MOBILITÄT

Finanz- und Mobilitätsdienstleistungen im Wandel - ein Start-up gibt Gas

Interview mit Nico Polleti

Nico Polleti, Foto: Cluno

Neben dem klassischen Kauf, der Finanzierung oder dem Leasing von Fahrzeugen etablieren sich vermehrt neue Mobilitätslösungen auf dem Automobilmarkt. Als vierte Säule neben den klassischen Modellen tritt zusehends die Pkw-Nutzung im Abo. Den digitalen Weg zum Abo-Auto verspricht das Mobility- und Fintech-Start-up Cluno. Das Unternehmen wurde von Christina Polleti, Nico Polleti und Andreas Schuierer gegründet und wird von Venture Capital Investoren unterstützt. CEO Nico Polleti gibt Auskunft. (Red.)

Der Markt für Mobilitätsdienstleistungen ist in Bewegung. Man denke nur an die Zusammenarbeit zwischen BMW und Daimler. Was hat Sie bewegt, hier das unternehmerische Wagnis zu suchen?

Ich liebe das Thema Auto und Mobilität. Nach meiner Karriere bei Porsche habe ich zusammen mit Christina und Andi 2011 mein erstes Start-up easy-autosale.com gegründet und 2015 an Autoscout24 verkauft. Wir sprechen von einem sehr großen Markt. Autokauf, Leasing und Finanzierung umfassen rund 430 Milliarden Euro pro Jahr in der Europäischen Union. Dieser Markt befindet auch aufgrund neuer Mobilitätsformen wie unserem Auto-Abo in einem großen Umbruch. Da ergeben sich großartige neue Chancen.

Wo positionieren Sie Ihr Geschäftsmodell zwischen Fahrzeug-Leasing, klassischer Fahrzeugmiete und dem Carsharing?

Cluno ist die moderne Alternative zu Leasing, Finanzierung und Kauf von Autos. Menschen, die dauerhaft, aber mit einer völlig neuen Flexibilität ein eigenes Auto fahren wollen, sind bei uns richtig. Kunden, die stunden- oder tageweise ein Auto nutzen möchten, werden bei einem Autovermieter oder Carsharing-Anbieter fündig, wir bieten so kurzfristige Nutzung ganz bewusst nicht an.

Sind die populären Flatrate-Angebote im Mobilfunk ein Vorbild für Ihr Geschäftsmodell?

Nein, überhaupt nicht. Flatrate transportiert für mich Attribute wie "billig" und "maßlos". Das passt nicht zu uns. Bei uns gibt es keine Rabatte, Prämien und kostenlose Freimonate.

Das Nutzungsverhalten gerade der jungen Autofahrer ändert sich. Spiegelt sich das in der Altersstruktur Ihrer Kunden?

Ja, wir sehen, dass viele junge Menschen sich klassischen Autokauf und Besitz nicht mehr vorstellen können. Wer mit Spotify und Netflix aufgewachsen ist, hat einfach ein ganz anderes Nutzerverhalten als der klassische Neuwagenkäufer. Das Durchschnittsalter unserer Kunden liegt aber trotzdem bei 43 Jahren.

Warum betonen Sie gegenüber den Kunden den Fahrzeugbesitz. Sie sprechen von dem "eigenen" Fahrzeug. Widerspricht das nicht dem eigentlichen Geschäftsmodell eines Fahrzeugvermieters?

Zunächst einmal sind wir kein Autovermieter. Wir bieten keine stunden-, tage- oder wochenweise Autonutzung an, sondern ein voll digitales und allinclusive Auto-Abo mit mindestens sechs Monaten Laufzeit. Wir richten uns also an Kunden, die dauerhaft mit einem Auto unterwegs sein wollen.

Wie groß ist die Wechselfreude nach sechs Monaten? Gibt es saisonale Unterschiede?

Wir sind im Oktober 2017 an den Start gegangen, die Anzahl und damit die Aussagekraft der allerersten Kohorten sind uns im Moment noch zu gering, um diese Frage seriös zu beantworten. Was wir an den Daten aber schon sehr klar sehen können: Unser Auto-Abo wird von den Kunden als dauerhafter Ersatz für Kauf, Leasing und Finanzierung genutzt, weil sehr viele Nutzer ihr bisheriges Auto damit ersetzen. Ein sehr geringer Anteil der Kunden pausiert aktuell sein Auto bereits nach der Mindestlaufzeit.

Wie strukturiert sich der Fuhrpark nach Marken und Modellen? Wie hoch ist der Anteil an Neuwagen gegenüber jungen Gebrauchten? Ist Elektromobilität ein Thema?

