Finanzwelt setzt auf digitale Transformation von Prozessen

Mehr Effizienz dank papierloser Abläufe

Abbildung 1: DT als vielversprechende Zukunftsdisziplin - Potenzial zum Wachstum ist klar gegeben Quelle: ISTO Benchmarkstudie - Digitale Transformation

Dr. Sandro C. Principe - Eine Vielzahl traditioneller Bankgeschäfte verdankt ihr Dasein dem Papier. Doch die Branche befindet sich im Umbruch. Immer mehr Finanzinstitute setzen mittlerweile auf die digitale Transformation ihrer papiergebundenen Prozesse. Das verspricht mehr Agilität sowie mehr Effizienz und Flexibilität. Nicht zuletzt lassen sich die Kosten für Geschäftsprozesse durch die Digitalisierung deutlich senken.

Die Finanzwelt gehört bei der Einführung IT-gestützter Geschäftsprozesse zu den Pionieren. Bereits zu Beginn der 1970er-Jahre begann der Computer seinen Siegeszug im Bankwesen. Zu diesem Zeitpunkt entwarf der britisch-amerikanische Informationswissenschaftler F. W. Lancaster die Vision einer papierlosen Gesellschaft. Bereits 1975 sagte er:

- "Wir sind nicht mehr weit entfernt von der papierlosen Gesellschaft. Viele mögen den technologischen Fortschritt der Elektronik ignorieren, doch aufhalten können sie ihn nicht".

Mutige Worte in einer Zeit, als der Schriftverkehr noch weitgehend von Schreibmaschinen und Durchschlagpapier beherrscht war. Allerdings blieb der Traum vom papierlosen Büro erst einmal eine Vision, denn nie wurde in Unternehmen aller Branchen so viel Papier verbraucht, wie seit der Einführung von IT-basierten Abläufen. In den letzten 30 Jahren hat sich der weltweite Papierkonsum sogar verdoppelt. Seit dem Krisenjahr 2008 ist der Pro-Kopf-Verbrauch von Papier in Deutschland wieder auf rund 250 Kilo gestiegen, so der Verband Deutscher Papierfabriken e. V. (VDP). Hier zeichnet sich allerdings eine Kehrtwende ab, denn immer mehr Unternehmen aller Branchen, speziell auch aus der Finanzwelt, setzen auf papierlose Prozesse.

Mehr Geschäft

Besonders die Finanzwelt verdankt ihre Daseinsberechtigung dem Handel mit Geld oder Wertpapieren. Seit Ende der 1980er-Jahre führte jedoch die Liberalisierung und Globalisierung im Bankensektor zu einem wachsenden Geschäftsvolumen. Das setzte die vormals in einem Binnenmarkt operierenden Finanzinstitute unter Druck. Sie mussten nach Wegen suchen, um den Handel rund um die Uhr und die Erfüllung der Handelsgeschäfte möglichst unbürokratisch und grenzüberschreitend zu ermöglichen. Im Verbund mit anderen Akteuren wie Clearing-Häusern oder Börsen schufen die Banken eine nahtlos digitale Prozesskette. Die Digitalisierung brachte den erwünschten Effizienzgewinn, schuf aber auch die Basis für die sogenannten "virtuellen" Finanzgeschäfte, wobei die Derivate für den interessierten Laien am einfachsten zu erfassen sind. Zweifellos hat die wachsende Komplexität auch ihre Schattenseiten, wie die letzte Finanzkrise deutlich machte.

Aktuell befindet sich der Finanzmarkt in Deutschland wieder auf Erfolgskurs. Besonders die auf Finanzierungen spezialisierten Kreditbanken können sich nach Auskunft des Bankenfachverbandes 2014 über ein wachsendes Interesse an Konsum- und Investitionskrediten freuen. Im Jahr 2013 wurden demnach an Verbraucher und Unternehmen neue Kredite im Wert von 108,9 Milliarden Euro vergeben, was im Vergleich zum Vorjahr einer Steigerung von 5,7 Prozent entspricht. Und im ersten Halbjahr 2014 betrug dieser Wert 60,4 Milliarden Euro, das sind 6,8 Prozent mehr als in den ersten sechs Monaten 2013.

