MOBILITÄT

Automobilbanken-Studie 2021

Wie Finanzdienstleistungen den Fahrzeugerwerb beeinflussen

Dr. Peter Renkel, Foto: mfp

Der Beitrag gibt einen Überblick über die jüngsten Studienergebnisse zur Bedeutung automobiler Finanzdienstleistungen für Kunden, Automobilhersteller und Handel in Deutschland. Dabei wird Bezug genommen auf die repräsentative Automobilbanken-Studie, welche die Mobility Finance Platform im März und April 2021 durchgeführt hat. Neben den positiven Effekten für Absatzförderung, Kundenloyalität und sorgenfreie Mobilität werden auch aktuelle Kundentrends sowie zukünftige Potenziale für die Finanzdienstleister beleuchtet. (Red.)

Seit Beginn der Corona-Pandemie erleben wir eine deutliche Rückkehr zur individuellen Mobilität. Das eigene Auto steht wieder hoch im Kurs, während öffentliche Verkehrsmittel und auch Shared-Mobility an Attraktivität verloren haben. Gleichzeitig sind Finanz- und Mobilitätsdienstleistungen bei der Fahrzeuganschaffung heute nicht mehr wegzudenken - ob Finanzierungs- und Leasing-Produkte, Abo-Angebote oder weitere autonahe Dienstleistungen. Rund 75 Prozent der Neufahrzeuge kommen aktuell mithilfe von Finanzdienstleistungen auf die Straße.

Die repräsentative Marktstudie "Automobilbanken 2021", für die im Frühjahr 2021 rund 2 000 Neu- und Gebrauchtwagenkunden befragt wurden, zeigt die hohe Bedeutung von Finanzdienstleistungen für die Absatzförderung auf sowie deren wichtigen Beitrag zur Kundengewinnung und Loyalität gegenüber Marke und Handel. Eine wesentliche Besonderheit der vorliegenden Studie ist es, dass sie explizit das Kundenverhalten seit Beginn der Corona-Pandemie beleuchtet, da die Fahrzeuganschaffung der Befragten höchstens zwölf Monate zurückliegt.

Customer Journey

Der hohe Stellenwert automobiler Finanzdienstleistungen wird bereits im Informationsverhalten der Verbraucher deutlich. Jeder zweite Leasing- oder Finanzierungskunde (insgesamt 51 Prozent) beschäftigt sich schon vor der Auswahl der Fahrzeugmarke mit der Frage nach dem richtigen Finanzdienstleistungspartner. Bei den Finanzierungskunden sind es 52 Prozent, bei den Leasing-Kunden 48 Prozent. Damit sind attraktive Angebote, ob Finanzierung, Leasing oder Abo-Modelle, bereits in einer frühen Phase der Customer Journey von höchster Bedeutung und können sogar ausschlaggebend für die Markenwahl sein.

Im Rahmen der Customer Journey beim Neuwagenkauf sind das Internet (63 Prozent) und der Autohändler (51 Prozent) die zentralen Kontaktpunkte für die Kunden, um sich zum Thema Finanzdienstleistungen zu informieren. Die jeweiligen Fahrzeughersteller- und Händler-Websites sind dabei die am häufigsten genannten Online-Kontaktpunkte. Online-Autobörsen, Vergleichsportale, Webauftritte konkreter Finanzdienstleister sowie Social Media-Angebote haben hingegen nachgelagerte Relevanz bei der Recherche.

Abbildung 1: Kontaktpunkte bei Fragen rund um eine Finanzierung Quelle: Studie Automobilbanken 2021

Für den konkreten Kaufabschluss bleibt der Markenhandel auch im Zuge der Corona-Pandemie der zentrale Absatzkanal für Neufahrzeuge, gleichwohl sinkt der Wert moderat von 91 Prozent im Jahr 2018 auf aktuell 85 Prozent. Die Online-Vertriebskanäle der Fahrzeughersteller gewinnen langsam an Relevanz, so wird aktuell jeder zehnte Neuwagen (elf Prozent) direkt über den Hersteller im Web bestellt, unabhängige Neufahrzeugportale haben einen Marktanteil von drei Prozent.

