Sorgenvoll

Philipp Otto

Foto: Fritz Knapp Verlag

Es war natürlich kein Aprilscherz und auch kein schlechter Scherz als die beiden Bankenaufsichtsbehörden der Bundesrepublik - BaFin und Deutsche Bundesbank - just am 1. April dieses Jahres den Start eines neuerlichen Stresstests bei den kleinen und mittelgroßen Instituten bekannt gaben. Wirklich überraschen konnte das aber auch nicht. Zum einen ist eine solche Umfrage längst geübte Praxis, schließlich ist es schon die 4. Niedrigzinsumfrage. Zum anderen funktioniert die Kommunikation zwischen Aufsehern und Beaufsichtigten bekanntermaßen gut. Rund 1 400 Banken und Sparkassen nehmen am sogenannten LSI-Stresstest 2019 teil und sollten bis Ende Mai der Aufsicht die erforderlichen Daten zu fünf vorgegebenen Zinsszenarien für den Zeitraum von 2019 bis 2023 und den simulierten Folgen für ihre Ertragslage und Widerstandsfähigkeit für die Jahre 2019 bis 2021 vorlegen. Eine Bekanntgabe der Ergebnisse soll im Herbst des laufenden Jahres erfolgen.

Ob Felix Hufeld Anfang Juli schon einen allerersten Eindruck von den Ergebnissen hatte, weiß man natürlich nicht. Aber der BaFin-Präsident, der bislang weder als Schönfärber noch als kritikfreudiger Beunruhiger aufgefallen ist, äußerte sich ungewöhnlich pessimistisch zu den Perspektiven der deutschen Kreditwirtschaft. "Ich werde nervöser, weil mit Händen zu greifen ist, dass wir in den nächsten Jahren eher in schwierigeres Fahrwasser geraten", so Hufeld. Hintergrund sind die jüngsten Äußerungen von EZB-Präsident Mario Draghi, der angesichts der konjunkturellen Eintrübung in Europa weitere Zinssenkungen mehr oder weniger deutlich angekündigt hatte. "Dann werden mehr Banken aus dem Markt gehen", ist sich der BaFin-Präsident sicher.

Denn schon heute fällt es den Instituten immer schwerer, den aktuellen Rahmenbedingungen zu trotzen. Das Niedrigzinsumfeld drückt mehr und mehr auf die Zinsergebnisse, was sich bei den zinslastigen deutschen Banken und Sparkassen, die traditionell in einer kreditbasierten Volkswirtschaft aktiv sind, deutlich stärker auswirkt, als bei Instituten in einer kapitalgetrieben Volkswirtschaft. Während einigermaßen auskömmlich verzinstes Altgeschäft ausläuft, bringen neue Kredite oder Anlagen immer weniger Marge. Die von der EZB erhobenen Negativzinsen für die Anlage überschüssiger Liquidität schlagen ebenfalls spürbar zu Buche. Nachdem vor einigen Wochen noch Diskussionen um eine Erleichterung für die Banken geführt wurden, schlägt das Pendel offensichtlich wieder in eine andere Richtung, es ist sogar von einer Erhöhung der Strafzinsen die Rede. Jeder Basispunkt über die bisherigen 0,4 Prozent hinaus dürfte deutsche Banken und Sparkassen laut Hufeld einige 100 Millionen Euro kosten.

Es ist aber auch die Regulatorik selbst, die den Druck auf die Banken und deren Ertragslage erhöht. So sind es nicht nur die laufenden Kosten für die Erfüllung der administrativen Vorgaben, sondern den Empfehlungen des Finanzstabilitätsrates folgend wird zusätzlich ab dem zweiten Halbjahr bundesweit für alle Institute ein antizyklischer Puffer getreu dem Motto "Spare in der Zeit, dann hast du in der Not" in Höhe von 0,25 Prozent erhoben. Schätzungen zufolge muss die Branche damit binnen eines Jahres mehr als 5 Milliarden Euro an zusätzlichem Eigenkapital aufbringen.

Interessanterweise sind es nicht die Schlagzeilen beherrschenden Deutsche Bank und Commerzbank, die laut öffentlicher und auch politischer Meinung alleine kaum mehr überlebensfähig sind, noch die Sparkassen und Volksbanken Raiffeisenbanken, die den Aufsehern das größte Unbehagen bereiten. Es sind vielmehr kleine und mittlere private Banken, die bei Hufeld die größten Sorgenfalten verursachen, da diese anders als Sparkassen oder Volksbanken nicht auf funktionierende Verbundstrukturen zurückgreifen könnten.

Entsprechend scharf hat auch der Bundesverband der privaten Banken reagiert. "Die Aussagen des EZB-Präsidenten haben uns erschreckt, eine Zinssenkung halte ich für völlig sinnlos", so BdB-Präsident Hans-Walter Peters, der gleich noch eine kleine Drohung hinterherschob. "Ich persönlich könnte mir vorstellen, dass viele Banken auf Dauer nicht mehr umhinkönnen, die zusätzlichen Belastungen auch in der Breite an Privatkunden weiterzugeben, aber natürlich muss das jedes Institut selbst entscheiden."

