Bei Retail genau hinschauen

Iris Schöberl, Managing Director Germany und Head of Institutional Clients, BMO Real Estate Partners Deutschland

Einzelhandelsimmobilien aus Deutschland erfreuen sich anhaltender Beliebtheit bei nationalen und internationalen Investoren. Das Investitionsvolumen lag im Jahr 2016 mit 12,8 Milliarden Euro über dem Zehn-Jahres-Durchschnitt und im ersten Quartal des laufenden Jahres hielt die positive Entwicklung an. Auch auf dem Mietmarkt sind die Fundamentaldaten günstig: Flächen in guten Lagen sind bei Retailern gefragt. Das drückt sich nicht zuletzt in der Entwicklung der Spitzenmieten aus. Diese kannte in den vergangenen Jahren zumindest an den Top 7, also den wichtigsten Immobilienmärkten der Republik, nur eine Richtung: aufwärts. Da ließ die Research-Meldung von JLL kurz nach Ostern viele in der Branche aufhorchen: Denn die Marktexperten registrierten erstmals seit Jahren sinkende Spitzenmieten für Einzelhandelsflächen in den Top-7-Standorten Deutschlands. Und auch außerhalb der Top 7 gaben die Mieten in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres laut JLL nach.

Alle, die daraus vorschnell auf eine Trendwende und einen bevorstehenden flächendeckenden Verfall der Mieten und daraus folgend der Immobilienwerte im Retail-Segment schließen, sollten aber einen genaueren Blick auf die Zahlen werfen. Denn während die Retail-Spitzenmieten in den Top 7 und auch in den Städten über 500 000 Einwohnern rückläufig waren, legten sie in Standorten zwischen 250 000 und 500 000 Einwohnern im ersten Quartal 2017 um 0,6 Prozent zu und erreichten einen neuen Höchststand. Damit glichen sie den leichten Rückgang aus dem Jahr 2016 mehr als aus. Daraus folgt zweierlei: Erstens sind Entwicklungen auf Quartals ebene nicht als Indikatoren für Trendwenden geeignet. Und zweitens ist ein differenzierter Blick auf einzelne Marktsegmente unumgänglich, um die Potenziale von Märkten beurteilen zu können.

Interessant an den aktuellen Zahlen sind auch die Umsätze: Der Anteil der auf die zehn größten Standorte entfallenden Flächenumsätze am Gesamtmarkt ist im ersten Quartal 2017 auf ein historisches Tief von 18 Prozent gefallen. Auch hier müssen die weiteren Quartale zeigen, ob es sich dabei nur um einen Ausreißer handelt oder um einen langfristigen Trend. Aber in Kombination mit den Preisentwicklungen bestätigt sich auch hier die Position der Einzelhandelsimmobilien in Städten außerhalb der Top 7 oder Top 10 in Deutschland als Investments, die für planbare und verlässliche Erträge stehen.

Für Verunsicherung oder gar Pessimismus im Hinblick auf Investitionen in Einzelhandelsimmobilien bieten die aktuellen Zahlen zur Mietentwicklung also keinen Anlass. Sehr wohl aber unterstreichen sie, dass erfolgreiche Investitionen in dieses Segment kein Selbstläufer sind. Sie basieren vielmehr auf einer sorgfältigen Analyse der langfristigen Perspektiven von Objekt und Standort sowie der Fähigkeit und Bereitschaft zu Konzepten, die mehr sind als Lösungen von der Stange.

Iris Schöberl, Managing Director Germany und Head of Institutional Clients, BMO Real Estate Partners Deutschland

Iris Schöberl , Managing Director & Head of Institutional Clients Germany , Columbia Threadneedle Real Estate Partners, München
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