Hausbank auf dem Prüfstand

Miriam Veith Redakteurin, Foto: M. Veith

Die Hausbank ... schon das Wort klingt heimelig und nach einem Ort, an dem sich die eigenen Finanzen in sicheren Händen befinden. Doch obwohl diese nahezu exklusive, langfristig ausgelegte und auf gegenseitigem Vertrauen fußende Bindung zwischen Bank und Kunde sich immerzu und besonders in Krisenzeiten bewährt hat (zum Beispiel während der Corona-Pandemie), steht sie heutzutage auf dem Prüfstand. Denn immer mehr Verbraucher entscheiden sich dazu, mehrere Banken zu nutzen.

Während laut einer Studie des Marktforschungsinstituts drei.fakt zwar immer noch 51 Prozent der Befragten nur eine einzige Bankverbindung haben und damit auch lediglich eine Kunde-Bank-Beziehung pflegen - vor allem Frauen scheinen hier noch loyaler unterwegs zu sein als Männer - fahren die übrigen Studienteilnehmer mit zwei oder mehr Bankverbindungen bereits mehrgleisig. Im Durchschnitt hat jeder Mann 1,7 Bankverbindungen, 1,6 sind es bei den Frauen. Außerdem ist das Mehrfach-Banking bei den jüngeren Altersgruppen (bis 49 Jahre) beliebter, zur loyalsten Zielgruppe gehören die 50- bis 69-Jährigen.

Je mehr Bankverbindungen ein Kunde hat, desto weniger Ertrag bleibt logischerweise bei den einzelnen Häusern hängen. Ärgerlich also für die Institute, wenn die Kunden ihre Hausbank auch noch wechseln wollen. Wie aus den Ergebnissen der Digital Finance 2021 Bitkom-Studie hervorgeht, haben 47 Prozent der befragten Kunden schon einmal ihr Haupt-Girokonto gewechselt. Fast drei Viertel (73 Prozent) davon haben die Bankverbindung sogar bereits dreimal oder öfter geändert. Vor fünf Jahren war nicht einmal ein Viertel (23 Prozent) mit dem Hauptkonto umgezogen - und von ihnen hatten auch gerade einmal 26 Prozent drei Wechsel oder mehr angegeben. Aber wie sind das Mehrfach-Banking und die zunehmende Wechselwilligkeit zu erklären?

Zum einen gehen die Wechsel heute (anders als noch vor einigen Jahren) ohne viel Aufwand oder Kosten von der Hand. So ist die neue Bankverbindung online oft nur noch wenige Klicks entfernt. Zum anderen lieben die deutschen Verbraucher eine gründliche Recherche, wenn es um Vertragsabschlüsse oder eine Kaufentscheidung geht. Das ist bei Autoversicherungen, Stromanbietern oder Telefonverträgen so und bei Finanzen mittlerweile nicht anders. Da werden die Anbieter genau miteinander verglichen in Bezug auf Preise, Leistungen und Qualität. Die zunehmende Transparenz, wenn auch von manchen Verbraucherschützern immer noch als zu gering erachtet, macht dies möglich.

Obendrein dürften die in den vergangenen Jahren von vielen Banken eingeführten Strafzinsen - welche aber eigentlich eine geradezu notwendige Reaktion der Häuser auf die Geldpolitik der EZB darstellen - dazu geführt haben, dass einige Kunden ihr Geld auf mehreren Konten verteilt haben, um den Mehrkosten zu entgehen. Wer sich dann schon einmal mit der Basis, also dem Girokonto, einer anderen Bank wohlfühlt, wird vielleicht im weiteren Verlauf von zusätzlichen Produkten des Konkurrenten überzeugt oder zieht gleich komplett um und macht diese Bank nun zur neuen Hausbank.

Zudem nimmt der Spezialisierungsgrad bei Finanzdienstleistungen immer mehr zu. Längst geht es in einer Kunde-Bank-Beziehung nicht mehr nur um Konto, Depot und Kredit. Das stellt die klassischen Universalbanken wie Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken immer wieder vor die schwierige Entscheidung, was denn nun alles in das eigene Angebot aufgenommen werden soll. Aktuelles Beispiel: Kryptowährungen. Während sich die Volks- und Raiffeisenbanken dem Thema Kauf, nicht Beratung in einem Pilot zumindest annähern, lehnen die führenden Sparkassen-Verantwortlichen beides bislang noch recht kategorisch ab. Kunden, die in Kryptos investieren wollen, bleibt da gar nichts anderes übrig, als einen anderen, geeigneten Partner für dieses Thema zu suchen.

