Geplante Änderungen des IRBA und Konsequenzen für Leasing-Gesellschaften

Konsultationspapier des Baseler Ausschusses

Tabelle 1: Untergrenzen für Risikoparameter - Werte in der Spalte "besichert" beziehen sich auf vollständig besicherte Risikopositionen Quelle: Eigene Darstellung

Univ.-Prof. Dr. Thomas Hartmann-Wendels - Am 24. März 2016 hat der bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich angesiedelte Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht (BCBS) ein Konsultationspapier mit dem Titel "Reducing variation in credit risk-weighted assets - constraints on the use of internal model approaches" veröffentlicht. Der Autor erläutert in diesem Beitrag die zu erwartenden Neuerungen für Leasing-Gesellschaften.

Das Konsultationspapier "Reducing variation in credit risk-weighted assets - constraints on the use of internal model approaches" enthält eine Reihe von Vorschlägen zur künftigen Nutzung des auf internen Ratings basierenden Ansatzes (IRBA) für die Ermittlung der Kapitalanforderungen für Kredit risiken. Letztlich laufen diese Vorschläge auf eine Einschränkung der Freiheitsgrade hinaus, die bei der Schätzung der Risikoparameter bestehen. Unmittelbar von den Vorschlägen des BCBS betroffen sind Leasing-Gesellschaften, die als Teil einer Institutsgruppe in die konsolidierte Bankenaufsicht einbezogen sind. Es steht allerdings zu erwarten, dass die generelle Zielrichtung des Konsultationspapiers, die Nutzung des IRBA stärkeren Restriktionen zu unterwerfen, gleichermaßen auf die qualitative Bankenaufsicht ausstrahlen wird. Damit betrifft das Konsultationspapier auch Leasing-Gesellschaften, die im Rahmen der Risikotragfähigkeitsrechnung eigene Kreditrisikomodelle anwenden.

Die Entwicklung der bankaufsichtlichen Regelungen war über Jahrzehnte durch das Bemühen geprägt, die Mindesteigenkapitalanforderungen möglichst risikosensitiv zu gestalten. Wichtige Meilensteine dieser Entwicklung waren die Zulassung eigener Risikomodelle für Marktpreisrisiken im Jahre 1996 sowie die im Rahmen von Basel II geschaffene Möglichkeit, selbst geschätzte Risikoparameter für die Ermittlung der Kapitalanforderungen für Kreditrisiken zu nutzen. Dahinter steckte die Idee, dass die mit den Mindesteigenkapitalvorschriften verfolgten aufsichtlichen Ziele am besten durch möglichst risikosensitive Kapitalanforderungen erreicht werden können. Auf institutseigenen Schätzungen basierende Risikomodelle können die individuelle Risikosituation wesentlich genauer abbilden als Standardverfahren, die auf Durchschnittswerten basieren. Zudem reduzieren genauere Risikomessverfahren die Möglichkeiten zur Regulierungsarbitrage.

Hintergrund

Mit dem Ausbruch der Finanzmarktkrise hat sich die Einstellung der Bankenaufseher zu den eigenen Risikomodellen grundlegend geändert. Sie machen eigene Risikomodelle für das Ausmaß der Finanzmarktkrise mit verantwortlich, weil sie ein Absinken der Eigenkapitalquoten ermöglicht hätten. Zudem wird die Zuverlässigkeit eigener Risikomodelle in Zweifel gezogen und dem Modellrisiko, das heißt dem Risiko, dass eigene Modelle aufgrund einer unzureichenden Datenbasis oder wegen fehlerhafter Modellkonstruktionen keine vertrauenswürdigen Ergebnisse erbringen, besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Kritisiert wird darüber hinaus, eigene Risikomodelle seien komplex und intransparent und könnten damit das Vertrauen in die Solidität der Banken nicht gewährleisten.

