Schwierige Gemengelagen

Philipp Otto, Chefredakteur, Foto: Fritz Knapp Verlag GmbH

Mitte der Bilanzsaison zeigt sich vor allem eines. Die Schwierigkeiten deutscher Banken und Sparkassen, den aktuellen Herausforderungen zu trotzen und mit positiven Ergebnissen zu überraschen, sind wieder einmal größer geworden. Das kann nicht wirklich verwundern. Denn weder hat sich an der Zinsfront irgendetwas getan, noch hält der tapfere Aufschwung in Europa an. Im Gegenteil. Der wirtschaftliche Ausblick wird immer schlechter und die EZB geht in die x-te Verlängerung des geldpolitischen Ausnahmezustands. Ihr Präsident Mario Draghi räumte endlich das ein, was eh schon lange erwartet wurde: Zinserhöhungen wird es 2019 keine geben. Doch nicht nur das. Gleichzeitig wird versucht, mit neuen Geldspritzen via TLTRO die Banken günstig zu refinanzieren und somit die Kreditvergabe weiter anzukurbeln. Doch wie so oft haben diese Maßnahmen Licht und Schatten. Während die Banken in Deutschland kein billiges Geld brauchen, um die Wünsche ihrer Kunden zu erfüllen, klemmt es vor allem in den Staaten der südlichen Peripherie. Hier sind Altlasten in Form von NPL aber ein wesentlich größeres Hindernis bei der Kreditvergabe als die teurere Refinanzierung.

Immerhin wird die aufsichtliche Entwicklung von diesem Jahr an vermutlich keine ganz so dominierende Rolle im Bankenalltag mehr einnehmen. Zumindest nicht, wenn man zuallererst auf die Einführung neuer Regeln blickt, die die Banken in den vergangenen Jahren vor sich hergetrieben haben. Denn die wesentlichen Regulierungspakete sind geschnürt und befinden sich nun in der Umsetzung. Dabei gilt es natürlich, auf eine gerechte Ausgestaltung zu achten. Und da ist die Sorge deutscher Banken und Sparkassen nicht unbegründet, dass es die nationalen Aufseher pflichtgemäß wie immer sehr genau nehmen, während andere Länder doch eine etwas laxere Auslegung zulassen. Aufsichtsarbitrage und/oder Wettbewerbsnach teile für Banken und Sparkassen wären die Folge.

Darüber hinaus gibt es aber genug weitere regulatorische Themen, die den Bankensektor in Deutschland umtreiben. Stichwort 1: Wettbewerb der Aufsichtsbehörden. Es ist natürlich wenig hilfreich, wenn die verschiedenen Institutionen, die mittlerweile in Aufsichtsfragen Verantwortung zugeteilt bekommen haben, sich gegenseitig mit Anforderungen übertrumpfen. Jüngstes Beispiel ist allem Anschein nach der Umgang mit notleidenden Krediten. Hier gibt es aktuell Ansätze der EU/EBA und der EZB. Gemein ist beiden das Ziel, nämlich über die Einführung sogenannter "Backstops", also einer quantitativen aufsichtlichen Mindestrisikovorsorge, eine Absicherung für notleidende Kredite bei den CRR-Instituten zu schaffen. Allerdings weichen beide Vorschriften in der Ausgestaltung voneinander ab. So richtet sich der EZB-Leitfaden nur an die direkt von ihr beaufsichtigten Institute, die EBA-Leitlinien dagegen auch an die nationalen Aufsichtsbehörden und damit alle Institute. Auch gelten die Vorschriften der EU/EBA als schärfer als diejenigen der EZB. Auf was sollen sich Banken und Sparkassen nun einstellen? Das gilt auch für andere Bereiche, in denen jede einzelne Anforderung für sich alleine genommen sinnvoll sein mag, diese in Kombination oder unter Berücksichtigung der Wechselwirkungen aber teils sogar kontraproduktiv sind. Hier steht ein versprochener Überprüfungsprozess noch aus, im laufenden Jahr sollen aber wohl erste Erkenntnisse vorgelegt werden.

Stichwort 2: MiFid II. Auch gut ein Jahr nach Inkrafttreten der EU-Finanzmarktrichtlinie überwiegt bei den Banken und Sparkassen die Skepsis. Denn bislang hat kaum ein Institut nennenswerte Erfolge durch MiFid II verbuchen können. Stattdessen überwiegen hohe Belastung durch laufende Kosten und Folgekosten. Nicht zu vernachlässigen ist auch die zunehmende Verunsicherung und Verärgerung der Kunden, die teils nur noch mit sehr viel Überzeugungsarbeit zum Abschluss von Wertpapiergeschäften zu bewegen sind. Zum Glück, denn sollte diese Ertragssäule auch noch wegbrechen, sieht es in den Gewinn- und Verlustrechnungen noch düsterer aus und dann erleidet das wichtige Thema private Altersvorsorge einen heftigen Rückschlag. Immerhin führt die BaFin bereits eine neue Marktuntersuchung durch und prüft bei den Instituten ab, wie die neuen Pflichten in der Anlegerschutzpraxis wirken und ob die Startschwierigkeiten mittlerweile weitgehend überwunden sind. Je nach Ergebnis soll über Erleichterungen nachgedacht werden.

