LEASING

"Eine durchdachte Risikostrategie muss Chancen nutzen"

Interview mit Sonja Kardorf

Sonja Kardorf, Foto: Deutsche Leasing

Leasing-Gesellschaften müssen Risiken systematisch identifizieren, bewerten, steuern und kontrollieren. Das ist gerade in Zeiten der Pandemie wichtig. Das Risikomanagement soll und kann aber nicht sämtliche Risiken vermeiden. Die Interviewpartnerin kennt als Risikoverantwortliche bei der Deutschen Leasing die Herausforderungen, denen Leasing-Gesellschaften ausgesetzt sind. Sie beschreibt die besonderen Risiken des Leasing-Geschäfts - auch im Vergleich zum Banking - und geht auf die Rolle von Risikomanager:innen ein. (Red.)

Frau Kardorf, was sind die besonderen Risiken im Leasing-Geschäft?

Im Vergleich zum klassischen Banking ist im Leasing-Geschäft das finanzierte Asset natürlich von besonderer Bedeutung. Je schwächer die Bonität des Leasing-Nehmers, umso wichtiger das zu finanzierende Asset. Hier gilt es, die Restwerte am Ende der Laufzeit treffsicher zu bestimmen. Die Herausforderung aktuell ist, dass Technologien sich sehr schnell weiterentwickeln. Bei neuen Technologien gibt es logischerweise keine historischen Werte, auf die man bauen kann. Daher schwingt hier eine größere Unsicherheit bei der Bewertung mit. Das Thema ist jedoch sehr spannend. Für uns ist es selbstverständlich und unsere Aufgabe als Marktführer in Deutschland, dass wir uns aktiv diesen Themen widmen.

Welche besonderen Situationen haben Sie in Ihrer Zeit als Risikoverantwortliche im Vorstand bei der Deutschen Leasing erlebt?

Definitiv befinden wir uns seit Ausbruch der Coronapandemie in einer besonderen Situation. Am herausforderndsten war seit Beginn der Pandemie, ein Krisenmanagement über 24 Länder hinweg aufzusetzen. Zum einen hat keiner von uns eine Pandemie bislang erlebt. Zum anderen wusste niemand, wie sich die wirtschaftliche Entwicklung abzeichnen und welche gesellschaftlichen Auswirkungen das nach sich zieht. Dennoch war schnelles Handeln angesagt, um unnötige Risiken im Neugeschäft zu vermeiden und die Risiken im Bestand weiterhin im Griff zu haben. Und neben dem Management der wirtschaftlichen Risiken mussten wir auch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor den gesundheitlichen Auswirkungen von Covid-19 schützen. Alles in allem ist uns beides erfolgreich gelungen.

Sind sämtliche Leasing-Bereiche und Unternehmensgrößen gleichermaßen von Risiken betroffen?

Hinsichtlich der Unternehmensgrößen unterscheiden wir zwischen Mengengeschäft und Individualgeschäft. Hierbei erfolgt die Risikomessung auf unterschiedliche Art und Weise. Im Mengengeschäft haben wir einen Portfolioansatz und prognostizieren die Ausfallrisiken auf das gesamte Portfolio. In der Gesamtheit ist davon auszugehen, dass es immer einen bestimmten Anteil an Ausfällen gibt, die jedoch über die kalkulierten Risikokosten gedeckt sein sollten. Im Individualgeschäft beurteilen wir die Kunden einzeln nach den klassischen Ratingverfahren. Bei diesen Kunden unterscheiden wir nach den Segmenten beziehungsweise Industrien, in denen sie tätig sind. Wir definieren unsere Investitionsbereitschaft anhand des Risikogehalts der Industrien und ihrer wirtschaftlichen Aussichten.

Mehr und mehr spielen auch die Nachhaltigkeitsrisiken in den verschiedenen Industrien eine tragende Rolle. Gleiches gilt auch für die finanzierten Assets - auch hier gilt es, den unterschiedlichen Risikogehalt zu bewerten. Neben den potenziellen Vermarktungsrisiken der Assets am Ende der Laufzeit spielt auch hier die Entwicklung der Technologien sowie die Nachhaltigkeit eine große Rolle. Antriebstechnologien in der Automobilindustrie unterliegen sicherlich einem höheren Schwankungsrisiko als ein klassischer Bagger.

Wird Ihre Aufgabe genauso stark von Regularien beeinflusst, wie bei den Kolleg:innen der Banken?

Zwar gibt es für Leasing-Unternehmen ein paar Erleichterungen, wie beispielsweise auf der Eigenkapitalseite. Grundsätzlich unterliegen wir als größeres Leasing-Unternehmen auch den Ma-Risk und der BAIT - neben anderen gesetzlichen Regelungen unter anderem bei Datenschutz, Geldwäsche und weiteren wesentlichen Gesetzen. Hier wissen wir ja, dass die neuesten Veröffentlichungen der BaFin in diesem Sommer auch wieder Aktivitäten der Institute nach sich ziehen.

Welche Bedeutung kommt Risikomanager:innen zu? Wie wichtig ist es, sich in Kundenbranchen und mit den Assets auszukennen - und wie stellt die Deutsche Leasing das sicher?