Alles in allem bleibt festzuhalten: Die Bankkunden sind heute deutlich selbstbewusster und kritischer sowie qualitäts-, preis- und renditebewusster als das noch in früheren Zeiten der Fall war. Dadurch nimmt nicht nur die Verhandlungsmacht der Kunden zu, auch der Konkurrenzkampf zwischen den Kreditinstituten steigt. Die stark wachsende Konkurrenz durch Online-Banken, Neo-Banken und Fintechs, die zweifelsohne nicht nur den Wettbewerb weiter anheizen, sondern auch durch ihren hohen Digitalisierungsgrad und ihre enorm kundenzentrische Ausrichtung besonders bei jungen Kunden beliebt sind, tun obendrein ihr Übriges. Die Akzeptanz von Internetanbietern nimmt nämlich gemäß der Privatkundenstudie 2020 von Investors Marketing zu. Bereits 33,4 Prozent der Kunden können sich vorstellen, in Zukunft ein Girokonto bei Paypal zu eröffnen. 30 Prozent würden sogar ihr Gehaltskonto verlagern, um weiterhin Apple Pay oder Google Pay nutzen zu können. Hat sich das deutsche Hausbank-Modell also schon längst überholt?

Jein. Natürlich hat sich die Kunde-Bank-Beziehung in den vergangenen Jahren deutlich gelockert, die Hausbank an sich wird dadurch aber nicht gleich überflüssig, sie muss sich stattdessen schlichtweg neu erfinden und ihr Modell muss permanent neu definiert werden. Womit die Hausbank der Zukunft vor allem - in Zeiten, in denen Produkte weitestgehend austauschbar sind - punkten muss, ist ein ganzheitlicher Ansatz bei der Beratung und Betreuung. Die Beratung darf sich nicht mehr nur auf die Produkte stützen, der Berater muss sich vielmehr als Begleiter über alle Lebensphasen hinweg begreifen. Natürlich müssen dabei diese acht Faktoren für die Kunden auch stimmen: Komfort, Beziehung, Kompetenz, Fairness, Service, Individualität, Wertschätzung und Innovation. Je besser die Bank diese kundenzentrischen Anforderungen erfüllt, desto loyaler wird der Kunde sein.

Außerdem gilt es, neue Kunden über andere Wege als die Filiale zu gewinnen. Zu diesem Zweck muss das Angebot medial-digitaler Dienstleistungen gestärkt werden. Entsprechend ist es an der Zeit, die Kundschaft proaktiv anzusprechen und ihnen maßgeschneiderte Angebote zu unterbreiten. Noch machen die universellen Hausbanken dies viel zu selten. So entschied sich gut ein Viertel der Kunden für einen Wettbewerber, nachdem ihnen gezielte Offerten unterbreitet worden waren. Hätte die Hausbank ein konkurrenzfähiges Angebot vorgelegt, wären ihr drei Viertel dieser Kunden treu geblieben, so eine kürzlich veröffentliche Umfrage der Unternehmensberatung Bain & Company unter rund 7 100 Kunden deutscher Banken.

Apropos Treue: Die Kunde-Bank-Beziehung muss heutzutage nicht zwingend von monogamer Natur geprägt sein, vielmehr geht es um Langfristigkeit. Schließlich kann nicht jede Bank absolut alles anbieten. Das muss sie aber auch nicht. Die Genossenschaftsbanken gehen mit ihrem eng miteinander verzahnten Verbundsystem hier mit gutem Beispiel voran. Anstatt dass der Kunde von einem Produktspezialisten zum anderen weitergereicht wird, werden ihm diese an die Hand gegeben. Der Kundenberater bleibt dabei also der souveräne Ansprechpartner und Vermittler der spezifischen Leistungen der Verbundinstitute.

Die räumliche oder persönliche Nähe spielt bei dieser Art von Beziehung aber nicht mehr für jeden Kunden eine vordergründige Rolle. Auch klassische Öffnungszeiten sind kein Modell mehr mit Zukunft. Klar muss einfach sein, dass man sich auf die Bank beziehungsweise seinen Berater verlassen kann - und zwar als Problemlöser. Wer zum Beispiel im Urlaub feststellt, dass die Karte nicht mehr funktioniert, braucht eben (auch hier wieder) einen Ansprechpartner, der in der Lage ist, sofort zu helfen. Und gerade an dieser Stelle zeigt sich der besondere Wert - der USP der Hausbank wenn man so will - den die Institute noch viel stärker in den Fokus stellen sollten. Schließlich lässt sich die Kunde-Bank-Beziehung auch irgendwie mit einer Freundschaft vergleichen. Und wann beweist sich eine gute Freundschaft? Genau, dann, wenn es mal schwierig wird. Jede Krise, sei es die Finanzkrise, die Corona-Pandemie oder der derzeitige Ukraine-Krieg haben bereits bewiesen, dass man die dann notwendige Unterstützung am besten bei seiner Hausbank findet. In diese Freundschaft sollten also nicht nur die Banken, sondern auch die Kunden bereit sein, zu investieren. Das sollte der ein oder andere Wechselwillige im Hinterkopf behalten.

Miriam Veith , Redakteurin , Fritz Knapp Verlag GmbH
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