Mehr Finanzgeschäfte bedeuten für die Branche nicht nur mehr Geschäft, sondern auch mehr Geschäftsvorgänge, die in immer kürzerer Zeit bewältigt werden müssen. Flexibilität, Agilität und nicht zuletzt Kosteneinsparungen stehen daher auf der Anforderungsliste der Finanzinstitute ganz oben. Einen wesentlichen Beitrag dazu kann die Digitalisierung von Prozessen leisten, die nachweislich zu einer Optimierung von Abläufen und zu mehr Transparenz führt. Viele Abläufe funktionieren allerdings bei Banken heute immer noch nicht papierlos.

Die globale Non-Profit-Organisation AIIM hat für die Swiss Post Solutions AG zu diesem Thema Anfang 2014 eine weltweite Umfrage durchgeführt. Demnach wollen 56 Prozent der befragten Finanzinstitute durch Prozessveränderungen die Effizienz ihrer Geschäftsprozesse steigern, Compliance-Regularien schneller um setzen und ihre Risiken minimieren.

Dokumentenprozess

Das traditionellere Retailgeschäft der Banken umfasst Prozesse wie Zahlungsverkehr, Einzahlungen, Kontoeröffnungen oder Kreditvergabe. Dabei gerät immer noch viel Papier ins Spiel. Die immer strengeren Compliance-Anforderungen vergrößern gerade im Neukundengeschäft den Papierausstoß zusätzlich. In einigen Fällen verringert Papier nicht zuletzt die Qualität der Kundendienstleistung; zum Beispiel wenn es in der Bearbeitungskette des Finanzinstitutes stecken bleibt, verloren geht oder wenn schwer leserliche Angaben zu Beanstandungen führen.

Die AIIM-Befragung ergab: Das Risiko, Geschäftsunterlagen zu verlieren oder zu verlegen, wird bei Banken deutlich reduziert, wenn Inhalte frühestmöglich digital erkannt, in Workflows integriert und Papierunterlagen aus den Akten verbannt werden.

Outsourcing

Wie zahlreiche andere Dienstleistungsunternehmen können es sich auch Banken mit einem fünf- bis sechsstelligem Kundenstamm aufgrund der Kosten nicht mehr leisten, eine personalintensive interne Poststelle zu betreiben. Deshalb werden bereits seit Jahren die meisten Dokumenten- und Archivierungsprozesse an spezialisierte Dienstleister ausgelagert. Letztere sorgen dafür, dass der Lebenszyklus eines Dokumentes teilweise oder ganz digitalisiert wird - vom Empfang über die Weiterverarbeitung bis hin zur Archivierung. Rund 57 Prozent der von AIIM befragten Finanzinstitute gaben an, die Digitalisierung des Akten- und Dokumentenmanagements leiste einen wesentlichen Beitrag zur Prozessoptimierung. Kosteneinsparung nennen 55 Prozent der Protagonisten als Entscheidungskriterium für die Digitalisierung, gefolgt von der verbesserten Kundenzufriedenheit, die für 52 Prozent wesentlich ist.

Der Vorteil der Digitalisierung liegt auf der Hand: Finanzabläufe werden transparenter, Unterlagen sind schneller im Zugriff, was das Verlustrisiko minimiert. Darüber hinaus lassen sich Abläufe deutlich beschleunigen und neue Compliance-Regeln sowie gesetzliche Vorgaben schneller umsetzen sowie in Prozesse integrieren. Die Digitalisierung von Prozessen trägt maßgeblich zu einer verbesserten Dienstleistungsqualität bei, was auch positive Auswirkungen auf den Kundenservice und die Kundenzufriedenheit hat.