Ein pragmatisches Vorgehen hat die deutsche Aufsicht auch mit Blick auf das Stichwort 3, den Brexit, angekündigt. Verschiedene Übergangsregelungen erleichtern die Aufnahme britischer Institute und sollen für einen halbwegs reibungslosen Übergang sorgen. Hier ist aber zu hinterfragen, ob immer mehr Ausnahmen nicht irgendwann drohen zur Regel zu werden und das ohnehin schon sehr unübersichtliche aufsichtliche Instrumentenspektrum noch vergrößern. Darüber hinaus stellen sich zwei entscheidende Fragen für Banken wie Aufseher: Welchen Stellenwert nimmt der Finanzplatz London auch künftig noch ein? Vermutlich keinen ganz so kleinen. Und was muss mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Finanzmarktes im Vergleich zu dem USA und China noch geschehen? Ohne eine weitere weitergehende Harmonisierung droht die Schere größer zu werden. Aber ist ein zweifellos von einer Mehrparteienlandschaft und verstärkten nationalen Interessen geprägtes neues Europäisches Parlament hierzu bereit?

Doch zu etwas Erfreulichem: Stichwort 4, Proportionalität. Endlich liegt eine klare Definition für "kleine, nicht komplexe Institute" in Form einer Verordnung vor. Damit ist eindeutig geklärt, welchen Instituten künftig gezielt Erleichterungen eingeräumt werden können, ohne damit die Finanzstabilität zu gefährden.

Das größte Problem für die deutschen Institute ist aber gar nicht die Aufsicht, sondern die anhaltend niedrigen Zinsen. Die Passivmargen sinken seit Längerem über alle Einlagenklassen hinweg konstant. Und auch im Kreditgeschäft macht sich der verstärkte Wettbewerb mehr und mehr bemerkbar, auch hier sinken die Margen. Für die deutschen Sparkassen bedeutet diese Entwicklung in Zahlen einen Rückgang des Zinsüberschusses um immerhin 747 Millionen Euro. Bislang gelang es vor allem den beiden Verbundgruppen, Großteile dieses Rückgangs über den Ausbau werthaltigen Kreditgeschäfts auszugleichen. Doch auch hier sind einerseits natürlich Grenzen gesetzt. Andererseits wachsen auch die Sorgen der Aufseher, ob dieses Volumenwachstum wirklich ausschließlich in nachhaltigen und werthaltigen Engagements stattfindet oder ob die Institute angesichts des Konditionenwettkampfs nicht doch mehr und mehr dazu übergehen, ihre Kreditvergabestandards zu lockern. Eine laufende Umfrage soll Klarheit bringen. Klar ist aber auch, das weiterführende aufsichtliche Eingriffe, die das Kreditwachstum mit Blick auf das Risiko einschränken, für die Banken und Sparkassen ein echtes Damoklesschwert sind. DSGV-Präsident Helmut Schleweis hält es jedenfalls für absolut kontraproduktiv, wenn auch noch über einen antizyklischen Kapitalpuffer für Sparkassen nachgedacht würde. Denn weder über die Provisionsüberschüsse noch über Kostensenkungen können die Ertragseinbußen im zinstragenden Geschäft bislang ausgeglichen werden. Man stelle sich nur vor, man würde nun in den Zahlenwerken noch die üblichen Standardrisikokosten verankern. Nein, das sollte man sich lieber nicht vorstellen.

Das alles führt dazu, dass sich die Konsolidierung des deutschen Banken- und Sparkassensektors weiter fortsetzen wird, wenn auch vermutlich etwas langsamer als in den vergangenen Jahren. Und solange die Geschäftsmodelle auskömmlich sind, ist das auch gut so. Denn die Drei-Säulen-Struktur des deutschen Kreditgewerbes hat sich als sehr stabil erwiesen. Von dem hohen Wettbewerb profitieren Kunden, auch wenn er auf die Margen drückt, und das Risiko verteilt sich immer auf mehrere Schultern. Was wäre eigentlich, wenn mit einer "Deutschen Commerzbank" und einer "Sparkassen-Zentralbank" nur noch wenige einheimische Institute, die DZ Bank gehört da auf jeden Fall dazu, den großen Kunden aus der Industrie für eine Finanzierung zur Verfügung stünden? Eine breite Streuung des Risikos ist das dann nicht mehr. Vielmehr würden diese Kunden dann noch stärker auf ausländische Institute ausweichen, bei denen das Verhalten in der nächsten Krise aber keineswegs so sicher abzuschätzen ist. Auch so etwas sollte bei all den wichtigen Überlegungen um Marktanteile und Größe bedacht werden.

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