Eher Quötchen als Quote

Miriam Veith Redakteurin, Foto: M. Veith

Eigentlich sollte es doch eine Selbstverständlichkeit darstellen, dass alle Menschen gleich sind und deshalb auch gleiche Chancen erhalten. Doch fast jeder wird im Leben schon einmal festgestellt haben: Manchmal sind die anderen einfach "gleicher". Ähnliches könnte man auch über die nach wie vor sehr männlich dominierte Wirtschaftskultur in Deutschland sagen, wo meist die weißen älteren Herren im schicken Anzug den Ton angeben. Für viele Frauen ist es da schwierig, in diese elitären Kreise vorzudringen. Manche Männer sind gerade, wenn es um Entscheidungen geht, einfach lieber unter sich. Auch wenn das eben Beschriebene ein absolutes Klischee darstellt, welches in vielen Firmen in Deutschland schon längst abgelöst wurde, gibt es trotzdem noch viel Nachbesserungsbedarf in Sachen Frauenförderung.

Und das, obwohl durch diverse Studien bereits hinreichend bewiesen wurde, dass Unternehmen mit gemischten Teams meist zu den erfolgreicheren zählen. Doch Argumente wie diese scheinen nicht zu genügen. Entsprechend kann bei diesem Thema vermutlich nicht auf eine gewisse Freiwilligkeit gesetzt werden, denn dann ändert sich nämlich nichts oder eben nur sehr langsam. Damit sich der Anteil von Frauen in Führungspositionen signifikant erhöht, hatte die Bundesregierung bereits im Jahr 2015 das sogenannte Erste Führungspositionen-Gesetz (FüPoG) verabschiedet. Schließlich fällt es klar in das Aufgabengebiet des Staates, für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu sorgen (Art. 3 Abs. 2 Satz 2, Grundgesetz).

Das FüPoG sah allerdings nur eine fixe Quote für Aufsichtsräte börsennotierter und zugleich paritätisch mitbestimmter Unternehmen vor. Von dem Gesetz nicht wirklich tangiert wurden somit Vorstandsposten oder die Ebene der Geschäftsführung. Hier wurde lediglich die Pflicht eingeführt, eine Zielgröße (flexible Quote) zu definieren - die Zielgröße "Null" wurde dabei als Option nicht ausgeschlossen. Da dies überhaupt keine Verbindlichkeit schafft, dürfte sich auch der Puls diverser Quotengegner bei Verabschiedung des Gesetzes schnell wieder normalisiert haben.

Eine Evaluation, die im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) im Juli 2020 durchgeführt wurde, zeigt auf, dass sich wegen dieser mangelnden Verbindlichkeit der Frauenanteil in Vorständen im Vergleich zu Aufsichtsräten weniger positiv entwickelt hat. So wurde zwar die gesetzliche Vorgabe von 30 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten mit 35,2 Prozent sogar übertroffen, während dieser Anteil in den Vorständen der vom Gesetz betroffenen Unternehmen bei lediglich 6,7 Prozent lag. Zudem hatten drei Viertel der Unternehmen auf Vorstandsebene gar keine oder "Null" als Zielgröße definiert. Auch die Zahlen bei der ersten und zweiten Managementebene rangierten nur zwischen 11 und 30 Prozent und überschritten eher selten diese Größenordnung. "Wir haben im Moment noch eine Situation, in der über 70 Prozent der Unternehmen einfach sagen, wir setzen uns für Frauen in Führung die Zielgröße Null. Das ist nicht akzeptabel", bewertet Bundesfrauenministerin Christine Lambrecht (SPD) die Situation in deutschen Führungsetagen. Grund genug für die Bundesregierung, in einem zweiten Anlauf dem Gesetz etwas mehr Nachdruck zu verleihen. Insofern trat am 12. August 2021 das Zweite Führungspositionen-Gesetz (FüPoG II) in Kraft. Doch inwieweit greift die neue Gesetzgebung nun härter durch?

Gemäß des neuen FüPoG II sollen jedenfalls Frauen künftig auch bei der Besetzung von Vorstandspositionen stärker berücksichtigt werden. Hier geht man also schon einen Schritt weiter als beim ersten Versuch mit dem FüPoG. Betroffen sind börsennotierte und paritätisch mitbestimmte Unternehmen mit mehr als 2 000 Beschäftigten. Diese müssen nun bei Neubesetzungen von Vorstandsposten immer mindestens eine Frau mit an Bord haben, wenn der Vorstand aus mehr als drei Mitgliedern besteht. Da der Bund mit gutem Beispiel vorangehen möchte, fallen die Regeln für Unternehmen wie die Deutsche Bahn oder die Deutsche Flugsicherung, an denen er mehrheitlich beteiligt ist, sogar noch etwas strenger aus. Hier soll generell bereits bei mehr als zwei Mitgliedern in der Geschäftsführung mindestens eine Frau dabei sein. Wer allerdings jetzt glaubt, die populäre Zielgröße "Null" wäre im gleichen Atemzug mit ausradiert worden, der irrt leider. Dieses Schlupfloch existiert weiterhin. Man muss allerdings begründen (sonst drohen Sanktionen), warum die Zielgröße auf diesen Wert festgelegt wird. Laut Deloitte sollten 100 bis 150 Wörter für eine derartige Begründung genügen. Viel Mühe dürfte das also nicht abverlangen. Aber immerhin sind die Unternehmen dazu angehalten, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Um eine richtige "Frauenquote" handelt es sich beim FüPoG II dennoch nicht - eher nach wie vor um ein "Quötchen". Es bleibt also fraglich, ob dadurch ein ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern in Führungspositionen erreicht werden kann.

