Das Dilemma mit der Förderleistung

Dr. Berthold Morschhäuser

Reibungsloser kann die Refinanzierung eigentlich kaum laufen. Seit Jahren bietet der Kapitalmarkt den Förderbanken des Bundes und der Länder überaus günstige Konditionen und damit eine exzellente Grundlage zur Erfüllung ihrer Aufgaben. Gleichwohl hatte und hat man zuweilen den Eindruck, als sei die Branche bei der Unterstützung der wirtschafts-, struktur- und gesellschaftspolitischen Ziele ihrer Träger in einer Sinnkrise. Denn was nutzt es den Instituten, dass sie derzeit dank Anstaltslast, Gewährträgerhaftung und einer Refinanzierungsgarantie der Eigner an den Kapitalmärkten Mittel zu annähernd minus 100 Basispunkten aufnehmen können? Was nutzen ihnen fast ebenso gute Konditionen wie sie der Bundesfinanzminister hat, wenn die Gelder nicht in gewünschtem Maße abgerufen werden? Die traditionelle Zinsverbilligung der Förderprogramme massenhaft an die Kunden zu bringen, erweist sich jedenfalls im Niedrigzinsumfeld als gar nicht so leicht.

Für die Gläubigerbanken bleibt zwar nach wie vor der Anreiz, ihre Forderungen gegen die Förderinstitute nicht mit haftendem Eigenkapital unterlegen zu müssen, aber in vielen Bereichen sind die Zinsdifferenzen für die Endkunden einfach zu gering. Solange die durchleitenden Geschäftsbanken keine Negativzinsen auf Förderkredite verlangen können oder wollen beziehungsweise solche in den eigenen technischen Systemen gar nicht zu verarbeiten wären, bleibt ihr Anreiz begrenzt, die günstigen Kreditzinsen in Anspruch zu nehmen. In einigen Förderbanken zeigt sich dieses Dilemma an einem deutlichen Rückgang der sogenannten Förderleistung. So blieb beispielsweise die KfW im Berichtsjahr 2016 mit 230 Millionen Euro gleich um 115 Millionen Euro unter dem Vorjahreswert sowie "deutlich unter den Erwartungen". Als Zinsverbilligung nennt die Bank dabei 193 Millionen Euro nach 304 Millionen Euro im Vorjahr.

Schon vor gut zwei Jahren hatte die größte deutsche Förderbank solche Hürden für die Inanspruchnahme ihrer Förderleistungen aufkommen sehen und bereits in diesem frühen Stadium eine Diskussion über Negativzinsen für ihre Kreditprogramme angestoßen. Doch die grundsätzliche Kritik an einem Außer-Kraft-Setzen von marktwirtschaftlichen Regeln, ganz praktische Überlegungen der Kreditwirtschaft zu den möglichen Kosten einer Umstellung der IT-Technik bis hin zu einer massiven Verunsicherung hinsichtlich klärender höchstrichterlicher Entscheidungen haben dieses Thema wieder in den Hintergrund gedrängt. Allein auf eine gewisse Normalisierung der Geldpolitik zu warten, ist der Branche allerdings auch zu wenig. In der Praxis sucht sie deshalb verstärkt nach Wegen, ihre Förderleistungen auch jenseits der reinen Zinsverbilligung an die gewünschten Adressaten zu bringen.

Besondere Anliegen sind den hiesigen Förderinstituten ebenso wie der Europäischen Investitionsbank (EIB) dabei derzeit der Erhalt und Ausbau einer guten Infrastruktur sowie die Schaffung eines wachstumsfördernden Innovationsklimas. Ebenso wie ihre Träger wollen sie mit ihren Programmen und Maßnahmen die notwendigen Impulse geben, die Marktkräfte überhaupt erst einmal zu aktivieren, um dann zusammen mit ihnen eine Beschleunigung der gewünschten Entwicklung herbeizuführen. So verknüpft die Landwirtschaftliche Rentenbank seit Anfang April dieses Jahres die Darlehen bestimmter Programmkredite zusätzlich mit einem einmaligen Zuschuss von derzeit 1 Prozent der Darlehenshöhe, der an die Zinsentwicklung angepasst werden kann, um einen aus technischen und juristischen Gründen nicht ganz unproblematischen negativen Zinssatz zu umgehen (siehe auch Gespräch des Tages).

Auch bei der hessischen WI-Bank wurde kürzlich auf gleich mehrere Ausprägungen einer neuen Art der Förderung verwiesen, die die derzeit nur begrenzt wirksame zinsverbilligte Kapitalbereitstellung flankieren sollen. Dazu gehört nicht zuletzt die Bereitstellung von finanziellen Mitteln für das sogenannte Tech-Quartier in Frankfurt. Ganz bewusst über die Fintech-Szene hinaus wurde dort Ende 2016 in einem Hochhaus Raum für die Ansiedlung und den konstruktiven Dialog zwischen jungen, innovativen Unternehmen geschaffen.

Über die Vernetzung vieler verschiedener Unternehmen in dem neuen Gründerzentrum will man sich im Idealfall zu einem digitalen Hub für Frankfurt, Deutschland und für ganz Europa weiterentwickeln. Ein Ökosystem mit einem guten Innovations- und Wachstumsklima zu fördern, ist dort wie an anderen Standorten die Idee. Besonders im Umfeld von renommierten Hochschulinstituten wird bundesweit gerne die Ansiedlung von jungen Technologieunternehmen gefördert. Venture-Capital- und Beteiligungsfinanzierungen in einem frühen Entwicklungsstadium gelten als besonders lohnende Förderaktivitäten zur Stärkung eines wettbewerbsfähigen Mittelstandes.

Gefragt sind darüber hinaus nicht nur in Hessen alle Arten der Risikofreistellung und Haftungsübernahme. Teilweise geschieht das in einer Kaskade der Förderbanken, also in der engen Zusammenarbeit der Förderbanken des Bundes, der Länder und der EIB. Die Frequenz, mit der Letztere hierzulande als Partner eingebunden wird, ist dabei in den vergangenen Wochen bemerkenswert. Mitte April hat die EIB-Gruppe der Commerzbank eine Garantie von 90 Millionen Euro für ein Portfolio von Darlehen an europäische Unternehmen im Umfang von 1,5 Milliarden Euro gestellt. Das durch diese Garantie frei werdende Kapital soll weitere Finanzierungen im Betrag von mehreren hundert Millionen Euro an KMU und Midcap-Unternehmen vorwiegend in Deutschland ermöglichen. Anfang Mai hat dann die KfW auf eine Zusammenarbeit mit der Europäischen Investitionsbank verwiesen, die dank einer Garantieübernahme aus Mitteln des Europäischen Fonds für strategische Investitionen eine Haftungsfreistellung für Kredite an mittelständische Unternehmen ermöglicht. Und auch die Deutsche Leasing hat am selben Tag mit der EIB eine Vereinbarung über Förderkredite in Höhe von zunächst 100 Millionen Euro unterzeichnet, die für langfristige Investitionsprojekte an Unternehmen mit bis zu 3000 Beschäftigten weitergereicht werden sollen. Wenn diese Aktivitäten die Inanspruchnahme der Mittel der hiesigen Förderbanken kannibalisieren, haben diese ein weiteres Dilemma.

Dr. Berthold Morschhäuser , ehem. Chefredakteur , Fritz Knapp Verlag

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