In dem Diskussionspapier mit dem Titel "The regulatory framework: balancing risk sensitivity, simplicity and comparability" vom 11. Oktober 2013 hat der Baseler Ausschuss die Leitlinien für die neuen bankaufsichtlichen Vorschriften vorgestellt. Demnach sollen diese Vorschriften nicht mehr vorrangig risikosensitiv sein, sondern als gleichberechtigte Zielsetzungen treten daneben die Einfachheit und Vergleichbarkeit. Einfachheit beinhaltet: Ein Standard ist eindeutig formuliert und - auch für Außenstehende - leicht verständlich. Darüber hinaus sollen nur wenige, eindeutig messbare Inputgrößen und einfache Rechenverfahren zur Ermittlung der Eigenkapitalanforderungen verwendet werden. Vergleichbarkeit ist dann gegeben, wenn zwei Banken mit identischem Risikoprofil dieselbe regulatorische Eigenkapitalanforderung ermitteln und sich die Eigenkapitalanforderungen stets proportional zum Risikoprofil verändern. Vergleichbarkeit verlangt darüber hinaus, dass Unterschiede in den risikogewichteten Aktiva leicht erklärbar sind.

An dieser Stelle wird nicht diskutiert, inwieweit sich die drei Zielsetzungen Risikosensitivität, Einfachheit und Vergleichbarkeit miteinander vereinbaren lassen. Offensichtlich ist aber: Eigene Risikomodelle oder aufsichtliche Verfahren, die auf selbst geschätzten Risikoparametern beruhen, sind mit dem neuen Aufsichtskonzept nur schwer vereinbar. Eigene Risikomodelle gestalten sich mathematisch meist sehr anspruchsvoll, und die Ergebnisse lassen sich von Außenstehenden in der Regel nicht nachvollziehen, da weder die Modellstruktur noch die Input-Daten bekannt sind. Da sich die Modellkonstruktionen und die verwendeten Risikoparameter unterscheiden, lassen sich auch die Modellergebnisse nur sehr eingeschränkt miteinander vergleichen. Die von den Banken verwendeten Risikomodelle kommen, selbst bei Verwendung ein und desselben Testportfolios, zu deutlich unterschiedlichen Kapitalanforderungen; das haben die vom Baseler Ausschuss in den letzten Jahren durchgeführten "Regulatory Consistency Assessment Programme" ergeben.1) Ein Teil dieser Ungleichheiten lässt sich darauf zurückführen, dass die Banken unterschiedlichen regulatorischen Detailvorgaben folgen müssen, ein wesentlicher Teil der Unterschiede hat aber seine Ursache darin, dass Risikoabhängigkeiten und -zusammenhänge unterschiedlich modelliert werden und zur Schätzung von Risikoparametern unterschiedliche Datensätze verwendet werden.

Um die - nach Meinung des Baseler Ausschusses - zu große Variabilität in den regulatorischen Eigenkapitalanforderungen zu reduzieren und zugleich die Komplexität der Regulierungsvorschriften zu verringern, hat der BCBS eine Reihe von Maßnahmen vorgeschlagen.2) Hierzu gehören

- eine Überarbeitung der Standardansätze für Marktpreis- und Kreditrisiken,

- die Einführung eines Floors, der die regulatorischen Kapitalanforderungen eigener Modelle an die Kapitalanforderungen der Standardansätze koppelt,

- strengere und einheitlichere Anforderungen an die Datenbasis,

- eine Beschränkung der Diversifikationsvorteile,

- die Abschaffung der ambitionierten Messansätze für operationelle Risiken sowie

- umfangreichere Veröffentlichungspflichten.

Auch die Einführung einer Leverage Ratio als nicht risikobasierte Kapitalanforderung soll dem Ziel dienen, die Unterschiede in den regulatorischen Kapitalanforderungen zu begrenzen.

