China baut seine Machtposition aus

Miriam Veith, Volontärin Foto: M. Veith

Während viele Länder noch tief in der Lockdown-Rezession festhängen, brummt die Wirtschaft Chinas wieder ordentlich. Seit dem zweiten Quartal hat sich das Land stark erholt und dürfte sogar die einzige große Volkswirtschaft sein, die in diesem Jahr expandieren wird. Die Wirtschaftsleistung wuchs laut dem Peterson institute for international economics von Januar bis September 2020 real um 0,7 Prozent. Chinas Exporte stiegen im Oktober um 11,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Und auch wenn sich der Welthandel allmählich zu erholen scheint, ist es China, das aktuell das wirtschaftliche Kraftzentrum der Welt bildet. Daher kann davon ausgegangen werden, dass das Land bis Ende des Jahres im Welthandel weiter an Stärke gewinnen wird. Laut der Helaba hat "die Pandemie und ihre Folgen den Aufholprozess der chinesischen Wirtschaft gegenüber den Industrieländern beschleunigt."

Peking bezeichnet sich daher gerne als Krisengewinner und fühlt sich in dem Glauben bestätigt, dass ihr autoritäres System den demokratischen Staaten im Kampf gegen die Pandemie überlegen sei. Das bevölkerungsreichste Land der Erde hat allerdings für die Senkung der Infektionszahlen rigorose Maßnahmen eingesetzt, die europaweit für Kopfschütteln gesorgt haben. Diese waren aber offensichtlich effektiv und wo die Infektionszahlen besonders niedrig sind, da kann die Wirtschaft auch schnell wieder angekurbelt werden, so die Unternehmensberatung McKinsey. Da die chinesische Berichterstattung sowohl innerhalb als auch außerhalb des Landes kein großes Vertrauen genießt, ist es aber fraglich, ob das Infektionsgeschehen tatsächlich derart niedrig ausfällt.

Dennoch ist die wirtschaftliche Leistung Chinas beachtlich und daher gewinnt die Volksrepublik innerhalb Asiens immer mehr an Gewicht. Und diese Position wird genutzt: So unterzeichneten am 15. November 2020 nach acht Jahren Verhandlungen 15 Regierungschefs, darunter zehn ASEAN-Mitgliedsstaaten und fünf weitere Staaten aus der Region Asien-Pazifik, das weltweit größte Freihandelsabkommen: Regional Comprehensive Economic Partnership, kurz RCEP - und das mitten im Handelskrieg Chinas mit den USA. Innerhalb der kommenden 20 Jahre sollen 90 Prozent der Zölle auf gehandelte Güter abgeschafft werden, um grenzüberschreitendes Wachstum zu fördern. Außerdem will man zwei Drittel des Dienstleistungssektors füreinander öffnen, was den Wettbewerb fördern und Raum für Expansionen nationaler Dienstleister schaffen soll. Das neue Handelsabkommen umfasst mit 2,2 Milliarden Menschen nicht nur 30 Prozent der Weltbevölkerung, sondern auch rund 30 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung (gemeinsames BIP von etwa 26,2 Billionen US-Dollar). Zum Vergleich: die NAFTA hat 0,49 Milliarden, die Euro-Zone 0,34 Milliarden Einwohner sowie jeweils ein BIP von etwa 24,4 beziehungsweise 15,6 Billionen US-Dollar. Asien bringt sich mit diesem gewaltigen Wirtschaftsblock als dominanter Akteur des beginnenden 21. Jahrhunderts ins Spiel.

Darüber hinaus wurde bei der Unterzeichnung Geschichte geschrieben: Erstmals sind die drei großen Wirtschaftsmächte China, Japan und Südkorea, die für ihre Rivalität bekannt sind, in einem Handelsabkommen vertreten. Indien hatte sich im vergangenen Jahr aus den Verhandlungen zurückgezogen, aus Angst vor der Einflussnahme Chinas im eigenen Land. Es gibt aber auch Kritik: "Das Abkommen reduziert zwar Handelshemmnisse, sieht gleichzeitig aber nicht vor, dass die Mitglieder ihre Volkswirtschaften liberalisieren oder internationale Standards im Umweltschutz und Arbeitnehmerschutz erfüllen müssen", so CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen. Zudem spiele auch der Schutz von geistigem Eigentum keinerlei Rolle. Die größte Freihandelszone der Welt werde somit nach chinesischem Vorbild erschaffen. Wie konnte es also trotz geradezu historischer Rivalität zu diesem Abkommen kommen?

