BANKING

Request-to-Pay für mehr Transparenz im Zahlungsverkehr

Vom neuen Standard profitieren alle Beteiligten

Eric Waller, Foto: E. Waller

Seit 15. Juni 2021 ist die paneuropäische elektronische Zahlungsanforderung Request-to-Pay für verfügbar. Finanzdienstleister zeigen sich wenig euphorisch, dabei stößt das neue System allgemein auf Begeisterung. Viele Institute scheinen vor dem technischen Aufwand im Zuge des Umsetzungsprozesses zurückzuschrecken. Dieser ist aber nicht herausfordernder als bei der Echtzeitüberweisung. Ein Beitrag über das Funktionsprinzip und die Implementierung des neuen Standards, dessen Vorteile und darüber, warum zögernde Institute möglichweise bald das Nachsehen haben. (Red.)

Ein Mahnverfahren, weil auf der Überweisung der Verwendungszweck falsch angegeben wurde, eine stornierte Reise, weil sich ein Zahlendreher bei der Bezahlung eingeschlichen hat, oder Rücklastschriftkosten, weil der Einzug der ersten Leasing-Rate in der Hektik des Alltags in Vergessenheit geriet - alles ärgerliche Vorkommnisse.

Nicht nur für den verhinderten Zahler, den Daheimgebliebenen oder den ungewollt säumigen Leasing-Nehmer, sondern für alle Beteiligten. Für Inkassounternehmen, denen der Ärger der Betroffenen gewiss ist, für Reiseunternehmen, die Kunden verlieren, weil sie Zahlungen nicht oder nur schwer zuordnen können, und für Leasing-Geber, bei denen Zweifel an der Solvenz des Vertragspartners aufkommen.

Fehlerquellen einfach ausschließen

Seit dem 15. Juni 2021 wären derartige Fälle vermeidbar. Jedenfalls wenn für die Zahlung eine elektronische Zahlungsanforderung nach dem neuen europäischen Standard Request-to-Pay (RTP) genutzt worden wäre, siehe hierzu auch Abbildung 1. Zum genannten Stichtag trat das Regelwerk für SEPA Request-to-Pay (SRTP) in Kraft, dem Banken jederzeit beitreten und auf den dortigen Vorgaben basierende Produkte anbieten können.

Das Funktionsprinzip ist einfach: Der Rechnungssteller übermittelt beim Verkauf von Waren oder Dienstleistungen an den Käufer eine digitale Aufforderung im XML-Format, den dafür geschuldeten Betrag zu bezahlen. In dieser Nachricht sind sämtliche für den Transfer des Geldes benötigten Informationen in einem standardisierten Schema hinterlegt. Dies ist der eigentliche RTP. Mit einem Klick kann der Zahlungspflichtige die Daten in seine Banking-Umgebung übernehmen und muss den Vorgang nur noch autorisieren. Sein Finanzdienstleister führt den Auftrag aus und überweist den Rechnungsbetrag an die Bank des Zahlungsempfängers. Die unterrichtet ihren Kunden über die Annahme des RTP und/ oder den Geldeingang.

Der klare Vorteil: Fehler beim Verwendungszweck kommen nicht mehr vor, Unternehmen können im Datensatz sogar strukturierte Merkmale für eine automatisierte Zuordnung der Zahlung hinterlegen und der Empfänger wird noch einmal darauf aufmerksam gemacht, dass eine Zahlung von ihm erwartet wird. So hätte der Leasing-Nehmer, um bei einem der Beispiele zu bleiben, die Möglichkeit gehabt, für eine ausreichende Kontodeckung zu sorgen, bevor er die Zahlung autorisiert.

Große Nachfrage - fehlende Angebote

Die Angelegenheit hat aber, zumindest derzeit noch, einen Haken. Es gibt kaum Finanzdienstleister, die auf RTP aufsetzende Services anbieten. Der Standard ist also da, die Nutzer fehlen. Warum? An mangelnder Nachfrage kann es nicht liegen, wie eine Studie der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) in Kooperation mit dem Hamburger Beratungs- und Softwarehaus PPI AG beweist. Dazu wurden Unternehmen aus ganz Europa zu ihrer Bereitschaft befragt, RTP einzusetzen. Außerdem ging es den Initiatoren darum, die Erwartungen der Firmen hinsichtlich RTP in Erfahrung zu bringen. In die Auswertung gingen Antworten aus 20 verschiedenen Staaten ein, zwei Drittel der Teilnehmer weisen einen Jahresumsatz oberhalb von 50 Millionen Euro aus. Schwerpunkt war natürlich die Haltung der Unternehmen zur Verwendung von RTP in den potenziellen Einsatzfeldern Point-of-Sale (PoS), E-Commerce, elektronische Rechnung und wiederkehrende Zahlungen.

