Schluss mit lustig

Miriam Veith Redakteurin, Foto: M. Veith

"Bankfilialen sind soooo 90er" heißt es in einem Werbespot der populären Neobank N26, die vor allem Kunden, die jünger als 35 Jahre alt sind, für sich begeistern kann. Mit dem Mindset, ein Girokonto komplett per App eröffnen und verwalten zu können, hat sich das 2013 von den Wienern Valentin Stalf und Maximilian Tayenthal gegründete Fintech-Start-up schnell zum digitalen Vorbild in Europa entwickelt. So verfügt die Berliner Neobank aktuell über 7 Millionen Kunden in 25 Ländern sowie rund 1 500 Angestellte, Tendenz steigend - eine immense Leistung in dieser noch recht jungen Unternehmensgeschichte!

Das schnelle Wachstum kommt vor allem bei den hochkarätigen Investoren von N26 sehr gut an. Zu diesen gehören unter anderem der deutsche Versicherungskonzern Allianz, der Staatsfonds GIC aus Singapur, der chinesische Internet-Riese Tencent, Earlybird und der deutsch-amerikanische Investor Peter Thiel. Da mittlerweile eine Unternehmensbewertung in Höhe von 10 Milliarden US-Dollar angestrebt wird, kann man durchaus auch schon mal einen Börsengang ins Visier nehmen: "Mit den Investoren, die wir an Bord bekommen haben, machen wir auch einen ganz wichtigen Schritt in Richtung Börsengang in den kommenden Jahren", äußerte sich Gründer Valentin Stalf bei einer vergangenen Finanzierungsrunde. Doch was macht die Neobank eigentlich neben gutem Marketing oder einer modern gestalteten App so erfolgreich? Die beiden Gründer haben offenbar einen gewissen Zeitgeist beziehungsweise Nerv in der Gesellschaft getroffen. Schließlich verzichtet N26 gänzlich auf eigene Bankfilialen in einer Zeit, in der die Relevanz dieser Standorte kontinuierlich in ihrer Bedeutsamkeit abnimmt.

Dass Bankgeschäfte immer häufiger am PC oder per Smartphone erledigt werden, zeigen auch die Ergebnisse einer Umfrage der Beratungsgesellschaft Kantar, welche im August 2021 rund 1 000 repräsentative Bankkunden im Auftrag des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) befragt hatte: Wer die Filiale aufsucht, tut das oft nur noch, um einen Geldautomaten oder Kontoauszugsdrucker anzusteuern. Rund 60 Prozent der Erwachsenen in Deutschland nutzen stattdessen das Online-Banking oder mobile Zugänge etwa über das Smartphone, um zumindest einen Teil ihrer Bankgeschäfte zu erledigen. Mehr als die Hälfte (51 Prozent) nutzt solche Kanäle mehrmals in der Woche oder gar mehrmals täglich. Allein bei den über 60-Jährigen wird Online- oder mobiles Banking noch eher zurückhaltend genutzt (39 Prozent). Der Trend zum Filialsterben, der noch einmal einen kräftigen Schub durch die Corona-Pandemie erhalten hat, dürfte weiter zunehmen. Denn "[...] wer erfahren hat, wie komfortabel sich Bankgeschäfte digital erledigen lassen, wird dabei auch bleiben", stellt BdB-Hauptgeschäftsführer Andreas Krautscheid fest. Und genau an dieser Stelle macht N26 beispielsweise mit der einfach zu bedienenden App, die in ihrer Nutzungsweise absolut kundenzentrisch ausgerichtet ist, schon seit der Geburtsstunde vieles richtig und kann daher Marktanteile von der etablierten Konkurrenz gewinnen, die beim Thema Digitalisierung bekanntermaßen oftmals stark hinterherhinkt.

Doch kann die Neobank ihr verheißungsvolles Werbeversprechen "Die Bank, die du lieben wirst" denn wirklich halten und stehen die etablierten Institute tatsächlich im Vergleich irgendwie schlechter da? - Nein, absolut nicht. Denn N26 ist zweifelsohne in zu kurzer Zeit viel zu stark gewachsen. Und ganz nebenbei erwähnt auch heute noch nicht profitabel unterwegs. Da die Gründer zudem selbst keine langjährige Bankerlaufbahn aufweisen können und sonst auch eher auf technikaffine, statt beispielsweise regulatorisch bewanderte Mitarbeiter gesetzt haben, sind seit einigen Jahren diverse Probleme im Risikomanagement, vor allem in den Bereichen Informationstechnologie und Auslagerungsmanagement, sowie Mängel bei der Terrorismus- und Geldwäscheprävention und beim Kundenservice aufgetaucht. Ganz so einfach, wie sich die jungen Wiener das Bankendasein und die Revolution der gesamten Branche vorgestellt haben, ist es dann nämlich doch nicht. So wurde in den Medien darüber berichtet, dass sich immer mehr Kunden auf Bewertungsportalen negativ gegenüber N26 aussprechen. Häufig genannt wurde in den Kommentaren, dass Kundenkonten ohne nachvollziehbare Gründe einfach geschlossen würden (was absolut existenzbedrohend sein kann!), die Bank schlecht erreichbar sei oder bei Kontakt keine ordentliche Hilfestellung angeboten werde.