Um dieses Ziel zu erreichen, hat der Baseler Ausschuss in den letzten Jahren eine Reihe von Papieren veröffentlicht, die von den Bankenaufsehern als Fertigstellung von Basel III, aufgrund der Reichweite der neuen Regeln inoffiziell dagegen unter dem Titel "Basel IV" diskutiert werden.3) Hierzu gehört der neue Standard für Marktpreisrisiken4) , der einen überarbeiteten Standardansatz sowie strengere Vorgaben für die Verwendung eigener Risikomodelle vorsieht sowie zwei Diskussionspapiere zur Überarbeitung des Standardansatzes für Kreditausfallrisiken5) und des Standardansatzes für operationelle Risiken6) . Damit reiht sich das Konsultationspapier über die Beschränkungen für den Einsatz des IRBA in eine Serie von Bemühungen ein, die alle das Ziel haben, die Bedeutung bankeigener Modelle sowie die Verwendung selbst geschätzter Risikoparameter zu reduzieren.

Parallel zu den Arbeiten des Baseler Ausschusses hat sich die European Banking Authority (EBA) in mehreren Papieren mit internen Kreditrisikomodellen beschäftigt.7) Ziel ist es, einheitliche Standards für die Anwendung des IRBA in allen Ländern der Bankenunion vorzugeben.

IRBA in Zukunft

Das Konsultationspapier des Baseler Ausschusses enthält drei Maßnahmenbündel. Im ersten Maßnahmenbündel nennt es bestimmte Portfolios, für die in der Zukunft der IRBA gar nicht mehr oder nur noch in der Basisvariante angewendet werden darf. Als maßgeblich für die Identifizierung dieser Portfolios gelten drei Kriterien:

- Die Datenbasis ist zu gering für eine valide Schätzung der Risikoparameter Ausfallwahrscheinlichkeit (PD) und Verlustquote (LGD). Dies trifft typischerweise auf Portfolios mit sehr geringen Ausfallraten (Low Default Portfolios) zu.

- Der Kreditgeber verfügt über keine wesentlichen Informationen, die nicht auch anderweitig öffentlich zugänglich sind. Dies betrifft vor allem große Unternehmen, die meist ein externes Rating in Anspruch nehmen und als börsennotierte Unternehmen von Analysten beobachtet werden.

- Es stehen keine robusten und allgemein akzeptierten Modellierungstechniken zur Verfügung, die validiert werden können. Dies betrifft wiederum Portfolios, bei denen aufgrund einer geringen Ausfallrate die Datenbasis gering ist, daneben trifft dieses Kriterium in besonderem Maße für die Verlustquote im Insolvenzfall (Loss Given Default - LGD) zu. Während für die Schätzung von Ausfallwahrscheinlichkeiten schon seit Jahrzehnten etablierte Verfahren zur Verfügung stehen, ist die Schätzung von LGDs ein noch relativ junges Gebiet, für das sich noch keine allgemein akzeptierten Verfahren herauskristallisiert haben.8) Methodische Unterschiede in der LGD-Schätzung werden daher für einen Großteil der Unterschiede in den regulatorischen Eigenkapitalanforderungen verantwortlich gemacht.9)

Auf der Basis dieser Kriterien schließt das Konsultationspapier folgende Risikopositionen von der Anwendung des IRBA aus:

- Forderungen gegenüber Banken und anderen Finanzinstituten einschließlich Versicherungen;

- Forderungen gegenüber Konzernunternehmen mit einer Konzernbilanzsumme von mehr als 50 Milliarden Euro;

- Risikopositionen in Form von Aktien;

- Spezialfinanzierungen.

Für Forderungen gegenüber Konzernunternehmen mit einer Konzernbilanzsumme bis zu 50 Milliarden Euro und jährlichen Umsatzerlösen von mehr als 200 Millionen Euro darf nur der IRBA in der Basisvariante eingesetzt werden. Für diese Positionen dürfen somit nur selbst geschätzte Ausfallwahrscheinlichkeiten, nicht aber selbst geschätzte Verlustquoten zur Verwendung kommen.

