EXPO REAL-SPECIAL

DEUTSCHER GEWERBEIMMOBILIENMARKT: STARKES ERSTES HALBJAHR TROTZ LOCKDOWN

Sven Stricker, Foto: BNPPRE

Obwohl die konjunkturelle Situation nach wie vor angespannt ist, lichtet sich langsam aber sicher der Nebel ein wenig. Mit Blick auf den deutschen Immobilienmarkt zeigt sich dabei, dass zumindest die ganz pessimistischen Prognosen aus dem März ("massenweise Mietausfälle", "Asset Meltdown" et cetera) wohl etwas übertrieben waren. Vor allem der Investmentmarkt präsentierte sich im ersten Halbjahr 2020 - auch dank einiger in Prä-Corona-Zeiten angebahnter Großdeals - sehr robust. Dass Investoren dabei jedoch mehr denn je zwischen den einzelnen Assetklassen selektieren, wird im vorliegenden Beitrag deutlich. Red.

Aufgrund des außergewöhnlichen Investmentumsatzes im ersten Quartal 2020 (18,5 Milliarden Euro) konnte auf dem deutschen Gewerbeimmobilienmarkt auch für das erste Halbjahr insgesamt ein neues Allzeithoch registriert werden. Mit einem Ergebnis von knapp 29,4 Milliarden Euro wurde der Vorjahreswert um rund 20 Prozent übertroffen. Rechnet man noch die Investitionen in Wohnimmobilien (ab 30 Einheiten) hinzu, die sich auf knapp 12,7 Milliarden Euro belaufen, ergibt sich ein Gesamtumsatz von gut 42 Milliarden Euro. Getrieben wurde das Ergebnis nicht zuletzt durch große Portfolioverkäufe, Übernahmen und Beteiligungen.

Bremsspuren im zweiten Quartal

Betrachtet man allerdings nur das durch die Corona-Pandemie und den zwischenzeitlichen Lockdown massiv beeinflusste zweite Quartal, ist gegenüber dem Vergleichszeitraum 2019 ein Rückgang um 19 Prozent zu beobachten. Im Vergleich mit dem fünfjährigen Durchschnitt ist im zweiten Quartal ein um rund 17 Prozent niedrigeres Investmentvolumen zu verzeichnen.

Damit spiegeln sich die Unsicherheiten über die weitere Entwicklung der Märkte und die umfangreichen Einschränkungen während des Lockdowns, beispielsweise kaum durchführbare Besichtigungen oder erschwerte Finanzierungsbedingungen, im Investmentumsatz deutlich wider. Es zeigt sich aber auch, dass von einem teilweise prognostizierten Stillstand der Investmentmärkte keine Rede sein kann und viele Investoren weiter an deutsche Immobilien und eine Fortsetzung der positiven Trends glauben, sobald die Pandemie überwunden beziehungsweise durch Medikamente und Impfstoffe beherrschbar ist.

Rund 52 Prozent des Gesamtumsatzes im ersten Halbjahr entfallen auf Einzelverkäufe, die knapp 15,2 Milliarden Euro zum Ergebnis beisteuern. Im Vorjahresvergleich liegt das Transaktionsvolumen damit um rund ein Viertel niedriger. Verantwortlich hierfür ist auch, dass in einer Spontanreaktion während des Lockdowns einige Deals erst einmal "on hold" gesetzt wurden, um die weitere Entwicklung ab zuwarten. Viele dieser Deals befinden sich mittlerweile wieder im Prozess und dürften im zweiten Halbjahr abgeschlossen werden.

Portfoliotransaktionen kommen auf fast 14,2 Milliarden Euro (48 Prozent) und können ihr Resultat mehr als verdreifachen. Viele M & A-Abschlüsse und Anteilskäufe an bestehenden Portfolios sowie eine ganze Reihe größerer Paketverkäufe, die bereits in der Vor-Corona-Zeit nahezu endverhandelt waren, haben für das zweitbeste Ergebnis nach 2007 gesorgt. Am meisten investiert wurde in Einzelhandelsportfolios, häufig mit einem hohen Food-Anteil, gefolgt von Büro- und Logistikpaketen. Aufgrund des hohen Portfolioanteils liegt die Quote ausländischer Anleger bei knapp 41 Prozent und damit höher als in den vergangenen beiden Jahren, da gerade diese Investoren hier traditionell besonders stark sind.

Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass die einzelnen Asset- und Risikoklassen in ganz unterschiedlichem Umfang von den Auswirkungen der Corona-Krise betroffen sind und demzufolge auch die Investoren eine differenzierte Risikoanalyse hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung vornehmen. Weiterhin sehr gefragt sind vor allem Logistik- und Residential-Investments. So konnten Logistikimmobilien, die für rund 13 Prozent (3,7 Milliarden Euro) verantwortlich sind, ihren Umsatz im Vorjahresvergleich sogar um rund 40 Prozent steigern und das zweitbeste Resultat aller Zeiten registrieren.

Logistik, Wohnen und Büro bleiben begehrt

Auch im zweiten Quartal wurde in diesem Marktsegment mehr angelegt als im ersten Halbjahr 2019. Ausschlaggebend hierfür ist die Erwartung, dass die Logistikbranche durch ein beschleunigtes Wachstum des E-Commerce und einen eventuell leicht rückläufigen Trend bei der globalen Arbeitsteilung profitieren könnte. Auch auf den Wohnungsmärkten zeichnet sich keine grundsätzliche Änderung des Nachfrageüberhangs ab, sodass mit knapp 12,7 Milliarden Euro das beste Transaktionsvolumen der letzten fünf Jahre erfasst werden konnte. Hinzu kommt, dass die Cashflows sehr stabil sind und das Risiko größerer Mietausfälle erheblich geringer ist als bei gewerblichen Immobilien.

Prinzipiell sind die Käufer auch den deutschen Büromärkten gegenüber weiterhin positiv gestimmt. Das bundesweite Transaktionsvolumen mit Büroimmobilien belief sich im ersten Halbjahr auf knapp 10,4 Milliarden Euro. Im Vorjahresvergleich entspricht dies zwar einem Rückgang um zehn Prozent, gleichzeitig wurde der zehnjährige Durchschnitt aber leicht über troffen. Bei der Analyse des Ergebnisses ist allerdings zu berücksichtigen, dass es durch einen außergewöhnlich hohen Portfolioanteil beeinflusst wird. Mit gut 3,5 Milliarden Euro entfällt rund ein Drittel des Umsatzes auf Paketverkäufe. Vor allem die TLG-Übernahme durch Aroundtown und der Verkauf der Godewind-Anteile an Covivio schlagen hierbei umfangreich zu Buche.

Im zweiten Quartal waren darüber hinaus die Auswirkungen des Lockdowns und der Kontaktbeschränkungen deutlich zu spüren, was sich vor allem in einer Verschiebung vieler Transaktionen zeigte. Demzufolge fiel der Investmentumsatz (nur bezogen auf das zweite Quartal) mit knapp 4,1 Milliarden Euro auch niedriger aus als in den vergangenen Jahren. Trotzdem bewegt er sich immer noch leicht über dem langjährigen Schnitt. Verantwortlich für die insgesamt weiterhin positive Einschätzung der Büromärkte ist nicht zuletzt, dass die Anleger davon ausgehen, dass Deutschland sich im internationalen Vergleich (wie bereits nach der Finanzkrise 2008) am schnellsten von den Folgen der Pandemie erholen wird, was zu einem relativ zügigen Anziehen der Nutzernach frage führen sollte.

Investments in deutsche Gewerbeimmobilien im ersten Halbjahr (in Millionen Euro) Quelle: BNP Paribas Real Estate GmbH

Investoren differenzieren bei Einzelhandel

Unmittelbar am stärksten betroffen vom Lockdown und den Kontaktbeschränkungen waren weite Teile des Einzelhandels. Dabei wurden bereits vor der Corona-Krise erkennbare Entwicklungen, vor allem durch den schnell steigenden Anteil des E-Commerce, der zu Umsatzrückgängen im stationären Einzelhandel führt, verstärkt. Hiervon sind bestimmte Assetklassen, wie etwa Shoppingcenter, die auf eine starke Kundenfrequenz angewiesen sind, stärker betroffen als andere. Vor diesem Hintergrund waren bislang kaum Shoppingcenter-Transaktionen zu beobachten.

Dagegen stehen funktionierende High-Street-Objekte in den absoluten Toplagen der großen Städte, aber auch Fachmärkte und Fachmarktzentren mit hohem Food-Anteil sowie Supermärkte unverändert ganz oben auf dem Einkaufszettel der Investoren. Trotzdem ordnet sich die Halbjahresbilanz mit einem Transaktionsvolumen von 7,1 Milliarden Euro über dem Ergebnis des ersten Halbjahrs 2019 und 30 Prozent oberhalb des zehnjährigen Mittelwerts ein. Verantwortlich hierfür ist maßgeblich das Portfoliosegment, das zirka 71 Prozent zum Gesamtumsatz beisteuert. Zu den entscheidendsten Umsatztreibern zählten hierbei insbesondere die Unternehmensübernahmen von Real und der TLG Immobilien AG sowie die verschiedenen Beteiligungen an Galeria Karstadt Kaufhof Immobilien.

