Die Unabhängigkeit der Notenbank ist ein hohes Gut

Dr. Martin Hüfner Chefvolkswirt, Assenagon Asset Management

Es kommt glücklicherweise selten vor, dass ein Staatschef den Präsidenten seiner Notenbank einen Idioten nennt. Das ist nicht nur unhöflich und ungehörig. Es untergräbt auch die Autorität und das Ansehen der wichtigen Institutionen. Ganz abgesehen davon, dass dem Präsidenten eine Kritik an der Zentralbank gar nicht zusteht. Genau das aber hat der amerikanische Präsident kürzlich getan. Er nannte den Vorsitzenden der Federal Reserve, Jerome Powell, in einem Interview "bekloppt", "verrückt" und "lächerlich". In einem Tweet fügte er hinzu, Powell habe jedes Gefühl für die Realität verloren. Es sei einer seiner größten Fehler gewesen, so Trump, Powell für diesen Posten zu ernennen.

Nun könnte man das abtun als einen der vielen Fauxpas, die Donald Trump regelmäßig begeht und an die wir uns inzwischen fast gewöhnt haben. Damit macht man es sich aber zu leicht. Hier zeigt sich ein sehr viel grundsätzlicheres Problem: Im Zuge der Zinserhöhungen baut sich nämlich Widerstand gegen die Notenbanken und ihre Unabhängigkeit auf. Das ist in den USA schon ganz deutlich der Fall. Es wird auch nach Europa überschwappen, wo die Wertpapierkäufe Ende des Jahres vermutlich eingestellt werden und wo dann im nächsten Jahr auch die Zinsen steigen werden. Es ist zu vermuten, dass manch ein Staats- und Regierungschef oder auch Finanzminister insgeheim ähnlich denkt wie Trump. Sie sagen es nur nicht öffentlich (und schon gar nicht in einer solch unverschämten Form). Viele Ökonomen hatten schon lange damit gerechnet, dass die Normalisierung der Geldpolitik zu einem Konflikt mit der Finanzpolitik führen müsste.

Es sind hauptsächlich vier Dinge, die Politiker an der Geldpolitik stören. Erstens natürlich, dass die Zinserhöhungen der Zentralbanken die Haushaltsfinanzierung erschwert und den Spielraum für Ausgabensteigerungen einschränkt. Die niedrigeren Zinsen hatten auch in Deutschland maßgeblich dazu beigetragen, dass die Budgetfehlbeträge reduziert und die Verschuldung des Staates zurückgeführt werden konnten. Die "schwarze Null", die der Finanzminister erreicht hatte, war nicht nur das Resultat einer verantwortungsvollen Finanzpolitik. Es war auch das Glück eines wohlwollenden Kapitalmarkts. Damit ist es dann erst mal vorbei.

Zweitens fürchten die Politiker, dass die Zentralbanken den Aufschwung kaputt machen und die Arbeitslosigkeit wieder ansteigen lassen könnten. Schon jetzt ist erkennbar, dass sich die wirtschaftliche Entwicklung abschwächt. In Europa kann man das noch nicht der Zentralbank anlasten, da hier weder die Leitzinsen noch die Kapitalmarktrenditen gestiegen sind. In den USA gehen die Zinsen jedoch schon seit einiger Zeit nach oben. Allerdings sollte man die etwas langsamere Konjunktur auch dort nicht der Federal Reserve in die Schuhe schieben. Tatsächlich geht die Fed sehr vorsichtig vor, viel behutsamer als das in früheren Aufschwungphasen der Fall war. Leitzinsen von zwei Prozent, wie derzeit in den USA, sind wahrlich kein Konjunkturkiller.

Drittens haben die Politiker den Eindruck, die Zentralbanken machten die Pferde ohne Not scheu. Denn die Inflation, die bekämpft werden soll, hält sich nach wie vor in engen Grenzen. Trotz hoher Nachfrage und voll ausgelasteter Kapazitäten, trotz hoher Liquidität und niedriger Zinsen und trotz Wachstumsraten, die schon seit Jahren über das Potenzial der Volkswirtschaften hinausgehen, bewegt sich die Preissteigerung in den USA um zweieinhalb Prozent, im Euroraum um zwei Prozent. Da kann man wahrlich nicht von Gefahren für den Geldwert sprechen. Die Zentralbanken sollten sich, so die Argumentation, also mit ihren Ängsten zurückhalten.