Das größte Problem der deutschen Banken aus Sicht der Aufsicht sind ihre ineffizienten Strukturen und fehlende Geschäftsmodelle. Um einen Euro zu verdienen, müssen viele Geldhäuser 70 und mehr Cent ausgeben. Dann: Kommt die konjunkturelle Abkühlung, werden zwangsläufig auch die Wertberichtigungen für Kreditausfälle steigen, die in den letzten Jahren ganz weit von ihren Durchschnittswerten entfernt nahe null lagen. Und schließlich gilt es auch, den Kundennutzen spürbar zu erhöhen. Durch viele gute Jahre haben manche Banken ebendiesen ein wenig aus dem Blick verloren und tummeln sich mittlerweile auf Geschäftsfeldern, bei denen fraglich ist, ob das ihre Kernkundschaft wirklich braucht. Das rächt sich. Andere Banken (auch Fintechs), die sich ganz klar auf weniger Produkte, einfache Handhabung, übersichtliche und verständliche Angebote und transparente Gebührenstrukturen konzentrieren, stehen auch zahlen- und ertragsmäßig meist besser da. Hufeld appellierte an die Geldhäuser, ihre Sparanstrengungen zu verschärfen und ihre Geschäftsmodelle zu überarbeiten: "Es ist höchste Eisenbahn." Die mangelhaften Anstrengungen von Banken, ihr Geschäftsmodell robuster zu machen, zählte Hufeld neben Cyberrisiken und einer Aufweichung der Kreditvergabestandards zu den größten Gefahren für die Branche.

Diese Transformation kostet aber auch viel Geld, was nicht zuletzt beim Großreinemachen bei der Deutschen Bank zu beobachten ist. Das Ziel ist klar umrissen: 2022 soll laut Vorstandschef Christian Sewing eine Nachsteuer-Rendite von acht Prozent auf das materielle Eigenkapital erreicht sein, ohne die sei die Bank nicht dauerhaft wettbewerbsfähig. Davor stehen aber Blut, Schweiß und Tränen. 74 Milliarden Euro an risikogewichteten Aktiva werden in eine Abbaueinheit transferiert, wobei Sewing angesichts der hohen Qualität und der oft kurzen Laufzeit der Bilanzpositionen mit einem raschen Abbau rechnet. 13 Milliarden Euro werden bis 2022 in Technologie investiert. Die Kosten sollen um 6 Milliarden Euro auf 17 Milliarden Euro sinken. Mehr als 18 000 Menschen, etwa jeder Fünfte, muss die Bank verlassen. Der Verlust im zweiten Quartal beläuft sich infolge der beschlossenen Maßnahmen auf 2,7 Milliarden Euro, 2019 und vermutlich sogar 2020 werden wohl auch insgesamt Verlustjahre. Mal wieder - hat die Deutsche Bank doch nach vier "roten" Jahren gerade erst die Rückkehr in die Gewinnzone geschafft.

Indirekt bestätigt Sewing den BaFin-Präsidenten sogar: "Wir spielen nur noch dort, wo wir gewinnen können." Es sei in der Vergangenheit zu viel Geld in Bereiche geflossen, wo genau das nicht der Fall gewesen sei. Beispielsweise habe das Investmentbanking die Bank jahrelang belastet. Und Sewing weiter: "Wir brauchen eine andere Einstellung. Wir müssen uns gründlicher mit dem Bedürfnis unserer Kunden befassen. Wir werden nur noch dort unterwegs sein, wo unsere Kunden uns wollen." Die Transformation soll die deutsche Bank nun wieder zu einer "besseren Deutschen Bank" machen und sie näher zurück an ihre Wurzeln führen. Das ist eine Unternehmensbank, die deutsche und europäische Unternehmen weltweit begleitet, ein globales Netzwerk bereitstellt und ausländische Unternehmen und Investoren nach Europa bringt. Das ist eine Privatkundenbank, die in allen Geschäftsfeldern in Deutschland führend ist. Und das ist eine Investmentbank, die die Unternehmenskunden mit den Kapitalmärkten weltweit vernetzt und sich auf das Geschäft mit Krediten, Anleihen und Währungen sowie auf strategische Beratung konzentriert.

Einmal mehr kann man Christian Sewing nur viel Glück wünschen auf einem wahrlich schweren Weg. Denn die deutsche Wirtschaft braucht eine starke Deutsche Bank, ebenso wie eine starke Commerzbank, leistungsfähige Landesbanken, aber eben auch die zahlreichen kleinen Banken, Sparkassen und Volksbanken. Ob das Wunsch bleibt oder Realität wird, wird sich ein klein wenig an den Ergebnissen des LSI-Stresstests im Herbst ablesen lassen, aber vor allem an den Gewinnen der kommenden Jahre. Sorgen darf man sich machen, Hoffnung haben aber auch.

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