Ähnlich stellt sich der direkte Impact für Hotels dar, die aufgrund der Lockdown-Maßnahmen mit massiven Übernachtungsrückgängen zu kämpfen hatten. Hier zeigt sich nach den umfangreichen Lockerungen aber bereits wieder ein klarer Aufwärtstrend, von dem auch Hotelinvestments im zweiten Halbjahr etwas profitieren könnten. Wie in anderen Assetklassen dürfte auch hier in der nächsten Zeit eine stärkere Berücksichtigung des Risikoprofils zu beobachten sein.

Lag der Investmentumsatz im ersten Quartal noch bei etwa 1,1 Milliarden Euro, so kamen im zweiten Quartal nur noch knapp 279 Millionen Euro dazu, was das schlechteste Quartalsergebnis seit dem zweiten Quartal 2013 darstellt. Insgesamt liegt das Halbjahresergebnis mit knapp 1,4 Milliarden Euro aufgrund des sehr guten ersten Quartals immer noch im Schnitt der vergangenen zehn Jahre. In einer vergleichbaren Größenordnung bewegen sich Healthcare-Objekte, die mit 1,6 Milliarden Euro rund 5,5 Prozent zum Umsatz beitragen und auch in der Krise weiterhin auf großes Investoreninteresse treffen.

Die Investmentumsätze und Kaufpreisentwicklung des zweiten Quartals zeigen, dass auf den Investmentmärkten erwartungsgemäß ein erheblicher Corona-Effekt zu beobachten ist. Bestehende Unsicherheiten darüber, wann es einen Impfstoff beziehungsweise wirksame Medikamente gibt, ob die Krise zu strukturellen Verhaltensänderungen bei den Nutzern führt und wie schnell sich die wirtschaftliche Erholung vollziehen wird, haben Einfluss auf das Investitionsverhalten.

Sicherer Hafen Deutschland

Es zeigt sich aber auch, dass zwischen einzelnen Assetklassen erhebliche Unterschiede bestehen. Gleichzeitig zeichnet sich immer deutlicher ab, dass Deutschland auf Käuferseite erneut als der sichere Hafen angesehen wird. Die meisten Investoren gehen davon aus, dass Deutschland analog zur Finanzkrise die schnellste Recovery hinlegen dürfte und die Rezession 2020 geringer ausfallen wird als in den meisten anderen Ländern. Hierfür spricht auch, dass die geschnürten finanziellen Hilfen nicht nur absolut, sondern auch bezogen auf das BIP teilweise deutlich über dem vergleichbaren Niveau anderer Länder liegen. Auch der traditionell großen Rechtssicherheit und stabilen politischen Situation kommt gerade in schwierigen und unsicheren Zeiten eine besondere Bedeutung zu.

Zusammenfassend lässt sich damit feststellen, dass sich die Situation aufgrund der Corona-Krise zwar spürbar eingetrübt hat, die Märkte aber gleichzeitig von Stillstand oder kompletten Einbrüchen weit entfernt sind. Berücksichtigt man weiterhin, dass sich das Stimmungs-Sentiment in den letzten Wochen Schritt für Schritt aufgehellt hat und sich eine Reihe großer Transaktionen, die "on hold" gesetzt wurden, wieder voll im Prozess und auf der Zielgeraden befinden, spricht vieles dafür, dass bereits im dritten Quartal wieder eine messbare Marktbelebung zu spüren sein wird.

Da Restrisiken wie eine zweite Infektionswelle noch nicht vollständig gebannt sind, bleibt es unverändert schwierig, eine Prognose für das Gesamtjahr abzugeben. Es deutet aber vieles darauf hin, dass ein Investmentumsatz über 50 Milliarden Euro möglich ist, womit der zehnjährige Schnitt spürbar übertroffen werden könnte. Für die Preisentwicklung stellen eine stabile Situation im Core-Segment sowie ein noch anhaltender Findungsprozess im Value-Add-Bereich das aus heutiger Sicht wahrscheinlichste Szenario dar.

DER AUTOR
SVEN STRICKER
Geschäftsführer und Co-Head Investment, BNP Paribas Real Estate GmbH, Berlin
Sven Stricker , Geschäftsführer und Co-Head Investment , BNP Paribas Real Estate GmbH, Berlin

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X