Darüber hinaus soll die Interne-Modelle-Methode (IMM) nicht mehr zugelassen werden für die Bemessung der regulatorischen Kapitalanforderungen für das Credit Value Adjustment (Risiko einer Bewertungsanpassung von OTC-Derivaten aufgrund einer Bonitätsverschlechterung des Kontrahenten). Für das Kontrahentenausfallrisiko von Derivaten und Wertpapierfinanzierungsgeschäften darf die IMM zwar weiterhin verwendet werden, allerdings dürfen die Eigenkapitalanforderungen einen bestimmten Prozentsatz der Eigenkapitalanforderungen, die auf Basis des Standardansatzes ermittelt werden, nicht unterschreiten (Floor).

Untergrenzen für Risikoparameter

Um zu verhindern, dass die Eigenkapitalanforderungen bei Nutzung des IRBA zu gering ausfallen, werden für die selbst geschätzten Risikoparameter Ausfallwahrscheinlichkeit, Verlustquote und Konversionsfaktoren (CCF)/Exposure-at-Default (EAD) für außerbilanzielle Geschäfte Mindestwerte (Floors) vorgeschlagen (siehe Tabelle 1).

Bei einer teilweise besicherten Position berechnet sich der Floor als gewogener Durchschnitt aus dem gesicherten und dem ungesicherten Teil der Forderung. Bislang gibt es eine Untergrenze für selbst geschätzte Parameter nur für die Ausfallwahrscheinlichkeit für Unternehmenskredite und Beteiligungen, sie liegt zwischen 0,03 Prozent für Unternehmenskredite und 1,25 Prozent bei bestandsverringernden Beteiligungspositionen. Dem Baseler Ausschuss ist bewusst, dass relativ hoch angesetzte Untergrenzen zwar zu einer geringeren Variabilität in den Ergebnissen führen, damit aber zugleich auch Anreize gesetzt werden, riskantere Positionen einzugehen, das heißt Positionen, bei denen die selbst geschätzten Risikoparameter nicht unter den Mindestwerten liegen.

Methodische Vorgaben für die Parameterschätzung

Das dritte Maßnahmenbündel zielt darauf ab, die Kriterien Einfachheit und Vergleichbarkeit zu erfüllen, indem die methodischen Vorgaben für die Schätzung der Risikoparameter enger gefasst werden. Rating-Systeme sollen dergestalt sein, dass die Kreditnehmer relativ zum Konjunkturzyklus ("through-the-cycle") eingestuft werden. Veränderungen der Rating-Einstufungen sind demnach nur aufgrund unternehmens- oder branchenspezifischer Ereignisse vorzunehmen, nicht aber aufgrund von Veränderungen der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung. Die geschätzten Ausfallwahrscheinlichkeiten sollen auf durchschnittlichen Einjahres-Ausfallraten basieren, wobei sowohl wirtschaftlich gute als auch schlechte Jahre zu berücksichtigen sind.10) Für jede Rating-Stufe soll mindestens eine Ausfallwahrscheinlichkeit geschätzt werden.

Die im Rahmen des Basis-IRBA verwendeten aufsichtlichen LGD-Werte für unbesicherte Forderungen bleiben unverändert bei 45 Prozent beziehungsweise bei 75 Prozent für nachrangige Risikopositionen. Als Kreditrisikominderungen werden weiter hin neben finanziellen Sicherheiten auch Forderungen, Immobilien und sonstige physische Sicherheiten anerkannt. Für die Berücksichtigung aller Sicherheitenarten gibt es künftig einen einheitlichen Ansatz, bei dem die Risikoposition in einen besicherten und in einen unbesicherten Teil aufgespaltet wird. Der besicherte Teil ergibt sich als Quotient aus dem um einen Haircut [HC ] gekürzten Wert der Sicherheit [C x (1 - HC )] und der Gesamtrisikoposition [E]. Für den unbesicherten Teil wird weiterhin ein LGD von 45 Prozent [= LDGU ] angesetzt, der besicherte Teil wird mit einer von der Art der Sicherheit abhängigen Verlustquote [LDGC ] gewichtet:

