Teambuilding zum Auftakt

Philipp Hafner, Quelle: Verlag Helmut Richardi

"Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne." Ein bisschen fühlt man sich an diesen ersten Satz aus Hermann Hesses berühmtem Gedicht "Stufen" erinnert, wenn man das von Christine Lagarde höchstpersönlich in den sozialen Medien verbreitete Bild ihrer ersten gemeinsamen Sitzung mit den Kollegen aus dem EZB-Rat betrachtet. Gut gelaunt und entspannt lächeln da die doch angeblich so zerstrittenen 24 Ratsmitglieder in die Kamera. Möglicherweise trug ja das besondere Ambiente des Treffens zur Eintracht bei: Die neue EZB-Präsidentin hatte für die erste, informelle Zusammenkunft am 13. und 14. November in das prunkvolle Schloss Friedrichshof, in dem heute das Schlosshotel Kronberg untergebracht ist, geladen.

Die ehemalige kaiserliche Residenz im Taunus umgibt ein riesiger Park, der Gäste bei ausgedehnten Spaziergängen die perfekte Gelegenheit zum Austausch (und in diesem speziellen Fall wohl auch zur Aussöhnung) bietet. Glaubt man Insidern, machten die EZB-Oberen davon auch rege Gebrauch. Ausführlich soll in einer angenehmen und konstruktiven Atmosphäre über Ideen für Verbesserungen der künftigen Arbeitsweise innerhalb des Gremiums diskutiert worden sein. Man sei sich dabei einig gewesen, dass die Ratssitzungen in den Komitees gründlich vorbereitet werden müssten und es keine Vorfestlegungen geben dürfe, so heißt es. Die beispiellosen, teils in der Öffentlichkeit ausgetragenen Zwistigkeiten im Nachgang zur letzten Septembersitzung sollen keine Wiederholung finden.

Abgesehen von diesen Maßnahmen zur Förderung des Teambuildings wird erwartet, dass Lagarde zeitnah eine Strategieüberprüfung der wichtigsten geldpolitischen Ziele und Instrumente der EZB einleitet - es wäre die erste seit 16 Jahren. Insbesondere das Inflationsziel wird dabei im Fokus stehen, wie Frankreichs Notenbankchef François Villeroy de Galhau kürzlich auf dem Wirtschaftstag der Volksbanken Raiffeisenbanken in Frankfurt verriet: "Wir sollten die Definition des Inflationsziels der EZB klarstellen und es vor allem den Wirtschaftsakteuren - den Unternehmen und Haushalten - besser erklären." Die mittelfristig von der EZB angestrebte Inflation von "unter, aber nahe zwei Prozent" lässt bekanntlich Raum für Interpretationen und gilt deshalb auch im EZB-Rat als umstritten: Während einige Mitglieder eine Inflation in Höhe 1,5 Prozent (oder gar weniger) für angemessen erachten, insistieren andere auf einen Wert von 1,9 Prozent.

Aktuell jedenfalls ist man von beiden dieser Werte meilenweit entfernt, wie die jüngsten Zahlen des Statistikamtes Eurostat für Oktober 2019 belegen: Demnach schwächte sich die Teuerung im Euroraum weiter ab, die Verbraucherpreise lagen lediglich 0,7 Prozent höher als ein Jahr zuvor. Es entspricht somit der niedrigsten Rate seit November 2016, also seit knapp drei Jahren. Eurostat führt dies vor allem auf die billigeren Energiepreise zurück - man darf einmal mehr gespannt sein, wie ein verschärfter Strafzins für Banken und eine Neuauflage groß angelegter Anleihekäufe daran etwas ändern werden.

In den USA zogen die Konsumentenpreise im Oktober derweil um 0,4 Prozent gegenüber dem Vormonat an - kurioserweise getrieben durch höhere Energiepreise. Die Jahresrate erhöhte sich leicht auf 1,8 Prozent und kommt somit dem Fed-Inflationsziel von 2,0 Prozent wieder näher. Experten rechnen damit, dass sie in den kommenden Monaten weiter im Steigen begriffen sein dürfte, nicht zuletzt aufgrund preistreibender Effekte durch die geplanten Zollanhebungen. Insgesamt sollten sich diese Effekte aber in undramatischen Grenzen halten, so der Markttenor. Die Konjunkturseite gilt derzeit ohnehin als wesentlich bedeutsamer für das Handeln der Fed. Ende Oktober hat sie aus Sorge vor einer wirtschaftlichen Eintrübung bereits die dritte Leitzinssenkung im laufenden Jahr vorgenommen. Die sich nun abzeichnende Annäherung zwischen den USA und China im Handelsstreit könnte die Situation jedoch nachhaltig entspannen. Insofern tut die Fed wohl gut daran, erst einmal abzuwarten und die Zinssenkungen wirken lassen. ph

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