Prozesseffizienz

Wie viele andere Unternehmen haben auch die Finanzinstitute das Rationalisierungspotenzial von "Digital Transformation" (DT) bereits erkannt. Das verdeutlicht eine weitere Studie, die von der Swiss Post Solutions gemeinsam mit dem Münchner Institut für Strategie, Technologie und Organisation (ISTO) 2013 im deutschsprachigen Raum durchgeführte wurde. Dafür wurden neben Unternehmen unterschiedlicher Branchen auch Vertreter der Finanzwirtschaft befragt.

Der Begriff "Digital Transformation" wurde in dieser Studie als "die Einführung und Weiterentwicklung von Strategien, Prozessen und Unternehmensstrukturen hin zur Digitalisierung von Geschäftsmodellen" verstanden. Diese Veränderungen sollen das Unternehmen und seine Beschäftigten befähigen, den Nutzen digitaler Technologien hinsichtlich Kostenvorteilen, Geschwindigkeit, Flexibilität, Sicherheit und Qualität auszuschöpfen. Ein Drittel der befragten Banken planen, in den nächsten ein bis drei Jahren ihre Investitionen in Digital Transformation stark zu erhöhen, so die Ergebnisse der Umfrage (Abbildung 1).

Bereits heute sind zahlreiche Unternehmen aller Branchen aus dem Planungsstadium heraus und setzen Digital Transformation in verschiedenen Geschäftsprozessen um. 69 Prozent der Unternehmen geben an, Digital Transformation beim Kundenservice zu nutzen; in Finanz- und Controlling-Prozessen sind es 67 Prozent und bei der Logistik und im Human-Resources-Bereich jeweils 60 Prozent.

Für 93 Prozent der befragten Unternehmen ist die "Erhöhung der Prozesseffizienz" das wichtigste Ziel von Digital Transformation, gefolgt von "Einsparung von Arbeitszeit" mit 89 Prozent sowie "Einsparung von Kosten" und "Flexiblen Datenzugriff gewährleisten" mit je 80 Prozent. Mit Zielen, die den Blick auf den Kunden richten, wie zum Beispiel "Erkennen und Erfüllen von Kundenbedürfnissen", wird Digital Transformation derzeit allerdings erst verhältnismäßig selten in Verbindung gebracht.

Zum wesentlichen Motor für "Digital Transformation" könnte sich speziell für das Geschäftsfeld der Banken der wachsende Trend zu mobilen Anwendungen erweisen. Derzeit ist der Anteil der Bankkunden, die ihre finanziellen Transaktionen überwiegend über ein mobiles Endgerät wie Smart Phone, Notebook oder Tablet abwickeln, allerdings noch überschaubar. Die Marktanalysten von ISTO gehen aber davon aus, dass bis 2020 die Zahl der mobilen Bankkunden dramatisch steigt, sobald die sogenannten "Digital Natives" in die Berufswelt eintritt, also die Generation, die mit digitalen Technologien aufgewachsen ist.

Das ist auch ein Signal für alle anderen Unternehmen. Eine klare Gesamtstrategie stellt deshalb für alle Befragten, speziell aber auch für die Finanzinstitute, derzeit die größte und maßgebliche Herausforderung beim Einsatz von Digital Transformation dar. Dies bestätigen über 40 Prozent der Studienteilnehmer. Vor allem für den Ausbau von bereichsübergreifenden Maßnahmen ist eine schlüssige Gesamtstrategie, die den Weg für eine erfolgreiche Digitalisierung ebnet, Voraussetzung.

Insgesamt schätzt mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen das bereichsübergreifende Ausbaupotenzial als hoch oder sehr hoch ein. 40 Prozent geben an, Digital Transformation sei bereichsübergreifend derzeit nur wenig oder überhaupt nicht ausgeprägt. Bei der Frage, ob künftig alle Vorgänge papierlos abgewickelt werden, zeigen sich die Unternehmen skeptisch. Nur die Hälfte der Entscheider hält dies für wahrscheinlich.

DER AUTOR:

Dr. Sandro C. Principe, Zürich, ist Mitglied der Geschäftsleitung bei Swiss Post Solutions AG und verantwortlich für strategisches Marketing und Verkauf.E-Mail: sandro.principe[at]swisspost[dot]com

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X