Der lange Weg

Philipp Otto

Foto: Fritz Knapp Verlag

Ob Christian Sewing ahnte, wie beschwerlich die Aufgabe sein würde, als er einen der ehedem begehrtesten Jobs im deutschen Bankgewerbe übernahm? Als Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank steht man in einer Reihe mit Hermann Josef Abs, Friedrich Wilhelm Christians, Alfred Herrhausen, Hilmar Kopper, Rolf-E. Breuer und Josef Ackermann. Man hat eine besondere Funktion für den Finanzplatz Deutschland, ist Spinne im Netz der Industrie und der Realwirtschaft in der Bundesrepublik und war in Bonn und ist in Berlin stets gern gesehen als Ratgeber und Unterstützer. Bei wichtigen Geschäften mit anderen Ländern in dieser Welt hat man nicht nur eine Vorreiterrolle, sondern mitunter fast so etwas wie einen politischen Auftrag. Man muss es sich aber auch auf einem der Schleudersitze der deutschen Kreditwirtschaft bequem machen. Fünf Vorstandsvorsitzende in zehn Jahren, das gab es in der Geschichte der Deutschen Bank noch nicht. Man muss einer verunsicherten und gespaltenen Mitarbeiterschar wieder den Glauben zurückgeben, für wen und für was sie arbeiten. Man muss eine neue Rolle in einer globalisierten Welt finden.

Man muss Anschluss an die Wettbewerber halten, die regulatorisch klüger behandelt enteilen. Man muss endlich dafür sorgen, dass die Deutsche Bank nicht mehr bei jeder Unanständigkeit, die im Finanzgewerbe weltweit passiert, irgendwie und irgendwo dabei ist. Man muss die richtige Balance finden, zwischen den Wurzeln in Deutschland, die stabiles, wenn derzeit auch kein einträgliches Geschäft bringen, und den Kapitalmarktakteuren in London und New York. Und man muss endlich wieder Erfolge zeigen, da geht es Christian Sewing nicht anders als Niko Kovac oder Jogi Löw. Denn nur mit dem Erfolg kommt das Selbstbewusstsein wieder, das diese Bank immer so ausgezeichnet hat. Und nur mit dem Erfolg verstummt so langsam auch das Rauschen in den Medien.

Doch der Weg ist lang. 6,8 Milliarden Euro, 1,4 Milliarden Euro, 0,5 Milliarden. Das sind die Ergebnisse der vergangenen drei Jahre von Deutschlands immer noch größtem Bankhaus. Im negativen Sinn wohlgemerkt, sprich dies sind die Verluste. Damit soll nun endlich Schluss ein. "Wir sind auf gutem Wege, das Gesamtjahr 2018 mit einem Gewinn abzuschließen - zum ersten Mal seit 2014", lässt sich der Vorstandsvorsitzende anlässlich der Veröffentlichung der Ergebnisse zum dritten Quartal zitieren. Allerdings stellt dieses Quartal erst einmal wieder einen kleinen Rückschritt dar. Im Sommer noch gefeiert, als das zweite Quartal die Erwartungen deutlich übertraf, wurde die Deutsche Bank nun abgestraft. Denn Erfolge lediglich auf der Kostenseite helfen nicht mit Blick auf eine nachhaltig profitable Bank. Und die Wende bei den Erträgen lässt immer noch auf sich warten. Das ist ein Problem. Im dritten Quartal steht unter dem Strich ein Ergebnis von 229 Millionen Euro, was einen Rückgang gegenüber dem Vorjahresquartal von 420 Millionen Euro und dem zweiten Quartal von 172 Millionen Euro entspricht. Es fehlt ganz einfach die Kontinuität. Die größte US-amerikanische Bank JP Morgan hat im dritten Quartal einen Gewinn von mehr als 8,4 Milliarden US-Dollar erzielt, der Gewinn pro Aktie lag bei 2,34 US-Dollar. Das sind über 30 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.

Natürlich lassen sich der amerikanische und der europäische Wirtschaftsraum kaum bis gar nicht vergleichen. Und natürlich ist auch die Situation für die Banken höchst unterschiedlich, denn während die einen zwar einen unberechenbaren Präsidenten haben, haben die anderen keinen Zins. Während die einen den Instituten nach und nach wieder mehr Freiheiten gewähren und dem unternehmerischen Geschick vertrauen, ziehen die anderen die regulatorischen Fesseln immer weiter an. Und natürlich zeigt sich inzwischen auch, dass die Zwangskapitalisierung der US-Banken nach dem Ausbruch der Finanzkrise die richtige Entscheidung war, ermöglichte sie doch sehr viel schneller wieder normales Wachstum. Entsprechend hat sich die Deutsche Bank längst von ihrem globalen Anspruch verabschiedet und kann in der Liga der Weltelite nur noch in einigen wenigen Geschäftsfeldern mitspielen. Aber es zeigt, wo die Reise mit hoffentlich anhaltenden Good News hingehen muss.