Besonders prekär stellt sich die Situation für die Kunden dar, die Opfer von Betrug beziehungsweise Geldwäsche werden. Denn N26 scheint als mobile Bank besonders beliebt bei Cyberkriminellen zu sein. Und diese müssen dafür nicht mal außerordentliche Hackerskills aufweisen: Gehackte N26-Konten gibt es bereits für kleines Geld im Darknet zu kaufen. Zudem wird sich dort auch rege darüber ausgetauscht, welche kriminellen Methoden gut funktionieren. Die Achillesferse stellt bei diesem Sicherheitsproblem - und man sollte doch meinen dürfen, dass gerade das Thema Sicherheit bei Banken besonders großgeschrieben wird - das Foto- und Videoidentverfahren bei den Kontoeröffnungen bei N26 dar. So wurden Verbraucher beispielsweise von vermeintlichen Marktforschungsunternehmen dazu aufgefordert, den Service der Internetbank auszuprobieren und im Zuge dessen wurden unwissentlich Konten eröffnet - und das in unter 8 Minuten, wie von N26 doch so oft versprochen. Diese Verbindungen werden dann für dubiose Ebay-Geschäfte oder falsche Onlineshops verwendet. Das kann fatale Konsequenzen nach sich ziehen, zumal die Kontoinhaber in derartigen Betrugsfällen haftbar gemacht werden können, denn schließlich laufen diese Konten auf ihren Namen. Natürlich bietet aber nicht nur N26 dieses Verifizierungsverfahren an und daher könnte das auch Kunden anderer Banken passieren, allerdings scheinen sich die Betrugsfälle bei der Neobank ungewöhnlich stark zu häufen. Beliebtheit ist also nicht immer von Vorteil.

Im Jahr 2021 soll es weit mehr als 1 000 solcher Bankkonten bei N26 gegeben haben. Betrüger konnten damit tage- oder sogar wochenlang abkassieren. Und das obwohl das Eröffnungsverfahren aufgrund dieser Tatsache erst im Jahr 2019 laut der Bank zum Wohle der Sicherheit angepasst wurde. Wenn auch vielleicht nicht ganz freiwillig: Schon zu diesem Zeitpunkt, um genau zu sein am 20. Mai 2019, hatte nämlich die BaFin gegenüber der N26 interne Sicherungsmaßnahmen zur Prävention von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung angeordnet und die Bank aufgefordert, eine angemessene personelle und technisch-organisatorische Ausstattung zur Einhaltung ihrer geldwäscherechtlichen Verpflichtungen sicherzustellen. Über einen Sonderbeauftragten, der die jeweiligen Fortschritte für die BaFin protokolliert, durfte sich die Bank ebenfalls freuen. Und erst Ende September 2021 musste die Neobank dann ein 4,5 Millionen schweres Bußgeld für Verstöße bei Geldwäschepräventionen bezahlen.

Eigentlich möchte man nun davon ausgehen, dass sich N26 mit Blick auf die strikten Anweisungen der BaFin intensiver mit ihrer besonderen Verantwortung als Bank auseinandergesetzt hat. Doch scheinbar enttäuscht das Haus an dieser Stelle zweifelsohne weiter. Erst kürzlich hat sich unter anderem der Bayerische Genossenschaftsverband (GVB) über die nach wie vor mangelnde Geldwäschebekämpfung bei N26 offen beklagt, da laut Zahlen des GVB mehr als 400 Betrugsdelikte im Zusammenhang mit N26-Konten - wohlbemerkt nur bei den Genossenschaftsbanken in Bayern - gemeldet wurden, wobei die Spanne von Kleinsummen um 50 Euro bis zu Beträgen von 130 000 Euro reichen würden. Der Gesamtschaden belaufe sich bisher auf mindestens 1,5 Millionen Euro.

Das ruft natürlich erneut die BaFin auf den Plan. Und die neue BaFin "mit Biss" weiß mit solchen Problemen wahrlich nicht zu spaßen und nimmt daher N26 weiter an die kurze Leine. Da heißt es schlichtweg: Nun ist aber Schluss mit lustig. Das drückt sich in neuen Verordnungen wie einer Wachstumsbegrenzung und in der Bestellung eines weiteren Sonderbeauftragten der Aufsicht aus. Das schmeckt der Bank zwar wenig, aber auch wenn solche Unannehmlichkeiten den Investoren der N26 egal zu sein scheinen, muss das Haus nun anfangen, tatsächlich auch etwas von den etablierten Banken zu lernen, die im Übrigen beim Thema Digitalisierung auch nicht schlafen. Die große "Revolution" muss also noch warten.

Miriam Veith , Redakteurin , Fritz Knapp Verlag GmbH
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