Girocard City

Neuer Denkansatz

Schon lange waren bei der Einführung von Innovationen im Zahlungsverkehr Tests in Pilotregionen gang und gäbe. So gesehen ist das "Innovationslabor" Girocard City, das die Deutsche Kreditwirtschaft im April in Kassel gestartet hat, auf den ersten Blick nichts Neues. Warum also schon wieder eine neue Pilotregion, wo doch Ravensburg-Weingarten im Jahr 1996 oder Hannover/Braunschweig/Wolfsburg 2013 der Geldkarte und Girogo keinen Erfolg beschert haben?

Das erklärt Euro Kartensysteme wie folgt: Bei ehemaligen Pilotprojekten der Deutschen Kreditwirtschaft konnten zwar ebenfalls wertvolle Erkenntnisse gewonnen werden. Aufgrund der kurz- bis mittelfristig angelegten Projektdauer und dem folgenden Übergang in den Regelbetrieb waren langfristige Entwicklungen jedoch nicht auswertbar. Möglicherweise waren die gewählten Regionen auch weniger repräsentativ, als es das nordhessische Kassel offenbar ist.

Um die negativen Erfahrungen aus der Vergangenheit zu vermeiden, ist Girocard City auf eine Projektdauer von mindestens 10 bis 15 Jahren ausgelegt. Eine derartig langfristige Erprobung von Bezahllösungen, besonders in dieser Größenordnung, die es bisher nicht gegeben hat, könnte sich möglicherweise tatsächlich auf die bundesweite Einführung von Innovationen rund um die Girocard auswirken.

In dem neuen Ansatz geht es nämlich, anders als seinerzeit bei der Geldkarte und bei Girogo, nicht nur um einen eng regional begrenzten Strohfeuereffekt und vor allem um Tests von Produkten, von deren Tauglichkeit die Branche eigentlich überzeugt ist und für die der Roll-out im Grunde schon fest eingeplant ist. Sondern im "Innovationslabor" sind offenbar echte Test geplant. Damit dieses Konzept wirklich trägt, ist aber vielleicht auch ein Stück weit mehr Offenheit für die Ergebnisse aus der Praxis vonnöten.

Bei Girogo etwa wurde der selbst in der Testregion geringe Nutzungsgrad mit der noch unzureichenden Schulung des Kassenpersonals erklärt. Wenn erst Kunden und Kassieren die Vorteile des Produkts klar würden, so die Grundannahme, dann würde Girogo auch emsig genutzt werden. Dass viele Karteninhaber in der Anwendung schlicht keinen Nutzen sehen könnten, wurde wie bei der Geldkarte offenbar nicht in die Überlegungen einbezogen.

Von solchen Denkmustern wird sich die Kreditwirtschaft verabschieden müssen. Wenn der Praxistest einer Innovation floppt, sollte man diese Erkenntnis nicht erneut als "Kinderkrankheit" der entsprechenden Neuerung abtun. Sondern dann gilt es, erst einmal die vermeintlichen Kinderkrankheiten zu bekämpfen. Stellt sich auch dann der erhoffte Erfolg nicht ein, muss man bereit sein, auch aus Anbietersicht vielversprechende Innovationen aufzugeben, wenn sie den Durchschnittskunden offenbar nicht überzeugen. Red.

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