Baufinanzierungen sind hochkomplex und sehr beratungsintensiv. Privatkunden wissen oft wenig über Immobilienkredite und den Weg zu einer stabilen Finanzierung. Viele haben noch keine eigenen Erfahrungen gesammelt und deshalb einen besonders großen Informationsbedarf. Gleichzeitig ist die Erwartungshaltung hoch: Topkonditionen und ein Angebot, das sitzt wie ein Maßanzug, werden vorausgesetzt. Alles umrahmt von einer persönlichen Beratung mit hoher fachlicher Qualität. Inwieweit digitale Videoplattformen an dieser Stelle eine sinnvolle Ergänzung darstellen, soll im Folgenden beleuchtet werden.
In anderen Branchen längst etabliert
Grundsätzlich sind Finanzunternehmen nicht die ersten Organisationen, die mit dieser Technologie arbeiten. Reiseveranstalter, Verlage und sogar Baumärkte bieten Kunden teils seit Jahren Gespräche per Video an. Seitdem im Privatleben Skype die Bildtelefonie etabliert hat, steigt die Zahl der Unternehmen, die Kamera und Bildschirmübermittlung (Screensharing) anbieten. Ziel ist, den Kunden die Kontaktmöglichkeit anzubieten, die für ihn am besten passt - das kann zu Hause oder unterwegs sein. Katalysator für diesen Trend ist ein verändertes Konsumentenverhalten in den zurückliegenden zehn Jahren: Mit immer mehr technischen Möglichkeiten erledigen Verbraucher ihre Geschäfte zunehmend digital. Das gilt vor allem für den Einzelhandel, aber auch im Finanzwesen zeichnet sich dieser Trend ab - der Gang zum Berater oder in die Bank findet faktisch seltener statt. Was konstant geblieben ist: der Wunsch des Kunden, auch im Internetzeitalter einen persönlichen Berater zu haben.
Für Unternehmen wie die Dr. Klein Privatkunden AG steht der Kundenwunsch im Fokus - und das gilt auch für die Kommunikationswege. Um alle technischen Möglichkeiten bei der persönlichen Beratung auszunutzen, hat das Unternehmen die Videoplattform Snapview in das Beratungsangebot aufgenommen. Ziel ist, den Kunden die größtmögliche Auswahl an Informationskanälen zu bieten - vom direkten Gespräch vor Ort, dem Austausch per Mail oder Telefon oder der Kommunikation per Videochat von einem anderen Ort aus. Hierfür wurde die Beratung über die Plattform zunächst in der Niederlassung Düsseldorf pilotiert: Über einen Zeitraum von einem Jahr - von Mitte 2016 bis Mitte 2017 - hat ein zehnköpfiges Beraterteam bei mehreren hundert Videoberatungen Erfahrungen gesammelt, die Akzeptanz der Kunden getestet und die Ergebnisse analysiert. Die Auswertung hat gezeigt, dass der zusätzliche Kommunikationskanal von den Kunden sehr gut angenommen wird: Wenn sie die Beratung nicht vor Ort durchführen wollen oder können, nutzen sie immer häufiger die Möglichkeit, per Videositzung mit ihrem Ansprechpartner zu kommunizieren.
Die Konvertierungsquote ist dabei zwar geringer als die Abschlussquote, die beim persönlichen Gespräch in den Standorten erreicht wird. Sie liegt aber deutlich über der Abschlussrate bei Gesprächen, die lediglich per E-Mail oder Telefon geführt werden. Nach erfolgreicher Pilotphase hat Dr. Klein die Videoberatung deshalb als weiteren Kommunikationskanal deutschlandweit an allen rund 200 Standorten hinzugenommen. Die Berater sind dabei ortsunabhängig über einen gängigen Browser per Bild und Ton mit dem Kunden verbunden.
Sie nutzen den direkten Onlinekontakt, zum Beispiel um mögliche Finanzierungsoptionen Schritt für Schritt zu entwickeln. Berater und Kunde sehen dabei den gleichen Bildschirminhalt. Die Datenübermittlung erfolgt in Echtzeit. Der Kunde kann so jede Eingabe des Beraters verfolgen, unmittelbar Fragen stellen oder sich Änderungen wünschen. Durch die visuelle Unterstützung werden komplexe Schritte transparent und leichter verständlich. Berater und Kunde können für beide sichtbar etwa Eigenkapitalbeträge oder Raten anpassen, Tilgungspläne verändern und so sofort die Auswirkungen auf die Finanzierung nachvollziehen. Diese Vereinfachung in der Beratung sorgt für maximale Transparenz und liefert Entscheidungshilfen für den Kunden. Ein weiterer Vorteil ist natürlich die Zeitersparnis.
Was es bei der Implementierung insbesondere zu beachten gilt: Wer auf Videoberatung umstellt oder seine Kommunikationskanäle damit erweitert, läutet einen Change-Prozess ein. Die Erwartungen im Vorfeld abzustecken, lohnt sich. Definierte Ziele wie die Anzahl der Sitzungen pro Berater, pro Woche oder Monat sind genauso hilfreich wie Vergleichswerte aus erfolgreichen Projekten und anderen Branchen. Darüber hinaus sollte bei einer Videoberatung jeder Klick sitzen. Daher sollten Mausbewegungen langsam und nachvollziehbar sein, wenn der Kunde diese an seinem Bildschirm sieht. Voraussetzung ist, dass der Berater Übung im Umgang mit dem IT-System hat und in der Navigation seiner Vertriebsunterlagen sattelfest ist.
Höhere Abschlussquoten als bei der Telefonberatung
Nach nunmehr drei Jahren Videoeinsatz zeigen sich die Vorteile vor allem in der emotionalen Kundenbindung: Finanzentscheidungen sind und bleiben Vertrauenssache und eine Immobilienfinanzierung gehört für viele zu den wichtigsten Entscheidungen im Leben. Die Videoberatung schafft die vertrauensvolle Grundlage für diese Entscheidung. Dass Kunden sich mit der Videoberatung sicherer fühlen, beweist die im Vergleich zur Telefonberatung höhere Konvertierungsrate. Die anfänglichen Ängste mancher Berater, dass die Kommunikation via Video schwieriger sei und erst einmal zeitintensiv gelernt werden müsse, teilen die Berater von Dr. Klein übrigens nicht. Nach zwei bis drei Übungseinheiten unter Kollegen ist der Umgang mit Kamera und Bildschirmübertragung vertraut. Wichtigste Voraussetzung ist Authentizität: Wer sich vor der Kamera genauso verhält wie im Beratungsgespräch vor Ort, wird seine Beraterqualitäten ebenso einbringen können. Und auch die Skepsis, dass die Kunden Scheu vor einem Kamerakontakt haben könnten, entkräften die Berater. In fast allen Fällen ist die Zuschaltung der Kamera für den Kunden kein Problem gewesen.
Die Autoren:
Michael Neumann, Mitglied des Vorstands, Dr. Klein Privatkunden AG, Lübeck
Erik Boos, Geschäftsführer, Snapview GmbH, München