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Die Werte für die Haircuts werden heraufgesetzt, während die aufsichtlichen Werte für die Verlustquote des besicherten Teils abgesenkt werden. Der Haircut für andere physische Sicherheiten steigt von 28,57 Prozent

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auf 50 Prozent, dies entspricht einer Überbesicherungsquote von 200 Prozent gegenüber dem heutigen Stand von 140 Prozent. Die aufsichtliche Verlustquote für andere physische Sicherheiten sinkt von 40 Prozent auf 25 Prozent, zudem entfällt die Mindestbesicherungsquote von derzeit 30 Prozent. Insgesamt sieht das Konsultationspapier für besicherte Forderungen eine niedrigere Verlustquote vor, wobei der Vorteil gegenüber der heutigen Regelung mit zunehmender Besicherungsquote zunimmt (Vgl. Tabelle 2).

Basel II sieht vor, dass die im Rahmen des fortgeschrittenen IRB-Ansatzes selbst geschätzten Verlustquoten nicht nur auf einer langfristigen Durchschnittsbetrachtung basieren, sondern auch die Auswirkungen eines wirtschaftlichen Abschwungs berücksichtigen ("Downturn-LGD", Basel II, § 411). Die Methodik, mit der der Downturn-Effekt berücksichtigt wird, ist nach Meinung des Baseler Ausschusses verantwortlich dafür, dass die LGD-Schätzungen sehr unterschiedlich ausfallen. Um an dieser Stelle mehr Vergleichbarkeit herzustellen, sollen die LGD-Schätzungen für unbesicherte Forderungen künftig separiert werden in eine Schätzung auf der Basis langfristiger Durchschnittswerte und in eine gesonderte Schätzung des Downturn-Effekts. Der Gesamt-LGD setzt sich dann aus beiden Komponenten zusammen, wobei erwogen wird, für den Downturn-LGD einen gesonderten Floor vorzusehen, der zusätzlich zu den Mindestwerten aus Tabelle 1, Seite 191, zu berück sichtigen ist.

Weitere Vorgaben für die Schätzung der Risikoparameter PD und LGD hat die EBA vorgeschlagen. Die Schätzungen der Risikoparameter PD und LGD müssen hinreichend konservativ sein, LGDs sind ausfallgewichtet und nicht exposuregewichtet zu schätzen, und für die LGD-Schätzung ausgefallener Verträge muss eine gesonderte Methodik verwendet werden, welche die zusätzlichen Informationen berücksichtigt, die seit dem Ausfallzeitpunkt bekannt wurden.11) Darüber hinaus plant die EBA weitere Leitlinien und technische Standards zu den Risikoparametern PD und LGD.12) Selbst geschätzte Konversionsfaktoren für außerbilanzielle Geschäfte erlauben die Vorstellungen des Baseler Ausschusses künftig nur noch für Institute, die eine Zulassung zum fortgeschrittenen IRBA haben, und dies auch nur noch für einen eingeschränkten Kreis an außerbilanziellen Geschäften. Ansonsten sind die Konversionsfaktoren des Kreditrisikostandardansatzes zu verwenden. Für die Schätzung des Exposure at Defaults (EAD) sind ebenfalls strengere Vorgaben vorgesehen. So sollen auch überfällige Zinszahlungen berücksichtigt und die EAD-Schätzung auf der Basis langfristiger Durchschnittswerte konservativ vorgenommen werden. Kreditrisikominderungen in Form von Garantien und Kreditderivaten werden nur noch unter stren geren Voraussetzungen anerkannt, eigene Schätzungen von Haircuts für Sicherheiten sollen weder im Standardansatz noch im Basis-IRBA zulässig sein.