Auch die finale Beratung und Vermittlung von Finanzdienstleistungen erfolgt momentan im Wesentlichen durch den Handel. Im Schnitt werden derzeit zwei bis drei Beratungsgespräche durchgeführt und der Kaufabschluss erfolgt in der Regel beim Händler physisch vor Ort. Einen vollständig digitalen und papierlosen Kaufabschluss haben aktuell immerhin zwölf Prozent der Autobankkunden und vier Prozent der Barzahler vollzogen.

Fahrzeugwahl und Haltedauer

Finanzdienstleistungen haben einen enormen Effekt auf die konkrete Fahrzeugwahl: Kunden von Autobanken und Leasing-Gesellschaften statten ihr Neufahrzeug deutlich besser aus (51 Prozent), können sich ein hochpreisigeres Modell leisten als gedacht (38 Prozent) und schaffen das neue Fahrzeug früher an als geplant (29 Prozent). Darüber hinaus können sich vier von zehn Gebrauchtwageninteressenten (39 Prozent) aufgrund attraktiver Finanzdienstleistungsangebote doch für einen Neuwagen entscheiden. 22 Prozent erwerben ein größeres Fahrzeugmodell als ursprünglich gewollt. Jeder Fünfte (19 Prozent) wählt eine andere Marke als den eigentlichen Favoriten.

Automobile Finanzdienstleistungen haben zudem signifikanten Einfluss auf den Fahrzeugumschlag für Hersteller sowie für den Automobilhandel. Kunden der Autobanken nutzen ihr Fahrzeug durchschnittlich fünf Jahre. Finanzierungskunden schlagen mit 5,9 Jahren zu Buche, Leasing-Kunden kommen auf eine durchschnittliche Laufzeit von gerade einmal 4,1 Jahren. Bei Barzahlern hingegen ist die Fahrzeughaltedauer mit 6,9 Jahren deutlich länger. Barzahler werden als Kunden definiert, die ihr Fahrzeug im Autohaus bar bezahlen, unabhängig davon, ob sie den Kaufpreis tatsächlich vollständig aus Eigenmitteln begleichen oder über einen Kredit ihrer Hausbank finanziert haben.

Zum einen fahren Kunden mit Finanzdienstleistungen also stets neuere Fahrzeuge auf einem sicherheitstechnisch und ökologisch aktuellen Stand, zum anderen profitieren Hersteller und Handel von einer erhöhten Umschlagsgeschwindigkeit. Denn sie können in einem festgelegten Vergleichszeitraum schlichtweg mehr Fahrzeuge an ihre Kunden absetzen.

Loyalität und Preisgestaltung

Der deutsche Automarkt ist maßgeblich vom Ersatzbedarf geprägt. Nur rund jeder zehnte Neuwagenkunde ist Erstkäufer. In der Folge wird die Loyalität der Kunden zum zentralen Erfolgsfaktor für sämtliche Akteure der Automobilwirtschaft. Über die Hälfte der Neuwagenkunden (54 Prozent), die Finanzdienstleistungen nutzen, bleiben ihrer Fahrzeugmarke treu. Insbesondere Leasing-Kunden (57 Prozent) zeigen sich loyal. Bei den Finanzierungskunden ist es genau jeder Zweite.

Demgegenüber entscheiden sich nur 48 Prozent der Barzahler erneut für die gleiche Automarke. Im Gebrauchtwagensegment zeigt sich der Einfluss von Finanzdienstleistungen auf die Markentreue noch etwas deutlicher: Hier würden sich 47 Prozent der Autobankkunden erneut für die gleiche Marke entscheiden, aber nur 37 Prozent der Barzahler.

Der durchschnittliche Neuwagenpreis liegt laut Studie aktuell bei 32 524 Euro, die durchschnittliche Monatsrate von Neuwagenkunden bei 356 Euro. Mit Blick auf eingeräumte Rabatte im Neuwagenhandel fällt dabei auf, dass die Finanzierungsform nur einen geringen Einfluss auf die Rabatthöhe hat.

Sowohl Barzahler als auch Kunden, die Finanzdienstleistungen nutzen, erhalten einen durchschnittlichen Rabatt von 11,8 Prozent. Dies widerspricht einmal mehr der leider immer noch verbreiteten Annahme, dass Barzahler im Autohaus höhere Preisnachlasse erzielen als Kunden, die Finanzdienstleistungen nutzen.

