Landesbanken: Die Idee lebt

Dr. Berthold Morschhäuser, Chefredakteur, Foto: Fritz Knapp Verlag GmbH

Wenn der äußere Druck nur groß genug und die verbleibende Zeit zur Entscheidungsfindung entsprechend eng wird, liefert die Sparkassenorganisation. Dieses Muster zeigt sich auch rund um die Kapitalaufstockung und Neuordnung der Nord-LB. Anfang Februar dieses Jahres haben sich die Eigentümer auf einen Lösungsvorschlag des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes festgelegt, der nun weiter konkretisiert und mit den Aufsichtsbehörden sowie unter beihilferechtlichen Aspekten mit der EU-Kommission abgestimmt werden soll.

Parallel dazu haben der Nord-LB-Vorstand und die Träger den Verkauf eines Teils des Schiffsfinanzierungsportfolios der Landesbank in einem Volumen von rund 2,7 Milliarden Euro an einen externen Investor und die Bildung einer zusätzlichen umfangreichen Risikovorsorge für das gesamte NPL-Portfolio beschlossen. Angesichts einer Gesamtrisikovorsorge von bis zu 2,5 Milliarden Euro hat der Nord-LB-Konzern für 2018 einen Jahresverlust von zirka 2,7 Milliarden Euro nach Steuern angekündigt, der die harte Kernkapitalquote auf 6 bis 6,5 Prozent absinken lässt. Den Regulatoren ist das bereits angezeigt. Die Bank ihrerseits hat sich proaktiv auf einen Kapitalplan eingestellt, den die Regulatoren in solchen Fällen von eigenkapitalschwachen Banken anfordern. Der Sprachregelung ihrer Adhoc-Mitteilung nach soll die Kernkapitalquote der neu geordneten Nord-LB mithilfe der konkreten Ausgestaltung des DS-GV-Plans auf mindestens 14 Prozent gebracht und nachhaltig dort gehalten werden.

Um den auf bis zu 3,7 Milliarden Euro veranschlagten Kapitalbedarf zu decken, will das Land Niedersachsen rund 1,5 Milliarden Euro beisteuern und die Sparkassenseite einschließlich Sicherungseinrichtungen soll ebenfalls einen Milliardenbetrag liefern, wobei auch die zur Disposition stehende Herauslösung der Braunschweigischen Landesbausparkasse (BLS), LBS-Nord und Deutsche Hypo Aussicht auf Mittel aus dem Sparkassensektor geben. Das zuvor in einem Bieterverfahren unterbreitete gemeinsame Angebot der beiden Finanzinvestoren Cerberus und Centerbridge haben die Träger zunächst zurückgestellt.

Am Ende ist das alles schnell gegangen. Die Offerte des öffentlich-rechtlichen Lagers hatte erst wenige Tage vorher die Zustimmung der Gremien gefunden und war schon am Folgetag mit den Aufsichtsbehörden erörtert worden. Die Entscheidung der Eigentümer für das Modell des Sparkassensektors binnen eines Wochenendes muss indes nicht wirklich überraschen. Schließlich hatten in den Monaten zuvor die Träger und die Verantwortlichen abseits und innerhalb der Gremienarbeit hinreichend Gelegenheit für ein Ausloten der Möglichkeiten. Der nun angekündigt Teilverkauf des Schiffsfinanzierungsportfolios, die Bildung der zusätzlichen Risikovorsorge und der Ausweis des Jahresverlustes gehörte offenbar zu den Gedankenspielen.

So wohl kalkuliert und nüchtern freilich wie diese Schilderung es vermittelt, ist die Entscheidungsfindung zumindest in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit nicht abgelaufen. Im Gegenteil, dass es doch noch zu einem gemeinsamen Vorschlag des Sparkassenlagers kommen würde, war angesichts der verworrenen Diskussionslage für Außenstehende zuletzt kaum abzusehen. Dabei hatte alles ganz normal angefangen. Bei der Bilanzpressekonferenz im Frühjahr 2018 hatte die Nord-LB eingeräumt, dass ihre Kapitalausstattung den Ratingagenturen nicht genügt und ein Engpassfaktor für die weitere Entwicklung bleiben könnte. Stand damals war man sich mit den Trägern einig, ergebnisoffene Gespräche über eine Lösung innerhalb der Sparkassenorganisation führen zu wollen - bis hin zu einer Öffnung für privates Kapital. Als dann von der Bank im Herbst 2018 ein formelles Bieterverfahren für eine Minderheitsbeteiligung ausgerufen wurde, war plötzlich oder doch wohl kalkuliert als Lösungsansatz auch die eigentlich alte Idee einer Superlandesbank mit den Sparkassen als Eigner im Spiel.