Validierung des IRBA

Die EBA hat Vorschläge entwickelt, die sicherstellen sollen, dass die mit dem IRBA ermittelten Eigenkapitalanforderungen valide sind. Demnach wird die Entwicklung und Validierung interner Modelle künftig von zwei separaten Organisationseinheiten durchgeführt. Zusätzlich müssen die IRB-Systeme mindestens einmal jährlich von der Internen Revision geprüft werden. Um Unterschiede in der Ermittlung der Kapitalanforderungen gering zu halten, müssen die IRBA-Institute künftig an einem Benchmarking teilnehmen.13)

Damit will man solche Modelle identifizieren, die für ein vorgegebenes Portfolio deutlich niedrigere Eigenkapitalanforderungen ermitteln. Diese Modelle werden einer genaueren aufsichtlichen Überprüfung unterzogen und gegebenenfalls mit Eigenkapitalzuschlägen bedacht.

Auswirkungen auf Leasing-Gesellschaften

Die Bemühungen der Bankenaufseher, die auf der Basis selbst geschätzter Risikoparameter ermittelten Eigenkapitalanforderungen zu harmonisieren, sind verständlich: Signifikante Unterschiede erschüttern das Vertrauen in die Aussagekraft von regulatorischen Eigenkapitalquoten, darüber hinaus besteht der Verdacht, Spielräume könnten dazu genutzt werden, die Eigenkapitalanforderungen möglichst kleinzurechnen. Andererseits ist zu bedenken, dass sich Risiken nicht eindeutig messen lassen und eine regulatorisch erzwungene Harmonisierung eine vermeintliche Zuverlässigkeit der Risikomessung vortäuscht, die es in Wahrheit nicht gibt. Darüber hinaus ist zu beachten: Unterschiede in den LGD-Schätzungen müssen kein Anzeichen für mangelnde Zuverlässigkeit sein, sondern können ebenso Ausdruck einer unterschiedlich guten Verwertungskompetenz sein.

Für IRBA-Institute bedeuten die geplanten Veränderungen einen erheblichen Anpassungsaufwand. So erfordert die Trennung zwischen Entwicklung und Validierung organi satorische Umstellungen und zusätzlichen Personalaufwand, Gesellschaften, die auf Pool-Lösungen zurückgreifen, sehen sich erhöhten Anforderungen an das Outsourcing von Rating-Systemen gegenüber, und die Vorgaben für die Risikoparameter erfordern gegebenenfalls eine Neukalibrierung der Schätzmethodik.

Die Regelungen des Baseler Ausschusses und der EBA orientieren sich an der typischen Ausfallrisikosituation im Kreditgeschäft. Leasing-Gesellschaften weisen im Durchschnitt aber signifikant niedrigere Ausfallrisiken auf als Banken. Dies zeigt eine umfangreiche empirische Studie, an der sich zehn große Leasing-Gesellschaften in verschiedenen europäischen Ländern beteiligt haben.14) Die Untersuchung bezieht sich auf den Zeitraum 2007 bis 2011 und umfasst insgesamt 1,5 Millionen Leasing-Verträge. Die wesentlichen Ergebnisse der Studie sind:

- Während für das Jahr 2010 der Median der Ausfallquoten für Kredite an Unternehmen bei 3,0 Prozent, der Median der Ausfallquoten für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sogar bei 4,5 Prozent liegt15) , beträgt die Ausfallquote in der Leasing-Stichprobe im selben Jahr nur 2,4 Prozent. Auf den gesamten Untersuchungszeitraum bezogen beläuft sich die durchschnittliche Ausfallquote auf 2,64 Prozent.

