Gute Finanzplatzpolitik?!

Miriam Veith, Volontärin, Foto: Verlag Fritz Knapp GmbH

"Wir werden alles tun, um attraktive Rahmenbedingungen am Finanzstandort Deutschland zu ermöglichen", versicherte Kanzlerin Merkel im Jahr 2018 auf einer Veranstaltung der Deutschen Börse zur Zukunft des Finanzstandortes Deutschland in Europa. Denn damals war bereits abzusehen, dass viele Londoner Banken nach dem EU-Austritt Großbritanniens eine neue Orientierung beziehungsweise andere Standorte suchen werden. Ebenso stand die Frage im Raum, wer in Zukunft der führende Finanzplatz in der EU sein wird. Die Standorte Frankfurt, Paris, Dublin, Luxemburg und Amsterdam galten als die aussichtsreichsten Kandidaten für diesen Titel. Und daher wurden die jeweiligen Marketingmaschinerien schnell auf Hochtouren gebracht. Besonders Frankreich ging hierbei sehr offensiv vor. Der französische Staatspräsident François Hollande stellte beispielsweise Steuererleichterungen in Aussicht und auch die regionale Präsidentin, Valérie Pécresse, pries die Stadt Paris in einem Schreiben an über 4 000 Führungskräfte des Finanzplatzes London an.

Deutschland neigt im Gegensatz dazu bekanntermaßen zu einer gewissen Zurückhaltung im Selbstmarketing. So wurde auch der Einsatz Merkels für den Finanzplatz Frankfurt, der das dominierende Zentrum des Finanzsektors in Deutschland darstellt, zu Recht in den hiesigen Medien als "zu spät" kritisiert. Es wurden zwar einzelne Maßnahmen (wie auch von der Kanzlerin angekündigt) umgesetzt, wie zum Beispiel die Flexibilisierung des Kündigungsrechts für gutverdienende Bankmanager, jedoch blieb es bei derartigen, wenigen Einzelmaßnahmen und es kam auch kein Gesamtkonzept zustande. Die Bemühungen der hessischen Landesregierung hingegen, ein aktives Standortmarketing rund um den Finanzplatz Frankfurt zu betreiben - unter anderem reiste der Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir hierfür nach London, um Gespräche mit Bankvorständen zu führen - scheinen trotz des fehlenden Rückenwinds der Bundespolitik durchaus Früchte getragen zu haben.

Denn: Laut dem aktuellen Global Financial Centres Index (GFCI) der Z/Yen Group und des China Development Institute hat Frankfurt deutlich von dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union profitiert. So holte die Stadt um ganze sieben Plätze im weltweiten Standort-Ranking auf und rangiert nun auf Rang 9 von insgesamt 126 Plätzen. Damit hat die Mainmetropole nicht nur San Francisco aus den Top 10 verdrängt, sondern sich als wichtigsten Finanzplatz Kontinentaleuropas - vor Zürich (10), Luxemburg (17) oder Paris (25) - positioniert. Leise, aber nüchterne Argumente scheinen sich also ausgezahlt zu haben.

So wurden nach Angaben der Finanzaufsicht nach dem Brexit-Votum bereits über 60 Lizenzen für Banken, Finanzdienstleister oder Versicherungen vergeben, die ihre Präsenz in Deutschland auf- oder ausbauen wollen. Das erhöht - natürlich auch wie zuvor erhofft - die Anzahl der Arbeitsplätze in der Finanzbranche um 3 600, Tendenz weiter steigend.

Aber: auf diesem Erfolg darf sich nicht ausgeruht werden und auch das gute GFCI-Ranking kann bloß eine Momentaufnahme darstellen, wenn keine kluge Finanzplatzpolitik diese Position langfristig sichert. Das findet auch Gerhard Wiesheu, Präsident der Finanzplatzinitiative Frankfurt Main Finance: "Zum einen ist der Index lediglich eine Annäherung und keineswegs eine präzise Messung, zum anderen ist nach dem Brexit aktuell noch sehr viel im Fluss. Dieser Zustand ist labil und wir dürfen keineswegs die Hände in den Schoß legen. Verfrühte Selbstzufriedenheit ist immer ein schlechter Ratgeber."

Was sollte also für die Zukunft des Finanzplatzes getan werden, damit dieser noch weiter aufblühen kann? Um dieses Ziel zu erreichen, sollte eine wichtige Grundvoraussetzung erreicht werden: Die Bundesregierung sollte mit der hessischen Landesregierung besser zusammenarbeiten und ein Gesamtkonzept für die Stärkung des Finanzplatzes erarbeiten. Es kann eben nichts langfristig erzielt werden, wenn die Politik da nicht an einem Strang zieht. In diesem Zusammenhang sollte unter anderem über das Thema Regulierung diskutiert werden. Denn Deutschland begreift das Thema bislang nicht als eine Chance, sondern vielmehr als ein Instrument zur Schadensbegrenzung.