Eine Risikomanagerin oder ein -manager hat eine Schlüsselposition im Unternehmen und sollte sich daher in den Kundenbranchen sehr gut auskennen. Darüber hinaus sollte er oder sie auch bei schwierigen oder komplexen Sachverhalten mit dem Vertrieb zu den Kunden fahren.

Für die Assetseite haben wir spezialisierte Fachleute, die sich intensiv mit den Assets beschäftigen und nah am Markt sind. Auch ich als Risikovorstand besuche unsere Kunden sowie die Vendoren (Hersteller), um unsere Risiken bewerten zu können und Entwicklungen frühzeitig mitzubekommen.

Was sind häufige Fehler im Risikomanagement?

Es ist wichtig für mich, dass wir uns nicht nur auf Modelle verlassen, sondern durchaus auch unser Bauchgefühl mit einbringen. Gerade, wenn man Kunden kennenlernt, kann der persönliche Eindruck und ein vertieftes Gespräch einen veranlassen, zu einem anderen Fazit zu gelangen, als es die Theorie vermuten ließe.

Was zeichnet eine gut durchdachte Risikostrategie aus?

Eine Risikostrategie soll nicht blocken und verhindern, sondern Chancen nutzen und dabei die daraus bestehenden Risiken richtig einwerten. Wichtig ist, sich als Institut selbst immer wieder zu hinterfragen und neue Trends und Themen aufzunehmen. Sonst schaut man nur zurück und zieht sich auf historisch bekannte Muster zurück - das ist Stillstand. Dies wäre aber falsch, da unsere Welt sich stets weiterentwickelt und viele exogene Faktoren unsere Finanzinstitute beeinflussen.

Wie lassen sich Risikofaktoren minimieren?

Das ist relativ einfach: Know your customer, know your market - und bei Leasing auch: Know your asset!

Das Geschäft zu expandieren, birgt immer auch ein gewisses Risiko. Was raten Sie?

Bevor man sich in neue Regionen oder Industrien bewegt, muss man die Hausaufgaben machen und sich mit diesen Märkten aktiv beschäftigen. Gegebenenfalls ist es auch sinnvoll, für neue Projekte externe Expertinnen und Experten "einzukaufen" und diese beim Aufbau neuer Kompetenzen mit zu integrieren.

Was empfehlen Sie, wenn sich eine Zahlungsunfähigkeit der Leasing-Nehmer abzeichnet?

Auch hier haben wir einen Vorteil gegenüber den klassischen Banken. Als erstes ist es wichtig, nah an den Kunden zu sein. Corona hat uns da einiges gelehrt und gezeigt wie positiv die Nähe zu unserer Kundschaft ist - für beide Seiten. Wir haben die Möglichkeit, früh in eine Restrukturierung zu gehen, zum Beispiel über einen veränderten Zahlungsplan. Bei Umsatzeinbruch könnte es allerdings auch Sinn ergeben, über eine vorzeitige Rückgabe der Assets zu sprechen. Wenn die Marktlage für Gebrauchtassets gut ist, könnte dies für das Leasing-Unternehmen sogar mit Chancen verbunden sein.

Wie hat die Coronakrise die Risikosituation verändert?

Wir haben nach der Finanzmarktkrise gelernt, wieder das "Undenkbare" zu denken und uns nicht auf den Erfolgen der Vergangenheit auszuruhen. Daher ist Corona - auch wenn wir es uns nicht gewünscht haben - wie ein "Wakeup-Call". Wir sollten uns nicht zurücklehnen und immer wachsam sein, dann hat man auch die Risiken im Griff.

Welche Herausforderungen bestehen in Bezug auf die Steuerung von Nachhaltigkeitsrisiken?

Das ist aktuell ein großes Thema. Nicht nur die letzte Flutkatastrophe in Deutschland hat uns gezeigt, dass wir als Gesellschaft und Wirtschaft schnell handeln müssen. Die Green Asset Ratio allerdings auf EZB-Ebene ist meines Erachtens nicht die Lösung. Hierbei laufen wir Gefahr, dass wir einige Industrien von Finanzierung ausschließen müssen. Das kann aber nicht das Ziel sein. Dadurch würden Wertschöpfungsketten unterbrochen und die Arbeitslosigkeit könnte sich gegebenenfalls erhöhen. Auch ist es fraglich, ob man hierdurch die CO2 -Ziele wirklich erreicht. Meines Erachtens ist es viel wichtiger, die Unternehmen auf dem Weg der Transformation professionell zu begleiten. Dies ist auch unser Ziel bei der Deutschen Leasing. Hier stehen wir als Asset-Finance-Experten sehr gerne zur Verfügung und tragen zur Erreichung der ausgerufenen Nachhaltigkeitsziele bei. Dies gilt sowohl für E (Economical), S (Social) als auch für G (Governance).

Und dann gibt es eine Reihe von weiteren Herausforderungen: die Coronapandemie, Veränderung der gesellschaftlichen Werte, aufkommende Inflation, Lieferkettenproblematiken und politische Instabilität. Das müssen wir umsichtig und mit Bedacht managen!

Sonja Kardorf , Mitglied des Vorstandes , Deutschen Leasing AG, Bad Homburg vor der Höhe
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