Und ist so eine Geschlechterquote überhaupt das richtige Instrument dafür? Schließlich wollen Frauen für gewöhnlich nicht als Quotenfrau abgestempelt werden. Vielmehr sollte es doch um die Eignung einer Person gehen, schlichtweg Qualifikation. Doch genauso wie Frauen sich stellenweise aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert fühlen können, weil mal wieder ein männlicher Kollege die ersehnte Beförderung erhalten hat, birgt die Geschlechterquote die Gefahr, an dieser Stelle einfach nur den Spieß umzudrehen und entsprechend Männer zu diskriminieren, weil jetzt auf Teufel komm raus eine Frau auf diesen oder jenen Posten gesetzt werden soll. Außerdem ist eine generelle Quotierung ein massiver Eingriff in die Autonomie von Unternehmen. Dem pflichtet auch die Vereinigung der deutschen Führungskräfteverbände, kurz ULA, bei. Die ULA befürwortet zwar das FüPoG II in seinen Ansätzen, weist allerdings auch deutlich darauf hin, dass die Regierung an anderen Baustellen vermutlich mehr in Sachen Frauenförderung erreichen könnte. So sei eine Quote nicht aus reichend, um auf "die Ursachen für die unterschiedliche Verteilung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt einzugehen. Dazu gehören immer noch vor allem mangelnde Kinderbetreuungsmöglichkeiten und traditionelle Rollenbilder in Gesellschaft und Familie." Hier sind also vor allem die Kommunen gefragt, um für den Ausbau der Betreuungskapazitäten in der Kinderbetreuung sowie Ganztagsschulen zu sorgen. Denn auch wenn sich klassische Rollenmuster bereits im Wandel befinden, treten viele Frauen nach ihrer Elternzeit keine vollwertige Stelle mehr an, da eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie sonst zu schwierig erscheint. Außerdem sollte die Politik gezielt Maßnahmen im Rahmen der Bildungspolitik treffen, um junge Frauen von den sogenannten MINT-Fächern zu begeistern. Mit mehr Nachwuchs in diesen Bereichen, sollte auch das Argument "es gibt keine Frau für diesen Posten" früher oder später ausgedient haben.

Unternehmen und Politik können bei diesen, für die Frauenförderung notwendigen Rahmenbedingungen, sogar Hand in Hand arbeiten. Denn wenn diese ihre Arbeitszeitmodelle flexibler gestalten und zum Beispiel auch das Führen in Teilzeit ermöglichen, dann können sie davon auch als Arbeitgeber profitieren. Damit steigt zum Beispiel die Leistungsbereitschaft bei den Angestellten. Und nicht nur bei den weiblichen, auch immer mehr Männer fragen nach Führungspositionen in Teilzeit, wie Sofia Strabis (Head of Diversity & Inclusion, Commerzbank) im Redaktionsgespräch mit der ZfgK in dieser Ausgabe berichtet. Es werden auch diverse Maßnahmen ergriffen, die darauf abzielen, eine über alle Ebenen hinweg möglichst diverse Nachbesetzungspipeline aufzubauen, mit einem ausgeglichenen Geschlechteranteil, wie auch Dr. Christoph Auerbach (Personalleiter, Hypovereinsbank) auf Seite 18 in dieser Ausgabe erläutert. In vielen großen Unternehmen Deutschlands sind Themen wie Chancengleichheit, Diversity, Frauenförderung und so weiter also durchaus angekommen und werden ernst genommen!

Natürlich mag das vielleicht auch an dem öffentlichen Druck liegen und daran, dass Gesetze wie das FüPoG II dazu verpflichten, sich mit der Materie auseinanderzusetzen. Dennoch weist das Gesetz auch im zweiten Anlauf Defizite auf. Aber vielleicht baut die Politik an dieser Stelle auch auf das alte Sprichwort: "Aller guten Dinge sind drei"? Die neu gewählte Regierung wird jedenfalls nach der geplanten Evaluierung des Gesetzes erneut über Anpassungen debattieren müssen.

Miriam Veith , Redakteurin , Fritz Knapp Verlag GmbH
Noch keine Bewertungen vorhanden


X