Die unlängst veröffentlichten Ergebnisse sprechen eine klare Sprache: Nahezu sämtliche Unternehmen haben ein Interesse am Einsatz des Standards und finden es wichtig, hier für eine europaweit einheitliche Verwendbarkeit zu sorgen. Die internationale Ausrichtung vermag wenig zu verwundern, würden schließlich 70 Prozent der teilnehmenden Firmen RTP auch für grenzüberschreitende Zahlungen einsetzen. In allen vier konkret abgefragten Einsatzbereichen konnten sich jeweils mehr als 80 Prozent der Befragten eine Nutzung von RTP zumindest vorstellen. Im E-Commerce lag der Anteil sogar über 90 Prozent.

Abbildung 1: RTP macht einfaches Bezahlen möglich Quelle: PPI AG

Weiteres Einsatzpotenzial wird bei Consumer-to-Consumer-Zahlungen oder, in bestimmten Szenarien, auch bei der Durchführung von Machine-to-Machine-Payments (M2M-Payments) gesehen. RTP wäre zudem für eine deutlich direktere nachgelagerte Kommunikation zwischen Verkäufer und Käufer von Waren und Dienstleistungen geeignet. 43 Prozent der Studienteilnehmer können sich beispielsweise vorstellen, Garantie- oder Rücksendeinformationen mit dem Datensatz zu transportieren.

Technische Fragestellungen

Wo sind dann die Gründe für die bisher sehr zögerliche Haltung der Finanzdienstleistungsbranche gegenüber RTP zu suchen? Möglicherweise scheut das ein oder andere Institut den Aufwand bei der Einführung oder hegt Bedenken hinsichtlich der Komplexität. Und natürlich ist die Einführung von RTP für einen Finanzdienstleister keineswegs trivial. Aber sie ist absolut im Bereich des Machbaren.

Zunächst gilt es herauszufinden, welche Themenfelder innerhalb des Bankbetriebs von einer RTP-Einführung betroffen wären (Abbildung 2). SRTP ist als sogenanntes "4-Corner-Modell" konzipiert. Daraus ergeben sich in fortgesetzter Logik auch die betroffenen Bereiche im Zahlungsverkehrsablauf einer Bank: Kunde-Bank-Schnittstelle, Zahlungsablauf, RTP-Clearing sowie Bank-Kunde-Schnittstelle (Abbildung 3). Im Umfeld jedes einzelnen Punktes kommen im Lauf der Vorbereitung einer RTP-Implementierung verschiedene Fragestellungen auf, von deren Beantwortung der letztlich zu kalkulierende Aufwand in erheblichem Maße abhängt.

  • Kunde-Bank-Schnittstelle: Ein wichtiger Punkt ist der Kommunikationsweg für einen RTP, also wie dieser vom Zahlungsempfänger zum Zahlungspflichtigen kommt. Eine digitale Adressierbarkeit von Rechnungen an Verbraucher funktioniert derzeit nur über die Registrierung bei einer Abrechnungsplattform oder bilateral per E-Mail. RTP bietet ergänzend die Möglichkeit, hierfür einen eingebetteten Link einzusetzen. Damit ließe sich ein zentrales, aber aktuell ungenutztes Ökosystem zur Verteilung von elektronischen Rechnungen aktivieren, namentlich die Banking-Systeme der Zahlungsdienstleister. Dann könnte der RTP über die Bank des Rechnungsstellers zur Bank des Zahlenden und schließlich zu diesem selbst gelangen.

Allerdings steht dem das Problem entgegen, dass derzeit keine Möglichkeit existiert, zentral an Informationen zur IBAN eines Adressaten zu kommen. Kurzfristige Abhilfe könnte eine Registrierungslösung schaffen, langfristig wäre eine einheitliche Datenbank wünschenswert. In dieser wären dann alle Bankkunden gespeichert und über ein Alias erreichbar. In diesem Zusammenhang ist vor allem die Politik gefragt.

  • Zahlungsablauf: Hier ist zunächst einmal eine technische Lösung notwendig, nämlich die des Matchings. Gemeint ist die Zuordnung von Systemantworten zum richtigen RTP-Datensatz. Das betrifft zuerst die Akzeptanznachricht, wenn der Rechnungsempfänger die Zahlungsanforderung annimmt und im Sinne von "Habe ich akzeptiert" bestätigt. Diese Nachricht muss in einigen Prozessmodellen auch den Rechnungsversender erreichen. Gleiches gilt für die eigentliche Zahlungsbestätigung, die auf keinen Fall in die falschen Kanäle geraten darf. Für die Verwendung am Point of Sale ist das ein K.-o.-Kriterium. Denn wenn an der Ladenkasse Wartezeiten entstehen, weil unklar ist, ob der Händler sein Geld erhalten hat, ist eine solche Nutzung sinnlos.