Doch noch sieht es anders aus. Während die Erträge im Jahresvergleich einen Rückgang um 602 Millionen oder gut 9 Prozent zu verzeichnen hatten, gelang auf der Kostenseite zwar eine leichte Verbesserung, aber eben nur um ein Prozent oder 50 Millionen Euro auf 5,5 Milliarden Euro. Entsprechend ist die Aufwand-Ertrag-Relation auf wieder 0,9 gestiegen. Nach neun Monaten stehen Erträge von 19,74 Milliarden Euro Kosten von 17,82 Milliarden Euro gegenüber. Die Eigenkapitalrendite nach Steuern sank von 4,1 Prozent auf magere 1,7 Prozent, das Ergebnis je Aktie von 72 Cent auf 19 Cent. All das lässt keinen Spielraum für Wachstum und nicht viel Fantasie für eine baldige Trendwende. Entsprechend hat der Aktienkurs keineswegs die "10" ins Visier genommen, sondern ist - in einem allgemein sehr schwachen Markt, muss man fairerweise hinzufügen - wieder auf unter neun Euro gefallen. Im mehrjährigen Vergleich zeigt sich aber auch, dass nicht allein der Ertragsrückgang das Problem ist. Vielmehr wird die Schere zwischen Aufwand und Ertrag immer schmaler.

Wie aber soll es nun weiter- und endlich wieder aufwärtsgehen? "Um unseren Anspruch zu erreichen, nehmen wir vier Ziele in den Blick. Erstens: Wir brauchen eine einfache und effizientere Struktur mit sorgfältig ausgesuchten Produkten und Standorten, wettbewerbsfähigen Kosten und einer guten Infrastruktur. Zweitens: Wir wollen weniger Risiken, beispielsweise bei Geschäften in Hochrisikoländern. Drittens: Wir wollen unsere Kapitalstärke verbessern. Und viertens: Wir wollen, dass die Deutsche Bank besser und disziplinierter geführt wird. Dazu bilden wir neue Teams, stärken die persönliche Verantwortung und passen das Vergütungssystem an, um Leistung und Verhalten besser zu berücksichtigen." So formulierte es Christian Sewing in einem Interview. Zum Glück gibt es neben den nackten Zahlen auf diesem Weg auch Erfolge zu verkünden: So kommt die Deutsche Bank beim Umbau der Unternehmens- und Investmentbank offensichtlich voran. Und man freut sich laut Quartalsbericht darüber, im Beratungs- und Emissionsgeschäft (Corporate Finance) im dritten Quartal bei sechs der zehn größten Transaktionen gemessen an den Gebühreneinnahmen dabei gewesen zu sein. Damit sei das dritte Quartal in diesem Bereich das erfolgreichste der vergangenen fünf Jahre. Und auf der Retailseite komme die Integration des deutschen Privat- und Firmenkundengeschäfts der Deutschen Bank und der Postbank gut voran.

Allerdings kommt die Bank auch nicht zur Ruhe. Erhebliche Mittelabflüsse bei der Fondstochter haben den Chef der Sparte gerade den Kopf gekostet. Die zumindest von außen betrachteten zähen Vertragsverhandlungen mit dem Chef der Investmentbank Garth Ritchie werfen auch kein gutes Licht auf den Führungsstil. Die Besetzung des Aufsichtsrates mit vorrangig ausländischen Kandidaten, die teils eine nicht unbelastete Investmentbankvergangenheit haben, machen eine Repositionierung als heimatverbundene Bank nicht gerade leichter. Dazu kann Sewing nichts, sondern er muss mit den Entscheidungen eines Aufsichtsratschefs leben, der bei diesen keineswegs immer ein glückliches Händchen bewiesen hat. Aber all das perlt an Paul Achleitner ab wie an Teflon.

Der Weg zurück zur Normalität ist lang. Hoffentlich bleibt Sewing die Zeit, seinen Weg zu gehen. Und hoffentlich zwingt man ihn nicht in eine Fusion mit der Commerzbank. Deutschland braucht mehrere starke deutsche Banken.

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X