Unser Ziel ist es, Menschen ein Leben lang zu begleiten. Wir bieten daher etwa 60 Modelle vieler verschiedener Marken in allen Klassen an. Neue Technologien wie Elektro- und Hybrid-Fahrzeuge spielen schon heute eine große Rolle im Portfolio, der Anteil dieser Technologien ist etwa dreimal so hoch wie am Gesamtmarkt. Es zeigt, dass Kunden sehr wohl Lust haben, neue Technologien kennenzulernen und zu nutzen, allerdings ohne sie kaufen zu müssen.

Seit kurzem kooperieren Sie mit Porsche. Wie sieht die Zusammenarbeit aus? Ist das ein Startzeichen für weitere Hersteller?

Am 1. März 2019 haben wir die Kooperation mit Porsche gelauncht. Mit Cluno X und Porsche als erstem Partner wird flexible Mobilität zum echten Erlebnis und rundet unser Angebot nach oben ab. Die Buchung eines Porsche-Fahrzeugs ist voll digital über unsere App möglich. Eingebunden sind auch die teilnehmenden deutschen Porschezentren, da es sich immer um junge Gebrauchtwagen aus deren Bestand handelt. Das Projekt wurde von den Teams von Porsche Digital und Cluno gemeinsam umgesetzt. Uns hat es sehr beeindruckt zu sehen, wie schnell und partnerschaftlich da gearbeitet wurde.

Wir finden solche Markenwelten sehr spannend und sind überzeugt, dass OEMs, Captives, Vertragshändler und Cluno zusammen einen echten Mehrwert für die Kunden bieten. Insofern sind wir sehr offen für weitere Markenwelten.

Ist eine White-Label-Zusammenarbeit mit den großen Playern vorstellbar, ähnlich wie im Versicherungsbereich zwischen Volks wagen Financial Services und Element Versicherung?

Ja, was wir kürzlich mit Porsche gelauncht haben, zeigt, wie wir denken und was gemeinsam in sehr kurzer Zeit möglich ist. Die Kunden lieben das Produkt, und Porsche gewinnt neue Kunden - besser geht es nicht.

"Subscription-Modelle" funktionieren langfristig nicht, wenn man sie reduziert auf eine Marke aufbaut und damit (vermeintliche) Schutzmauern für die eigene Marke schafft. Das ist eine alte, überholte Denkweise, die nicht zu Online-Mechaniken, "Subscription-Mo -dellen" und dem Verhalten der Kunden passt. Kunden wollen markenoffene Angebote und werden auf Dauer immer Anbieter wählen (siehe Spotify und Netflix) die Vielfalt, eine der Grundsäulen von "Subscription-Geschäftsmodellen", sowie eine gleichbleibende "User Experience" bei allen Angeboten garantieren können. Vor dieser Vielfalt darf man keine Angst haben, sondern muss die Chancen nutzen.

Mit dem Pauschalangebot "Alles inklusive außer Treibstoff" ermöglichen Sie dem Kunden das sorgenfreie Autofahren. Ist das für Sie kostendeckend?

Ja, jedes einzelne Auto ist heute schon profitabel, alles andere fände ich komisch.

Wir sehen mittelfristig durch den Full-Stack-Fintech-Ansatz enormes Potenzial, unsere Marge weiter zur optimieren: Besonders in der Refinanzierung wird es in den nächsten Jahren große Effekte geben. Als Start-up ist die Refinanzierung, selbst über unsere professionellen SPV-Strukturen, zu Beginn natürlich teuer. Langfristig sichern wir uns mit dieser Full-Stack-Strategie aber den spannenden Margenbaustein der Auto-Finanzierung, das mögen wir.

Wann erreichen Sie den Break-even?

Wir fokussieren auf Wachstum und wollen der Auto-Abo-Anbieter Nummer eins in Europa werden. Dieses Ziel finden auch unsere Investoren sehr erstrebenswert, ein kurzfristiger Break-even ist daher nicht Teil unserer Planung.

Mit wachsendem Fuhrpark und zunehmender Nutzerzahl steigt der Bedarf an Finanzmitteln. Wer sind Ihre Investoren?

Wir unterscheiden zwischen Eigenkapital (EK) und Fremdkapital (FK) wie folgt: EK nutzen wir, um das Unternehmen und das Team aufzubauen, unsere Technologie zu entwickeln, Marketing zu betreiben und so weiter. Wir haben in weniger als einem Jahr 36 Millionen Dollar EK von namhaften Venture Capital Investoren wie Valar Ventures aus New York (ein auf Fintechs wie N26 spezialisierter Fonds von PayPal-Gründer Peter Thiel), Acton Capital Partners aus München und Atlantic Labs aus Berlin eingesammelt.