- Der Median der Verlustquoten (LGD) bei Krediten an Unternehmen beziehungsweise KMUs betrug im Jahr 2010 30 Prozent beziehungsweise 35 Prozent. Im selben Zeitraum liegt die durchschnittliche Verlustquote für ausgefallene Leasing-Verträge lediglich bei gut 20 Prozent. Für den gesamten Untersuchungszeitraum ergibt sich eine durchschnittliche Verlustquote von 16,7 Prozent. Dabei gibt es je nach Objektart beträchtliche Unterschiede: Die durchschnittliche LGD schwankt zwischen circa zehn Prozent bei Nutzfahrzeugen und Maschinen und 30 Prozent bei Computern und Informationstechnik.

- Unter gestressten Bedingungen fallen die Unterschiede zwischen den Verlustquoten von Krediten und Leasing-Verträgen noch deutlicher aus: Während der Median der LGDs bei Krediten im Stressszenario um 17 Prozent ansteigt, beträgt der durchschnittliche LGD von Leasing-Verträgen, berechnet für das 99,9 Prozent-Perzentil, nur 18,1 Prozent. Damit liegt der Downturn-LGD deutlich unter dem im Basis-IRBA aufsichtlich vorgegebenen Parameter von derzeit 40 Prozent (beziehungsweise zukünftig 25 Prozent) bei Erreichen der höchst möglichen Überbesicherungsquote. Auch der vorgeschlagene Wert für den Floor bei selbst geschätzten Verlustquoten von 20 Prozent für andere physische Sicherheiten übersteigt den gestressten LGD-Wert.

Die aufsichtlich vorgegebenen Risikoparameter im Konsultationspapier des Baseler Ausschusses spiegeln die durchschnittlichen Gegebenheiten im Kreditgeschäft, nicht aber im Leasing-Geschäft wider. Der besonderen Risikosituation angemessen wäre, für das Leasing-Geschäft einen gesonderten aufsichtlichen LGD-Parameter im Basis-IRBA und einen niedrigeren Wert für den Floor im fortgeschrittenen IRBA vorzusehen. Das früher bestehende nationale Wahlrecht, für durch Leasing besicherte Forderungen einen gesonderten Wert für den LGD in Höhe von 35 Prozent festzulegen, ist in der CRR nicht mehr enthalten.

Das Konsultationspapier betrifft unmittelbar nur Leasing-Gesellschaften, die als bankenabhängiges Unternehmen in die konsolidierte Bankenaufsicht einbezogen sind und die quantitativen Kapitalanforderungen der ersten Säule erfüllen müssen. Es ist allerdings zu erwarten, dass die allgemeine kritische Haltung zur Verwendung selbst geschätzter Risikoparameter auch auf die Bankenaufsicht im Rahmen der zweiten Säule ausstrahlen wird. Möglich ist, dass die bislang gegebene Methodenfreiheit im Rahmen der Risikotragfähigkeitsrechnung zugunsten einer stärkeren Vereinheitlichung der Risikomess- und -steuerungsmethoden eingeschränkt wird.

Leasing-Gesellschaften, die selbst geschätzte Ausfallwahrscheinlichkeiten und oder selbst geschätzte Ausfallquoten im Rahmen der Risikotragfähigkeitsrechnung verwenden, müssen künftig mit einem deutlich kritischeren Blick der Bankenaufseher rechnen. Dies betrifft sowohl die Datenmenge und Datenqualität, auf der die Schätzungen beruhen, als auch die verwendeten Schätzmethoden. Insbesondere die Schätzung von Verlustquoten wird für Leasing-Gesellschaften eine besondere Herausforderung sein: Einerseits bemängelt das Konsultationspapier des Baseler Ausschusses, die Methodenentwicklung bei der Schätzung von Verlustquoten sei noch nicht ausgereift, daher ist hier mit einer besonders kritischen Prüfung der Schätzwerte zu rechnen; andererseits kommt der Schätzung von Verlustquoten für Leasing-Gesellschaften eine besondere Bedeutung zu, da die schnelleren und besseren Verwertungsmöglichkeiten höhere Rückflüsse ermöglichen.

