehen die Institute dem technischen Wandel positiv gegenüber und wollen künftig auch mehr investieren. Doch, wie bereits erwähnt, hatten die Institute diese Punkte schon seit längerer Zeit auf ihrem Zettel und haben in der Zwischenzeit sehr viel Zeit verstreichen lassen, während ihrer Konkurrenz nicht nach Schlafen zumute war. Es wird also weiterhin für die deutschen Banken viel zu tun geben hinsichtlich ihrer digitalen Transformation, immerhin haben die meisten bereits Strategien dafür entwickelt. Ob daraus auch die entsprechenden Maßnahmen abgeleitet werden, bleibt abzuwarten.

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Miriam Veith , Redakteurin , Fritz Knapp Verlag GmbH
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