Schließlich spielt viertens bei der Kritik an den Zentralbanken und ihrer Unabhängigkeit auch etwas ganz Grundsätzliches eine Rolle, nämlich der um sich greifende Populismus. Der Populismus tritt generell für niedrige Zinsen ein, weil er das Wohl der Menschen allein heute im Blick hat, nicht die gedeihliche Entwicklung der Wirtschaft auf mittlere und längere Sicht. Er steht damit genau im Gegensatz zu den Zentralbanken, die für eine stabile mittel- und langfristige Entwicklung zu sorgen haben. Populismus und Zentralbanken vertragen sich von Natur aus nicht. Glücklicherweise sitzen die Populisten erst in relativ wenigen Ländern in der Regierung (derzeit unter anderem in den USA, Italien, der Türkei, den Philippinen und bald auch in Brasilien). Es werden aber mehr. Und selbst dort, wo sie noch in der Opposition sind, beeinflussen sie natürlich indirekt allein schon durch ihre Existenz die Regierungspolitik.

Der sich aufbauende Widerstand gegen die Politik der Zentralbanken ist gefährlich. Die Unabhängigkeit der Notenbanken ist ein hohes Gut. Es lohnt sich dafür zu kämpfen. Dies umso mehr, als sie - was wenige wissen - noch relativ jung und damit anfällig für Kritik ist. Sie hat sich erst vor 25 Jahren auf globaler Ebene durchgesetzt. In dieser Zeit aber hat sie dafür gesorgt, dass

- die Inflation nach den Exzessen der 70er und 80er Jahre wieder auf ein erträgliches Niveau heruntergekommen ist;

- der politische Konjunkturzyklus gedämpft wurde, der immer wieder zu einer finanzpolitischen Überhitzung der Wirtschaft (insbesondere vor Wahlen) geführt hatte;

- die Finanzpolitik einen ewigen Mahner im Rücken hat, der nicht müde wird, für niedrigere Staatsverschuldung zu plädieren; und

- die Finanzstabilität gefördert wurde und makroprudentielle Instrumente zur Abwehr von Risiken entwickelt wurden.

Zu all den Punkten gibt es zahlreiche wissenschaftliche Studien, die dies belegen. Sie erklären, dass sich die Zentralbanken in den letzten Jahren in den Augen der Öffentlichkeit in einem Höhenflug befanden. Sie galten als die Retter aus der Finanzkrise. Jetzt, wo die Folgen der Finanzkrise abklingen, kommen natürlich die Neider auf den Plan. Sie wollen die Zentralbanken wieder zurückstutzen.

Was ist zu tun? Einmal muss man die Unabhängigkeit der Notenbanken thematisieren und bei allen Verstößen den Finger heben und sagen: So geht es nicht. Wenn sich die Kritik an den Notenbanken erst einmal festgesetzt hat, ist es schwer, das Rad wieder zurückzudrehen.

Zum anderen müssen die Zentralbanken ihre Politik so gut wie möglich erklären, um den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Sie müssen plausibel machen, dass die Beendigung der Wertpapierkäufe und die Zinserhöhungen der Konjunktur nicht schaden, sondern sie im Gegenteil das Vertrauen auf den Finanzmärkten stärken. Sie müssen darauf hinweisen, dass Banken und Versicherungen dadurch stabiler werden. Sie müssen die Vorteile für die Sparer und die Altersvorsorge erläutern, wenn es wieder akzeptable Zinsen gibt.

Last, but not least sollte man darüber nachdenken, ob die Zentralbanken in den letzten Jahren nicht mit zu vielen Aufgaben befrachtet wurden. Natürlich haben sie bei der Finanzstabilität einen guten Job gemacht. Aber muss eine Institution wirklich Preisstabilität und Finanzstabilität zusammen verantworten? Das sind zwei ganz unterschiedliche Baustellen. Preisstabilität zu erreichen ist schon schwer genug. Vielleicht wäre es sinnvoll, die Bankenaufsicht einer getrennten Institution zuzuweisen. Damit würde manchem Kritiker der Zentralbanken etwas Wind aus den Segeln genommen. Das kommt am Ende der Unabhängigkeit der Notenbanken zugute.

Dr. Martin Hüfner , Chefvolkswirt, Assenagon Asset Management

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