Ein zweiter wichtiger Punkt in diesem Zusammenhang ist die Klärung des tatsächlichen Zahlungssystems. Wird ein Forderungsausgleich per Echtzeitüberweisung beziehungsweise SEPA Instant Payment angeboten oder ausschließlich ein Transfer mit der ganz normalen Laufzeit einer SEPA-Überweisung? Im ersten Fall kann der Aufwand durchaus höher ausfallen, zumindest sofern das Kreditinstitut SEPA Instant Payment noch nicht implementiert hat.

  • RTP-Clearing: Für ein reibungsloses Funktionieren von RTP sind im Clearing insbesondere übergeordnete Organisationen gefragt. Denn aktuell bietet ein RTP-Clearing lediglich das Unternehmen EBA Clearing an, das 1998 von europäischen und internationalen Banken gegründet wurde. Als vollwertiger Clearing- und Settlement-Dienstleister für Zahlungen innerhalb Europas deckt es zwar bereits sehr viele Zahlungspflichtige beziehungsweise Adressaten eines RTP ab, aber eben nicht alle. Immerhin lassen sich problemlos schon im Massenzahlungsverkehr bewährte Clearing-Systeme adaptieren und - leicht modifiziert - zum Clearing eines RTP nutzen. Somit ist wenigstens keine komplett neue Infrastruktur notwendig.
  • Bank-Kunde-Schnittstelle: Dieser Punkt dient vor allem der Klärung praktischer Fragen. Das fängt bereits mit dem Weg an, über den der eigene Kunde einen RTP erhält - per Onlinebanking-System, per App oder ganz anders? Und wie kann er darauf antworten beziehungsweise welche Optionen soll er zur Verfügung haben, um mit den verschiedenen Zahlungsintervallen umzugehen? Multikanalfähigkeit dürfte hier vorauszusetzen sein.

Soll die Möglichkeit des Einsatzes von RTP am Point-of-Sale bestehen, führt an einer kritischen Betrachtung der bankeigenen Autorisierungsprozesse kein Weg vorbei. Schließlich nützt es dem Kunden nichts, praktisch per Handy zahlen zu können, wenn dafür ein zweites Gerät wie ein Token oder ähnliches notwendig ist, das versagen kann oder gar vergessen wird. Spätestens an diesem Punkt sind Spezialisten für Nutzererfahrung gefragt. Das gilt auch für den Fall der Integration in das Banking-Modul eines sogenannten "Enterprise-Resource-Planning-Systems". Für den Nutzer sollte hier genauso wenig unnötiger Mehraufwand entstehen.

Nächster Schritt: MVP

Das sind natürlich eine ganze Reihe offener Einzelfragen. Diese lassen sich am besten und schnellsten im Rahmen eines Minimum Viable Products (MVP) klären. Ein solches lässt sich verhältnismäßig zügig aufsetzen, bringt erste Erfahrungen bei der Umsetzung von RTP-Projekten und verschafft vor allem endgültige Klarheit über den notwendigen Aufwand. Vorher muss natürlich zunächst die Grundsatzentscheidung fallen, sich überhaupt am Markt der um RTP herum entstehenden Dienstleistungen zu beteiligen. Dieser hat allerdings aktuell einen entscheidenden Vorteil: Er ist - noch - weitgehend leer. Damit bietet sich selbst mittleren und kleineren Instituten die Chance, in einem neuen Dienstleistungssegment die Nase vorn zu haben. Sofern die Entscheidung bald fällt, denn zweifelsohne beansprucht auch ein MVP einen gewissen Zeitraum.

Abbildung 2: Themenfelder bei der technischen Integration von RTP Quelle: PPI AG

Ist die Gesamtstrategie hinsichtlich des Themas RTP entwickelt und mit der langfristigen Geschäftsplanung in Einklang gebracht, kann die MVP-Definition folgen. Daraus ergibt sich wieder der Grad der Betroffenheit jeder Einzelkomponente in der Zahlungsverkehrslandschaft des Instituts. Spätestens jetzt sollte die Entscheidung für ein bestimmtes Vorgehensmodell bei der tatsächlichen Entwicklung fallen, bei der die grundsätzliche strategische Ausrichtung eine entscheidende Rolle spielt.

Soll der Markteintritt schnell erfolgen oder ist hier eher eine langfristige Entwicklung gedacht? Im ersten Fall muss eventuell nach dem Trial-and-Error-Prinzip konzipiert und gearbeitet werden. Für ein solches Projekt bietet sich in jedem Fall ein agiles Vorgehen an. Ein klassisches Wasserfallmodell eignet sich dagegen eher für den zweiten Fall. Hier mag die Entwicklung länger dauern, kann aber durchaus nachhaltiger sein, da sich meist eine klarere Vorstellung zur architektonischen beziehungsweise technischen Umsetzung gewinnen lässt.

