"Auch in Zukunft brauchen Unternehmen starke Partner für ihre Investitionen"

Kai Ostermann erklärt, warum die Leasing-Branche verhältnismäßig stabil durch die Krise gekommen ist

Kai Ostermann, Foto: BDL Deutsche Leasing

Rückblick auf 2020: Herr Ostermann, inwieweit hat die Corona-Krise die Branche getroffen?

Als Leasing-Branche bekamen wir die Auswirkungen der Corona-Maßnahmen im Frühjahr schnell zu spüren. Vermutlich gab es kaum eine Leasing-Gesellschaft, die keine Stundungsanfragen von ihren Kunden erhalten hat. Die Betroffenheit der Gesellschaften war unterschiedlich groß, je nach Kundengruppen und Objektfokus. Spezialisierte, oftmals mittelständische Gesellschaften mit Kunden aus der Gastronomie-, Hotel- oder Veranstaltungsbranche haben im Vergleich zu Universalanbietern mit diversifiziertem Portfolio die Folgen des Shutdowns stärker zu spüren bekommen.

Viele Leasing-Gesellschaften sind bis hart an die Grenzen des Machbaren gegangen, denn auch sie haben Verpflichtungen, denen sie nachkommen mussten. Aktuell sind Stundungen kaum noch ein Thema, das umfangreiche Hilfspaket der Bundesregierung konnte bei unseren Kunden die größten Liquiditätsengpässe überbrücken. Beunruhigt schauen wir jedoch auf die Risikosituation, entscheidend wird hierbei die Entwicklung im ersten Halbjahr 2021 sein.

Sorgen bereitet uns die Investitionsstimmung in Deutschland. Angesichts der zahlreichen Unsicherheiten haben viele Unternehmen ihre Investitionspläne zurückgestellt. Die Ausrüstungsinvestitionen werden 2020 voraussichtlich um 14 Prozent zurückgehen. Dies spiegelt sich in unserer Neugeschäftsentwicklung wider: In den ersten drei Quartalen verzeichnete das Leasing-Neugeschäft einen Rückgang von über zehn Prozent. Das Maschinen-Leasing war am stärksten betroffen mit minus 20 Prozent. Zwar hatte sich die Gesamtwirtschaft im dritten Quartal erholt, doch führte dies nicht zu einem Anstieg der Leasing-Investitionen auf Vorjahresniveau. Wir befürchten, dass der zweite Lockdown im November zu einem erneuten Rückgang im vierten Quartal geführt hat.

Auf welche Weise konnten der Bundesverband Deutscher Leasing-Unternehmen und seine Mitglieder den Leasing-Kunden besonders helfen, durch die Krise zu kommen?

Als bedeutender Mittelstandsfinanzierer wollte die Branche Verantwortung übernehmen und sich in der Krise als Partner ihrer Kunden beweisen. Der BDL hat daher in verschiedenen Initiativen und neuen Allianzen Liquiditätshilfen für den Mittelstand gefordert, die über das angestoßene Hilfsprogramm der Bundesregierung hinausgehen und auf die Bedürfnisse der Leasing-Branche und ihrer Kunden angepasst werden sollten.

Dabei konnten wir wichtige Erfolge erzielen. So heißt es in allen Sonderprogrammen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), dass mit den Fördermitteln Leasing-Raten beglichen werden können. Die Bundesregierung hatte ähnliches bereits für die Soforthilfe und Überbrückungshilfe von Bund und Ländern kommuniziert. Zudem hat die KfW ihre Corona-Sonderprogramme - den Unternehmerkredit und den Schnellkredit - auch für Leasing-Unternehmen geöffnet, sofern diese nicht bankengebunden sind.

Dienstleistungen bilden den größten Kundensektor (in Prozent) Datenbasis: Leasing- und Mietkauf-Neugeschäft der BDL-Mitglieder Quelle: BDL, Stand August 2020

Um den gestiegenen Liquiditätsbedarf abzufedern, hat eine Mittelstandsinitiative, die der BDL-Finanzierungsausschuss ins Leben gerufen hat, pragmatische Lösungen zur Stundungsproblematik mit Refinanzierungspartnern erarbeitet, zum Beispiel durch Ausweitung von Kontokorrentkreditlinien und Anpassungen der Rahmenbedingungen. Diese vertrauensvolle Zusammenarbeit hat dazu beigetragen, dass die Leasing-Wirtschaft verhältnismäßig stabil durch die Krise gekommen ist.

Welche Chancen ergeben sich durch die Krise für die Leasing-Branche?

Chancen sehe ich aus verschiedenen Perspektiven: In Bezug auf die Kundenbeziehung, aber auch aus politischer Perspektive für die Leasing-Gesellschaften. Politisch gesehen ist es uns gelungen, dass Leasing-Gesellschaften erstmals antragsberechtigt für die KfW-Sonderprogramme 2020 sind. Wir sehen darin eine Chance und setzen uns dafür ein, dass Leasing bei möglichen Folgeprogrammen zur Konjunkturförderung und auch darüber hinaus berücksichtigt wird.