Im Gebrauchtwagensegment liegt der durchschnittliche Fahrzeugpreis bei 15 446 Euro und die entsprechende Monatsrate für Kunden bei 309 Euro. Mit durchschnittlich 6,6 Prozent Preisnachlass fallen Rabatte im Gebrauchtwagenhandel deutlich geringer aus als im Neuwagenhandel.

Veränderte Mobilitätsbedürfnisse

Die automobilen Bedürfnisse der Kunden haben sich in den letzten Jahren deutlich gewandelt. Bei der Fahrzeuganschaffung steht heute nicht mehr der alleinige Kaufpreis des Fahrzeugs (unverbindliche Preisempfehlung) im Mittelpunkt, sondern vielmehr die Gesamtkosten der Mobilität, was zuletzt unter anderem auch die Einführung zahlreicher neuer Abo-/Subscription-Modelle gefördert hat.

Zudem spielt der Convenience-Faktor eine bedeutende Rolle für die Kunden, denn sie möchten möglichst viele Leistungen aus einer Hand, sozusagen als Rundum-Sorglos-Paket. Kunden entscheiden sich über Finanzierungs- und Leasing-Produkte hinaus daher immer häufiger für weitere Service- und Versicherungsleistungen rund um das Fahrzeug. Zu den gefragtesten Bausteinen zählen Zulassungsservice (60 Prozent), Inspektion und Kundendienst (55 Prozent), Garantieverlängerung (45 Prozent), Inzahlungnahme (45 Prozent), TÜV/HU (43 Prozent) sowie Reifenpakete (37 Prozent).

Bedeutung digitaler Vertriebskanäle

Zwar ist der stationäre Markenhandel unverändert der zentrale Anlaufpunkt für die Anschaffung eines Neu- oder Gebrauchtfahrzeugs, digitale Kanäle gewinnen jedoch rasant an Bedeutung, und dies nicht erst seit Corona. Abbildung 2 ergibt: Mehr als die Hälfte der befragten Finanzdienstleistungskunden (55 Prozent) kann sich gut vorstellen, ein zukünftiges Neufahrzeug auf der Website des Herstellers zu bestellen und/oder die passende Finanzdienstleistung direkt online abzuschließen. Darunter sind 42 Prozent für den reinen Online-Abschluss (rechtlich bindend) über den Fahrzeughersteller offen und 25 Prozent für den Abschluss einer Online-Finanzierung (rechtlich bindend).

Abbildung 2: Potenziale für digitalen Vertrieb Quelle: Studie Automobilbanken 2021

Die Websites des Handels (41 Prozent - Bestellung und/oder Finanzierung) sowie unabhängiger Fahrzeugbörsen (34 Prozent - Bestellung und/oder Finanzierung) bieten immer noch attraktive, aber insgesamt geringere Potenziale für den Direktvertrieb an Kunden. Auffallend ist dabei, dass Kunden, die Finanzdienstleistungen nutzen, wesentlich offener für digitale Vertriebskanäle sind als Barzahler. Insgesamt erwarten Verbraucher bei der Fahrzeuganschaffung jedoch zunehmend das komplette Angebotsportfolio inklusive Finanzdienstleistungen online. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor liegt für die Marktakteure darin, die Verzahnung von Online- und Offline-Angeboten konsequent weiter voranzutreiben.

Viel Potenzial bei Barzahlern

Kunden, die ihr aktuelles Fahrzeug bar bezahlt haben, zeigen sich durchaus offen für Finanzdienstleistungen. Insgesamt 50 Prozent der Neuwagenkunden können sich vorstellen, ihr nächstes Fahrzeug zu finanzieren beziehungsweise zu leasen (14 Prozent) oder im Rahmen eines Auto-Abos abzuschließen (sieben Prozent). Immerhin 39 Prozent geben an, dass für sie Finanzdienstleistungen eventuell in Frage kommen.

Bei Gebrauchtwagenkunden sind sogar 60 Prozent offen für entsprechende Angebote. Aber: Fast jeder zweite Barzahler erhält aktuell kein aktives Finanzdienstleistungsangebot im Autohaus. Für die verschiedenen Marktteilnehmer - ob Herstellerbanken, freie Autobanken, Leasing- oder Abo-Anbieter - sind noch zahlreiche Wachstumspotenziale vorhanden, die es zu nutzen gilt.

Dr. Peter Renkel , Verbandsgeschäftsführer der "Banken der Automobilwirtschaft (BDA)" und leitet die Geschäftsstelle in Köln

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X