So entstanden Reformen zur Aufarbeitung der Finanzkrise, denen es an einer ausgewogenen Balance zwischen Regulierung, Freiraum für Innovationen sowie geringen Bürokratiekosten fehlte. Besonders bei kleineren Instituten wurde so der Druck enorm und unverhältnismäßig erhöht. Dabei ist es vermutlich auch nicht förderlich, wenn Deutschland über die Mindeststandards der EU hinausgeht, da dies die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Institute unnötig gefährdet. Es braucht also ein gewisses Augenmaß und vor allem Verhältnismäßigkeit.

Ähnlich sieht es nun hinsichtlich der Causa Wirecard aus, die das Image Deutschlands stark beschädigt hat. Dieses verloren gegangene Vertrauen gilt es natürlich wieder zurückzugewinnen. Jedoch scheint erneut die Reaktion der Bundesregierung in Form des Finanzmarktintegrationsstärkungsgesetzes, kurz FISG, welches auf die Stärkung der Finanzaufsicht sowie strengere Regeln für Wirtschaftsprüfer abzielt, etwas über das Ziel hinauszuschießen. Und das zulasten rechtstreuer, börsennotierter Unternehmen, da sich der Fall Wirecard - nach aktuellem Kenntnisstand zumindest - als eine gewisse Ausnahme erweist, wobei mit einem Höchstmaß an krimineller Energie auf Managementebene agiert wurde. Dies könnte der Standortattraktivität Deutschlands am Ende dann doch mehr schaden als nutzen.

Es ist daher viel wichtiger, den Blick für die Zukunft des Finanzplatzes Deutschland nach vorn zu richten und zielorientierte Maßnahmen daraus abzuleiten. Gerade Verbesserungen in zukunftsweisenden Bereichen wie der Nachhaltigkeitsfinanzierung oder Digitalisierung sind hier essenziell. So sollten beispielsweise die Themen Big Data und KI als wesentliche Innovationstreiber im Finanzbereich aufgegriffen und gefördert werden. Denn diese Technologien werden das Geschäft der Zukunft bestimmen, und wer sich hier stark positionieren will, muss anfangen neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Dafür braucht es vor allem mehr Fachkräfte. In Deutschland kommen jedes Jahr gerade einmal rund 14 000 Informatiker an deutschen Hochschulen zu ihrem Abschluss. Kein Wunder, dass die Absolventen heiß umkämpft werden. Banken sollten daher an ihrem Image und beispielsweise an ihrer meist hierarchisch geprägten Struktur arbeiten, um für diese Zielgruppe als Arbeitgeber attraktiver zu werden.

Apropos attraktiver werden: Auch die Förderung der Start-up-Szene sowie verbesserte Rahmenbedingungen für börsennotierte Unternehmen können maßgeblich zur positiven Entwicklung eines Finanzplatzes beitragen. Denn sie sind "die Motoren für Wachstum und Wohlstand, Investitionsobjekte für Investoren und Privatanleger, Bezugspunkte von Indizes und Derivaten sowie attraktive Kunden für Banken und andere Dienstleister", erklärt der Präsident des Deutschen Aktieninstituts, Dr. Hans-Ulrich Engel. Die Anziehungskraft des Finanzplatzes hänge zudem nicht nur von allgemeinen Standortfaktoren ab. Auch das Kapitalmarktumfeld und die Regeln für Unternehmen an der Börse würden über diese bestimmen.

Der eher unterentwickelten Aktienkultur Deutschlands mit ihren wenigen Börsengängen sollte also mehr Leben eingehaucht werden. Denn im Hinblick auf Letzteres hätte es bereits ein deutlich zu hörender Weckruf sein sollen, dass sich Unternehmen wie Curevac oder Biontech für die New Yorker statt Frankfurter Börse entschieden haben. Scheinbar hat das deutsche Standortmarketing an dieser Stelle noch nicht überzeugt und auch Erfolgsgeschichten wie bei Zalando oder Hello Fresh stellen zurzeit eher Ausnahmen dar. Es gibt also noch viel Nachholpotenzial, und eine gute Finanzplatzpolitik bedeutet auch, die Interessen aller Finanzmarktakteure im Blick zu behalten sowie auf die jeweiligen Bedürfnisse eingehen zu können. Hieran dürfte die deutsche Politik an vielen Stellen noch kräftig zu tüfteln haben, um das Potenzial für mehr Wohlstand, Arbeitsplätze, Wachstum und Innovationen ausschöpfen zu können. Die Basis hierfür sieht eigentlich gar nicht mal schlecht aus, es sollte aber verstärkt an einer umfassenden Strategie zur Fortentwicklung gearbeitet werden, um am Ende nicht doch den Rang abgelaufen zu bekommen.

Linkedin
Twitter
Xing

Miriam Veith , Redakteurin , Fritz Knapp Verlag GmbH
Noch keine Bewertungen vorhanden


X