Eierlegende Wollmilchsau

Hanna Thielemann, Redakteurin

"Kind, mach was Solides, geh zur Bank", haben im Laufe der Jahre wahrscheinlich viele Eltern ihren Kindern gesagt. Bodenständig, mit sicheren Berufsaussichten und hohem Ansehen - aber auch ein wenig konservativ. So war lange Zeit das Image des Bankkaufmanns. Aber ist das heute noch immer so? Wie hat sich der Bankberuf verändert und was heißt es heutzutage Banker zu sein? Das Image der Banker hat im Schatten der Finanzkrise ordentlich gelitten. Zu sehr steckt oftmals noch das Bild des rücksichtslosen, abgehobenen und weltfremden Investmentbankers, wie in dem Hollywood-Film "The Wolf of Wallstreet" von 2013 in den Köpfen der Bevölkerung fest. In der Kritik steht dabei besonders das provisionsorientierte Vergütungsmodell, das aus einem vermeintlich neutralen Bankberater letztlich einen Dealmaker, einen reinen Produktverkäufer macht, dessen beruflicher Erfolg nicht vom jeweiligen höchstmöglichen Kundennutzen abhängt, sondern ausschließlich von den meisten Abschlüssen, der höchsten Provision. Und auch wenn viele der Exzesse nur von einigen wenigen Spezialisten des Investmentbankings ausgelebt wurden, die breite Masse der Bankangestellten ordentlich ihren Job erledigt hat und gesetzliche Vorschriften derartige Übertreibungen verhindern helfen, wird die Kreditwirtschaft dieses Bild nicht los.

Dafür sorgen immer wieder die - zu Recht oder Unrecht - dominierenden Negativschlagzeilen in einer Branche, die für die Menschen und die Wirtschaft eines Landes doch eine so bedeutende Rolle spielt. Dabei geht es immer noch um zu hohe Boni, die zweifelhafte Auslegung von Gesetzeslücken bis hin zu echten Betrugsvorfällen wie Zinsmanipulationen oder Geldwäsche, aber auch um eigentlich ganz alltägliche Dinge wie Zinsen und Gebühren. Folgt man der von einem umtriebigen Verbraucherschutz und den Stimmen suchenden Politikern immer wieder gut genährten Volksmeinung, müssten Banken ihre Infrastruktur und Dienstleistungen bitte schön an sieben Tagen die Woche rund um die Uhr nahezu kostenlos zur Verfügung stellen. Allerdings hinterlassen auch Niedrigzinsphase, Konsolidierungen, Filialschließungen, Mitarbeiterkürzungen und Kostendruck ihre Spuren bei Banken und Sparkassen.

Diese Gemengelage trifft dann auf eine immer weiter steigende Komplexität bedingt durch Regulierung und Digitalisierung. Die Bedürfnisse der Kunden verändern sich, viele erledigen ihre alltäglichen Bankgeschäfte online. Diese digitale Kompetenz wird auch von den Mitarbeitern einer Bank erwartet. Denn nach wie vor suchen Kunden, auch wenn sie schon absolut digital aufgestellt sind, doch auch weiterhin die persönliche Beratung, wenn es um Geldanlage oder Finanzierungsangebote geht. Der Banker von heute sollte also beides können, Erfahrung im Online-Angebot haben und zugleich Kompetenz in der persönlichen Beratung vorweisen können. So weit die Theorie.

In der Praxis stellen sich aber noch weitere Probleme: Um vor allem Schüler und Studenten zwischen 14 und 24 Jahren als Kunden zu gewinnen, hat die Sparkasse Krefeld vor zwei Jahren mit ihrer aha!-Filiale eine Art Testlabor eingerichtet. Ein 22-Jähriger und fünf Azubis führen dort die Geschäfte und versuchen, "Dinge wie Girokonto und Online-Banking mit einfachen Worten zu erklären". Denn gerade auf die jugendliche Kundschaft wirken ältere Berater in Anzug und Krawatte oft abschreckend, hat die Bank herausgefunden.