Um diesen Vorteil des Leasings zur Geltung bringen zu können, kommt es darauf an, dass die selbst geschätzten Verlustquoten nicht durch Aufschläge oder Floors nach oben verzerrt werden. Dies wird nur gelingen, wenn die Leasing-Gesellschaften die Bankenaufseher von der Zuverlässigkeit ihrer Schätzwerte überzeugen können. Hier für sind noch deutliche Anstrengungen notwendig, und zwar sowohl bezüglich der Datenqualität als auch der Entwicklung valider Schätzmethoden.

1) Siehe BCBS: Regulatory consistency assessment programme (RCAP) - Analysis of riskweighted assets for credit risk in the banking book, July 2013, April 2016; Analysis of riskweighted assets for market risk, January 2013 (rev February 2013); Second report on riskweighted assets for market risk in the trading book, December 2013;

2) Siehe BCBS: Reducing excessive variability in banks' regulatory capital ratios. A report to the G20, Basel, November 2014.

3) Die Bankenaufseher selbst lehnen die Bezeichnung "Basel IV" ab und sehen die Vorschläge als eine Weiterentwicklung von Basel III an.

4) BCBS: Minimum capital requirements for market risks, Basel January 2016.

5) BCBS: Revisions to the Standardised Approach for credit risk, Basel, December 2015.

6) BCBS: Standardised Measurement Approach for operational risk, Basel, March 2016.

7) EBA: Future of the IRB Approach, Discussion Paper, März 2015; The EBA's Regulatory Review of the IRB Approach, February 2016.

8) Vgl. Hartmann-Wendels, T.; Miller, P.; Töws, E.: Loss Given Default for leasing: Parametric and nonparametric estmations, in: Journal of Banking & Finance, vol. 40 (2014), S. 364 - 375.

9) Vgl. EBA: The EBA's Regulatory Review of the IRB Approach, February 2016, Nr. 76.

10) Siehe hierzu auch: EBA: Draft Regulatory Technical Standards on the Specification of the Assessment Methodology for Competent Authorities Regarding Compliance with the Requirements to Use the IRB Approach in Accordance with Articles 144(2), 173(3) and 180(3) (b) of Regulation (EU) No 575/2013, S. 14.

11) EBA: Draft Regulatory Technical Standards on the Specification of the Assessment Methodology for Competent Authorities Regarding Compliance with the Requirements to Use the IRB Approach in Accordance with Articles 144(2), 173(3) and 180(3)(b) of Regulation (EU) No 575/2013, S. 28.

12) EBA: Future of the IRB Approach, Discussion Paper, March 2015.

13) Vgl. EBA: EBA Final Draft Regulatory Technical Standards on Benchmarking Portfolio Assessment Standards and Assessment Sharing Procedures under Article 78 of Directive 2013/36/EU; EBA Final draft Implementing Technical Standards on Benchmarking Portfolios, Templates, Definitions and IT Solutions under Article 78 of Directive 2013/36/EU, March 2015.

14) Vgl. Deloitte: Implicit Risk Weights for SME Leasing in Europe, September 2013.

15) Vgl. EBA: 2011 EU-wide Stress Test - Aggregate Report.

DER AUTOR: Univ.-Prof. Dr. Thomas Hartmann-Wendels, Köln,ist seit 1999 Direktor des Seminars für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Bankbetriebslehre an der Universität zu Köln und außerdem geschäftsführender Direktor des Instituts für Bankwirtschaft und Bankrecht sowie des Forschungsinstituts für Leasing. Er lehrte an den Universitäten in Osnabrück, Aachen und Köln Finanzierungs- und Bankbetriebslehre.E-Mail:hartmann-wendels[at]wiso.uni-koeln[dot]de
Univ.-Prof. Dr. Thomas Hartmann-Wendels , Direktor, Seminar für ABWL und Bankbetriebslehre, Universität zu Köln, Köln, geschäftsführender Direktor, Institut für Bankwirtschaft und Bankrecht, Forschungsinstitut für Leasing

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