Konzepte zur Implementierung

Wie viel Zeit konkret für die Umsetzung eines RTP-basierten Produkts anzusetzen ist, ergibt sich aus der Addition der einzelnen Projektphasen. Am Anfang steht die drei- bis sechsmonatige Definitionsphase, an die sich die ungefähr gleich lange Konzeptionsphase anschließt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt müssen auch die letzten Antworten auf noch offene Fragestellungen in den vier genannten Themenbereichen eingeholt werden. Vor der folgenden Entwicklungsphase von sechs bis neun Monaten Dauer steht die Entscheidung "Make or buy?". Zukaufen kann die schnellere Lösung sein, aber nur, wenn die Schnittstellen passen und die Anwendung sich in die eigene IT-Systemlandschaft einfügt. Zuletzt kommt die Implementierungsphase, für die ähnlich viel Zeit eingeplant werden sollte.

Bis zum Launch eines MVP vergehen also 18 bis 30 Monate, ein recht ansehnlicher Zeitraum in einem dynamischen Marktumfeld. Dieser lässt sich aber durch eine agile Projektkonzeption verkürzen, da in einem solchen Fall einzelne Phasen zumindest teilweise parallel laufen. Insbesondere Konzept, Entwicklung und Implementierung können nebeneinander erfolgen. Welche tatsächlichen Kosten für ein solches Projekt anfallen, ist natürlich stark von den jeweiligen konkreten Gegebenheiten abhängig. Aber deren Höhe dürfte ungefähr mit einer Instant-Payment-Einführung vergleichbar sein. Ist diese bei einem Institut bereits geschehen, fallen nur noch etwa 30 bis 40 Prozent dieser Kosten an.

Eine weitere Möglichkeit, die Aufwände für die Einführung eines RTP-Produkts zu reduzieren, ist die Partnerschaft mit ausgewählten Unternehmenskunden. Weder rechtliche noch sachliche Bedenken sprechen dagegen und Firmen mit einem großen Rechnungsaufkommen sollten an sich an der Einführung von RTP interessiert sein. Denn die Rechnungsprozesse kosten sie bares Geld. Bei einem komplett konventionellen, papierbasierten Rechnungsstellungs- und Zahlungsablauf fallen für den Versender im Durchschnitt 11,10 Euro an Material- und Personalkosten an, beim Empfänger sind es sogar 17,60 Euro. Setzen die Unternehmen auf einen ausschließlich digitalen Prozess mit elektronischer Abrechnung und RTP, können sie auf beiden Seiten der Prozesskette über 60 Prozent der Kosten einsparen. Damit möglichst schnell möglichst viele Kunden der Unternehmen RTP nutzen, sollten gezielte Marketingkampagnen und gegebenenfalls diverse Anreize zum Einsatz kommen.

Abbildung 3: Herausforderungen auf dem Weg zu Request to Pay Quelle: PPI AG

Logische Fortsetzung der Digitalisierung

Egal ob allein oder mit Partner, die Amortisation dürfte nicht allzu lange dauern. Schließlich stärken Produkte und Services rund um RTP die Kundenbindung und können Marktanteile gewinnen. Weder mangelnde Nachfrage noch prohibitive technische Gründe sprechen gegen die Einführung von RTP-basierten Produkten. Und der Aufwand ist zwar keineswegs gering, aber sollte ein Finanzdienstleister deswegen auf den Einstieg in einen Zukunftsmarkt verzichten?

Die zögerliche Haltung vieler Finanzinstitute mag auch der derzeitigen Weltlage geschuldet sein, mit zunehmendem Zeitablauf wird sie allerdings immer weniger verständlich. Denn was ist RTP? Doch kaum etwas anderes als der nächste, logische Schritt im Digitalisierungsprozess der Gesamtgesellschaft. Analoge Rechnungen werden bald der Vergangenheit angehören, völlig egal ob aus Bequemlichkeit oder Notwendigkeit. Und bei der Digitalisierung gilt mehr denn je: Der frühe Vogel fängt den Wurm!

Detaillierte Ausführungen zu den erwartbaren technischen Fragestellungen, dem Aufwand und den Marktchancen von RTP enthält das aktuelle Whitepaper "Wie Request-to-Pay für Finanzdienstleister zur Erfolgsgeschichte wird" der PPI AG. Es steht unter www.ppi.de/wp-rtp3 kostenlos zum Download bereit.

Eric Waller , Manager , PPI AG, Hamburg

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