Stichwort Social Media: Die sozialen Netzwerke, der Kommunikationskanal der Zukunft, stellen für die hoch regulierte Bankenbranche bisher noch eine große Herausforderung dar, weil gerade dort strikte Regeln und Vorschriften dominieren, was den ungehinderten Dialog mit den Kunden deutlich erschwert. Aufgrund der hohen Risiken für Image und Reputation bis hin zur Betriebsspionage und dem drohenden Datenverlust ziehen es deshalb die meisten Institute vor, sich nicht allzu intensiv auf Social Media einzulassen. Allerdings stellt auch das schon wieder ein Risiko dar, denn die Meinungsbildung erfolgt heute schon längst nicht mehr über die klassischen Medien, sondern über Plattformen und Chatrooms im Internet, wo teils anonymisierte Unbekannte auch mal "Dampf ablassen".

Darauf muss Bank natürlich reagieren. Entsprechend haben einige Institute mittlerweile eine Präsenz auf Facebook, Twitter oder Youtube etabliert. Die Deutsche Bank stellt zum Beispiel über verschiedene Social-Media-Plattformen aktuelle Informationen bereit. Dazu gehören Tweets, Videos und Bilder sowie abonnierte Nachrichten über personalisierte Kanäle. Während die meisten Banken es bislang bei einer bloßen Kontaktpräsenz auf Facebook belassen, geht etwa die neuseeländische ASB Bank einen Schritt weiter und chattet mit ihren Kunden über den Facebook-Messenger. Das besondere Element dieser weltweit ersten Facebook-Bankfiliale ist, dass die Kunden sich mit echten Bankberatern sieben Tage in der Woche über ihr konkretes Anliegen austauschen können. Banken und Sparkassen müssen sich auch hier noch schneller bewegen, denn die Wechselbereitschaft bei den Bankkunden hat enorm zugenommen. Und die Konkurrenz schläft nicht: Google verfügt mittlerweile über eine europäische Banklizenz, das mobile Bezahlen ermöglichen die Google Wallet und NFC. Facebook Apps werden mit Facebook Credits und dadurch mit Kreditfunktionen kombiniert. Paypal verfügt über eine Vollbanklizenz. Auch andere IT-Größen aus dem geschäftlichen Umfeld könnten vorrücken.

Doch nicht nur Mitarbeiter und Kunden und Technik sind seit der Finanzkrise komplexer geworden, auch der Regulator verlangt dem Banker von heute einiges ab. Mittlerweile gibt es für Compliance eigene Studiengänge, und die Preise für Regulierungsfachleute steigen seit Jahren. Gemeinsam mit den IT-Abteilungen, in denen der digitale Wandel der Bankgeschäfte vorangetrieben werden soll, liegen auf ihnen in den heutigen Finanzinstituten das besondere Augenmerk.

Vor dem Hintergrund des Wunsches nach einer hohen Arbeitsplatzsicherheit und einer ausgewogenen Work-Life-Balance, die bereits seit einigen Jahren bei Nachwuchskräften ganz weit oben auf der Prioritätenliste stehen, sind all das nicht die besten Voraussetzungen im sogenannten "Krieg um Talente". Wer will überhaupt noch in einer Branche arbeiten, in der seit Jahren von Skandalen und Krise die Rede ist und in der nicht mal mehr die Gehälter in den Himmel wachsen? In der Liste der abgeschlossenen Ausbildungsverträge in den am stärksten besetzten Ausbildungsberufen in Deutschland im Jahr 2017 ist die Bankausbildung weit abgeschlagen auf Platz 17, hinter weitaus schlechter bezahlten Berufen wie Friseur, Hotelfachmann oder Koch.

Von einem Banker in einer Führungsposition erwartet seine Bank heutzutage also zunächst mal ein sicheres und eloquentes Auftreten, um das Haus entsprechend zu repräsentieren - auf allen Kanälen natürlich. Er sollte bestens vernetzt bei Kunden und politischen Entscheidungsträgern sein und alle regulatorischen Vorschriften genauestens kennen - selbstredend. Zusätzlich sollte er neben seinen klassischen Bankfähigkeiten digital affin und informiert sein. Und doch bitte schön auch mit der Zeit gehen, über Grenzen hinausdenken, kommende Anforderungen erahnen und keine Angst haben, sich und die Bank zu verändern. Daneben braucht er Ausstrahlungskraft und Durchsetzungsvermögen, Empathie und Gefühl, um Mitarbeiter zu gewinnen, zu formen, zu begeistern und an das Haus zu binden. Aber alles bitte nicht zu teuer, denn in Zeiten des Umbruchs, hat keine Bank Geld zu verschenken. Der heutige Banker ist also die eierlegende Wollmilchsau.

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