Das "new normal" hat die Digitalisierung der Kundenkommunikation befeuert. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten mobil von zu Hause und nehmen Kundentermine, aber auch Teammeetings, mittels Telefon- und Videoformaten wahr. Veranstaltungen und Seminare werden digital durchgeführt. Hier haben wir in kürzester Zeit enorme Lernprozesse durchlaufen. Auch in Nach-Corona-Zeiten wird diese Entwicklung nicht mehr völlig zurückgedreht werden. Nehmen Sie zum Beispiel Geschäftsreisen. Diese zu reduzieren, ist auch ein Gebot der Effizienz, der Kosteneinsparung und der Nachhaltigkeit. Die Digitalisierung der Kommunikation wird zudem die Akzeptanz digitaler Vertriebskanäle unterstützen. Und es ist zu vermuten, dass nutzungsabhängige Abrechnungen wie Pay per Use stärker nachgefragt werden. Aktuelle Studien geben hierzu erste Hinweise.

Wie sind Sie in der Verbandsarbeit mit der Krise umgegangen?

Die Geschäftsstelle hat umgehend Krisenkommunikation betrieben. Dabei stand und steht die schnelle und umfassende Information der Mitglieder im Fokus. Es wurden Arbeitsgruppen zu den verschiedenen Themen - rechtlich, steuerlich, Förderprogramme et cetera - gebildet. Der Austausch fand natürlich digital statt.

Im Laufe des Jahres wurden alle Veranstaltungen als Digitalkonferenzen durchgeführt, zuletzt das Forum Digitalisierung und die Mitgliederversammlung. Wir verzeichneten Rekordteilnehmerzahlen und erhielten viel positives Feedback. Dies zeigt das große Informations- und Kommunikationsbedürfnis der Mitglieder. Der Zugriff auf die BDL-Website mit Corona-Informationen hat sich während der Krise deutlich erhöht und auf der Social-Media-Plattform Linkedin sind die Followerzahlen des BDL signifikant gestiegen.

Für welche Themen haben Sie sich in Zusammenarbeit mit den politischen Entscheidungsträgern besonders eingesetzt?

Bei der Diskussion der Themen und Maßnahmen haben wir im zurückliegenden Jahr, das durch intensive Lobbyarbeit gekennzeichnet war, feststellen müssen, wie lückenhaft teilweise der Wissenstand der Politiker und bisweilen auch anderer Verbände über Leasing ist. Und dies obwohl unser Finanzierungsinstrument in der Wirtschaft längst etabliert ist und derzeit von so vielen Unternehmen wie noch nie genutzt wird - wie die repräsentative Marktstudie des Marktforschungsinstituts Kantar aktuell aufzeigt.

Diesen Wissensrückstand gilt es aufzuholen. Daher ist es wichtig, Leasing und die Besonderheiten unseres Geschäftsmodells immer wieder in der Politik zu erklären. Dies gilt auch und im Besonderen für regulatorische Anforderungen. Hier darf unsere mittelständische Branche nicht nach Bankenstandards beurteilt werden, vielmehr bedarf es Proportionalität und mehr Differenzierung.

Ausblick auf 2021: Was erwarten Sie im kommenden Jahr?

Nach diesem globalen Krisenjahr 2020 schauen wir wieder etwas optimistischer in die Zukunft - auch wenn die nächsten Wochen noch unwägbar sind. Nach heutigem Informationsstand wird in den nächsten Monaten ein Impfstoff gegen Covid-19 vorliegen. Bis die wesentlichen Risikogruppen geimpft sind, wird es weitere Monate dauern, aber ein Ende der Pandemie ist in Sicht.

Jedoch werden globale Unsicherheiten - geprägt durch Protektionismus, Handelsbarrieren und das Vorwärtsdrängen autoritärer Ordnungssysteme - die Wirtschaft weiterhin begleiten. Auch wenn durch die Wahl von Joe Biden wieder mehr Verlässlichkeit und Berechenbarkeit in die transatlantischen Beziehungen einkehren werden. Europaweit kann es zu höheren Insolvenzen kommen, denn zumindest in einigen Branchen hat die Pandemie Unternehmen geschwächt und die Verschuldung deutlich erhöht. Zudem läuft ja ganz unabhängig von der Pandemie ein Strukturwandel in der für Deutschland sehr wichtigen Automobilindustrie.

Für Deutschland prognostizieren Konjunkturexperten einen Anstieg der Ausrüstungsinvestitionen in 2021 von gut zehn Prozent. Unternehmen werden ihre Investitionen in Maschinen, Fahrzeuge oder IT-Equipment verstärkt mittels Leasing realisieren, denn Leasing schont ihre Liquidität. Die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit werden wieder stärker in den Fokus rücken. Digitalisierung bleibt ein Dauerthema. Hier sehen wir Potenzial für unsere Branche. Denn Unternehmen nutzen für ihre Investitionen in "grüne" Technologien sowie für ihre Digitalisierungsprojekte verstärkt Leasing. Dies belegt die jüngste Leasing-Marktstudie.

Die Leasing-Wirtschaft ist bisher relativ stabil durch die Krise gekommen. Negative langfristige Auswirkungen auf die Branche erwarten wir daher nicht. Auch in Zukunft werden Unternehmen starke Partner für ihre Investitionen brauchen.

Kai Ostermann ist seit April 2017 Präsident des Bundesverbandes Deutscher Leasing-Unternehmen e.V., Berlin. Außerdem ist er seit 2006 Mitglied des Vorstands der Deutschen Leasing AG und seit 2010 Vorstandsvorsitzender.

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X