Für die breite Öffentlichkeit wirkten solche Planspiele rund um eine grundsätzliche Neuordnung der Sparkassenlandschaft hochgradig irritierend. Denn parallel zu dem angestoßenen Bieterverfahren mit vier Interessenten und einem anspruchsvollen Zeitrahmen bis Jahresende 2018 klang diese Idee wie eine Gegenveranstaltung. Angesichts des höchst komplexen Regelungsbedarfs mit einer Vielzahl von Eigentümern und damit höchst unterschiedlichen Interessenlagen mussten neutrale Betrachter dieser Idee nun endgültig den Eindruck haben, als habe die S-Gruppe in Sachen Nord-LB überhaupt keinen Plan und sei hoffnungslos zerstritten. Als schließlich die Helaba zur Ablauffrist der Bieterphase ein halbherziges Angebot abgab und nach Einblick in den Datenraum in der zweiten Bieterrunde den Rückzug antrat, schien das Feld komplett den privaten Investoren offenzustehen. Selbst manchem der direkt Beteiligten im gesamten Sparkassensektor und auf der Eigentümerseite der Nord-LB dürfte zeitweilig nicht immer ganz klar gewesen sein, wer sich im Poker um Interessen und die Begrenzung der eigenen finanziellen Belastung noch wohin bewegen würde.

Wenn DSGV-Präsident Helmut Schleweis nun Anfang Februar vor dem Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten in Sachen Nord-LB betont entspannt auf die einstimmige Entscheidung von vier Sparkassengremien verweist, spiegelt das die allgemeine Einsicht wider, gegenüber den nationalen und europäischen Aufsichtsbehörden sowie der EU-Kommission die Funktionsfähigkeit der Sicherungssysteme unter Beweis stellen zu müssen. Gelöst ist die Neuordnung und Redimensionierung der Nord-LB mit der derzeitigen Entscheidungslage allerdings noch lange nicht. Denn die anstehenden Fragen wie etwa die angedachte Herauslösung der BLS, der LBS-Nord und der Deutschen Hypo wie auch die Einbindung der Sicherungseinrichtungen in die Kapitalzuführung dürften Auswirkungen auf die Beteiligungsverhältnisse haben und dem DSGV Mitspracherechte sichern. Und mit welchen Bereichen soll die künftige Nord-LB die Aufseher von einem nachhaltigen Geschäftsmodell überzeugen?

Insofern ist es bemerkenswert, dass Helmut Schleweis offensiv an seiner Vision von einer einzigen Landesbank im Besitz der Sparkassen festhält. Bei den derzeitigen Eigentümerverhältnissen mit hohen Anteilen der öffentlichen Hand wären knifflige Fragen zu lösen, die das zunächst anstehende Projekt Nord-LB weit in den Schatten stellen. Dabei räumt der DSGV-Präsident ein, dass er lediglich für seine Vision werben und die Moderation übernehmen kann, aber jede Entscheidung den jeweiligen Eigentümern überlassen muss.

Doch er setzt wohl auf das Momentum der derzeitigen Stimmung. Bei den Sparkassen spürt er eine emotionale Zuneigung zu einer von der Primär ebene getragenen Landesbank. Das gilt auch für eine Bündelung der Kräfte zur Vermeidung von Doppelarbeiten etwa im Auslandsgeschäft, Asset Management oder dem Direktgeschäft à la DKB. Vonseiten der Bundesländer hat die Politik in Niedersachsen schon signalisiert, im Rahmen einer Landesbankenkonsolidierung über ihren künftigen Anteil an der Nord-LB neu nachdenken zu wollen. Auch die Regulatoren würden sich dem Ziel einer einzigen Landesbank mit Zentralbankfunktion kaum entgegenstellen. Sie würden allerdings sorgfältig prüfen, ob diese nachhaltig überleben kann, zumal Konstruktionen wie die wieder ins Spiel gebrachte vertikale Integration nicht in das Konzept des DSGV-Präsidenten passen.

Übrigens: Mit einem Beihilfeverfahren aus Brüssel rund um die Nord-LB-Lösung rechnet der DSGV-Präsident nicht mehr. Er gibt sich vielmehr zuversichtlich, das DSGV-Konzept unter Berücksichtigung des Private Investor Tests im Bieterverfahren mit den Regulatoren und der EU-Kommission im Dialog so gestalten zu können, dass dieser Weg vermieden wird.

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