Der noch amtierende amerikanische Präsident Donald Trump hat gleich nach seinem Amtseintritt 2017 den Rückzug aus dem Transpazifischen Handelsabkommen (TPP, nun CPTPP) eingeleitet. Mit seiner harten Linie gegenüber China erfreute er zwar seine Wählerschaft. Aber: Damit hat er nicht nur Obamas "Pivot to Asia"- Strategie untergraben, welche die Förderung von Handelsbeziehungen mit Chinas Nachbarländern vorsah und sich somit ganz klar gegen das Belt-and-Road-Vorhaben des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping richtete, sondern auch einige Staaten, die nun Teil von RCEP sind, enttäuscht und somit indirekt in die Arme Chinas getrieben. Und da das Reich der Mitte Corona so schnell abschütteln konnte, sieht Asien in China nun einen verlässlicheren Partner.

War es aber richtig von Trump mit dem Zeigefinger auf China zu deuten? Definitiv, denn China bedient sich schon seit einigen Jahren illegitimer Handelspraktiken wie Verkäufe unter Einstandspreis oder Dumping-Methoden. Dieses Vorgehen, das andere Marktteilnehmer verdrängen soll, lässt sich beispielsweise auch in weiten Teilen von Afrika beobachten. Des Weiteren dominiert das östliche Riesenreich den Seeverkehr und stellt den Dreh- und Angelpunkt der globalen Containerschifffahrt dar: neun Häfen unter den Top 20 sowie vier unter den Top 5 können sie verbuchen. Das erklärt auch den raschen Aufstieg des Landes seit der Globalisierung.

Dennoch darf nicht vergessen werden, dass China ein sehr wichtiger Handelspartner ist, daher hätte der Ton deutlich milder ausfallen müssen. Trump hat trotz der gegenseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeit China enorm provoziert wie durch die Schließung der jeweiligen Konsulate. Der Handelskrieg hat allerdings beiden Parteien enorm geschadet. "Die beiden größten Verlierer des Konflikts sind die USA und China selbst", sagt Yasuyuki Sawada, Chefökonom der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB). Als Gewinner des Konflikts gelten unter anderen Mexiko und Vietnam. Einer Umfrage der Investmentbank UBS zufolge hatte allerdings bereits ein Drittel der chinesischen Exportunternehmen die Fertigung bereits verlagert. So haben viele Unternehmen Trumps Zölle schlichtweg umgangen, indem sie fast fertig montierte Produkte nach Vietnam schickten, wo die Ware dann als "Made in Vietnam" deklariert zollfrei in die USA versendet wurde: kein allzu neuer Trick!

Außerdem hat Trump frei nach seinem Lieblingsmotto "America first" es immerzu abgelehnt, gemeinsam mit Europa stark gegenüber China aufzutreten und eine geeignete Chinapolitik zu entwickeln. Auch wenn dies nun wieder ganz oben auf der Wunschliste der EU stehen dürfte, sollte das auch unter dem kürzlich gewählten Joe Biden erst einmal Wunschdenken bleiben. Biden hat geäußert, zunächst keine neuen Abkommen schließen zu wollen, sondern sich auf die Bekämpfung der Corona-Pandemie zu konzentrieren: Die US-Administration ist gelähmt.

Die chinesische Regierung hingegen tritt sowohl in ihrer Innen- als auch Außenpolitik deutlich aggressiver auf, als das vor einigen Jahren noch der Fall war. Und "der Abschluss der umfassenden Handels- und Wirtschaftspartnerschaft RCEP in Asien schafft ein weiteres handelspolitisches Kraftzentrum ohne Europa und die USA", so Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag. Daher müsse die EU nun eigene Abkommen zügig vorantreiben, das Mercosur-Abkommen der EU mit den Ländern Südamerikas finalisieren sowie das CETA-Abkommen mit Kanada ratifizieren. Außerdem sei ein Handelsabkommen mit den USA essenziell, um den Westen insgesamt zu stärken.

An dieser Stelle sollte aber nicht vergessen werden, dass auch RCEP erst in Kraft tritt, wenn mindestens sechs ASEAN-Staaten und drei Nicht-ASEAN-Staaten selbiges ratifiziert haben. Und das sollte lange dauern und schwierig werden aufgrund von grundsätzlicher Feindseligkeit und einer tendenziellen Anti-China-Stimmung. Außerdem steht die EU gar nicht so verschlafen da, wie so mancher es fürchtet. Daher gibt sich Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier eher gelassen und verweist auf die eigenen EU-Freihandelsabkommen mit Japan, Südkorea, Singapur und Vietnam sowie auf die intensive Arbeit an dem Investitionsabkommen mit China. Dennoch sollte Europa nicht zu viele Hoffnungen auf einen starken amerikanischen Partner legen, sondern einen vermehrten außenpolitischen Fokus auf Asien richten und sich EU-weit einig über Handelsfragen werden. Es heißt also: bestenfalls mit, notfalls dann eben ohne die USA!

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Miriam Veith , Redakteurin , Fritz Knapp Verlag GmbH
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