FK nutzen wir für die Finanzierung der Autos. Als Full-Stack-Fintech kaufen und refinanzieren wir alle Autos selber. Dabei arbeiten wir mit Autobanken, Banken und Leasing-Gesellschaften zusammen. Ein nächster Schritt ist sicherlich der direkte Zugang zum Kapitalmarkt.

Mehr Geschäftsvolumen erfordert mehr Mitarbeiter. Was zieht qualifizierte und motivierte Mitarbeiter zu Cluno?

Unser Team besteht aus etwa 65 Experten aus den Bereichen Finance, Automotive, Tech, IT, Data und Marketing. Dieses schnelle Teamwachstum innerhalb von 16 Monaten war nur möglich, weil wir viel bieten - beispielsweise ein sehr spannendes Startup-Umfeld. An einem so dynamischen und innovativen Produkt mitzuarbeiten, finden viele gut ausgebildete, junge Bewerber attraktiver als eine klassische Konzernkarriere.

Wie stellen Sie den Werterhalt der Fahrzeuge bei Rückgabe sicher? Gehen die Fahrzeuge dann in eine Neuvermietung?

Auch hier kommt uns wieder zugute, dass wir unser Abo-Auto als moderne Alternative zu Leasing, Finanzierung und Kauf positionieren und eben nicht als Mietwagen oder Carsharing-Fahrzeug. Bisher sehen wir, dass sich unsere Kunden mit den Autos so verhalten, als ob es die eigenen wären. Die Menschen sind also sehr vorsichtig mit ihrem Auto. Und bevor ein Auto in die Vermarktung geht, kann es durchaus von mehr als nur einem Kunden genutzt worden sein.

Sie bieten die Fahrzeugauslieferung direkt an die Kundenadresse. Welche Rolle spielt das Autohaus in Ihrem Geschäftsmodell?

Alle Autos werden bei Vertragshändlern in Deutschland gekauft, gewartet und gehen dorthin als perfekt ge wartete Gebrauchtwagen zurück. Die exakten Konfigurationen der Autos wie Farben, Motorisierungen oder Ausstattungen stimmen wir mit unseren Partnerhändlern ab, um so optimale Wunschgebrauchtwagen zu produzieren.

Was nehmen Sie sich für die Zukunft vor? Denken Sie auch über stationäre Angebote nach, ähnlich wie Amazon?

Unser Auto-Abo basiert auf der Zusammenarbeit mit Herstellern und deren Händlern, die wiederum das Offline-Geschäft seit Jahrzehnten gut und erfolgreich betreiben. Ich erkenne im Moment keinen Wert darin, selbst offline aktiv zu werden, das können andere, insbesondere die Händler, besser. Da wir mit großen, aber sehr mobilen, physischen Gütern arbeiten, beinhaltet Cluno aber immer einen gewissen Offline-Aspekt. Plakativ formuliert: Bremsscheiben kann man nicht online wechseln.

In naher Zukunft werden Auto-Abos die vierte große Säule neben Leasing, Finanzierung und Kauf sein. Viele große Unternehmensberatungen, dazu gehören Deloitte, McKinsey, Roland Berger, Frost & Sullivan, haben sich in den vergangenen Monaten mit der Analyse von Auto-Abos und den Marktchancen beschäftigt und kommen zu dem gleichen Schluss.

Das Interview führte Prof. Dr. Frank Stenner, Redaktionsbeirat.

Nico Polleti ist Mitgründer und CEO des Start-ups Cluno GmbH, München, einem digitalen Anbieter von Pkw-Nutzung im Abo
 
"CAR SUBSCRIPTION" Die Pkw-Nutzung im Abo weitet sich aus. Angeboten werden solche "Car Subscriptions" in Deutschland aktuell von einzelnen herstellergebundenen OEMs ("Original Equipment Manufacturer", sogenannte Erstausrüster) sowie von herstellerungebundenen Start-up-Unternehmen. Etwa 20 Prozent der Neuwagen- und 11 Prozent der Gebrauchtwagenkäufer würden eine Mobilitätslösung zu einem monatlichen Fixpreis, also ein Auto im Abo-Modell, nutzen, hat die Deutsche Automobil Treuhand GmbH (DAT) in ihrem 45. Report ermittelt. Auffällig sei, dass sich vermehrt Männer vorstellen können, ein Auto zu buchen. Für den DAT-Report 2019 hat das Marktforschungsinstitut GfK von Oktober bis November 2018 insgesamt rund 4000 Privatpersonen zum Autokauf und zum Werkstattverhalten befragt.
Quelle: Prof. Stenner, FLF
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