Aufsätze

Zum Ankauf von illegalen Bankdaten für Steuerzwecke

Illegal erlangte Bankdaten werden Finanzbehörden für Zwecke der Steuererhebung zum Ankauf angeboten. Vor zwei Jahren waren es Daten Liechtensteiner Banken, jetzt werden mehrere Daten-CDs aus der Schweiz angeboten. Um die Ernsthaftigkeit des Angebots zu unterstreichen, werden vor dem Deal Datenproben zur Verfügung gestellt - am besten von allgemein bekannten Personen. Rechnerisch ist die Sache einfach: Dem jeweiligen Kaufpreis - in einem Fall werden 2,5 Millionen Euro genannt - steht ein mehrfacher Steuerertrag entgegen. Im aktuell diskutierten Fall rechnet man mit 100 bis 400 Millionen Euro Steuereinnahmen, das wäre ein Ertrag von bis zum hundertfachen des Einsatzes. Schwieriger als die rechnerische Darstellung des Falles ist die Lösung eines klassischen Paradoxons: Egal wie sich der Staat entscheidet, es bleibt ein Unbehagen, vielleicht sogar ein Schaden.

Pro: Argumente für den staatlichen Ankauf der Daten-CD

Klar ist, dass aus Gründen der Sicherstellung einer gleichmäßigen Besteuerung ein Ankauf geboten ist. Auch hat die Regierung unter Mitwirkung der Kanzlerin und des jetzigen Bundesfinanzministers nach einem ähnlich gelagerten Fall in Liechtenstein vor zwei Jahren den Ankauf schon einmal beschlossen. "Wir konnten gar nicht anders", wird Schäuble zitiert. Rechtlich erhält die Bundesregierung überwiegend Schützenhilfe: Der Staat hat den "Datendiebstahl" nicht in Auftrag gegeben und nach bisheriger Rechtsprechung existiert in derartigen Fällen kein Verwertungsverbot. Die Daten sind also in der Strafverfolgung verwertbar, in Gerichtsverfahren gelten die Daten und deren Erkenntnisse als Beweis. Da Daten nicht greifbar sind, stellen sie keine Sache dar und da der Täter seine CD wohl mitbringt, scheidet der Straftatbestand der Hehlerei oder des Diebstahls aus.

Zudem tragen die Befürworter des Datenankaufs vor: Bei anderen Strafdelikten zum Beispiel im Drogenhandel - ist der Ankauf von Informationen zur Aufdeckung von Straftaten üblich. Ähnlich funktionieren auch Kronzeugenregelungen. Damit ist zunächst einmal rechtlich der Fall einfach. Der staatliche Ankauf illegaler Bankdaten ist einfach gesetzlich rechtmäßig.

International befindet sich Deutschland mit dem Ankauf in guter Gesellschaft. Die Schweiz selbst erlaubt die Nutzung illegal erlangter Informationen. Viele Nachbarländer - wie Österreich, Belgien, Niederlande - bitten bereits im Voraus Deutschland um Amtshilfe. Das schlichte staatliche Argument heißt: Ein Ankauf und die Nutzung von Daten ist rechtlich indifferent zu werten und damit legal, illegal handeln die Steuersünder im Zusammenwirken mit ausländischen Banken. Rein aus praktischer Sicht ist zudem nicht von der Hand zu weisen, dass in Steueroasen mit striktem Bankgeheimnis dieser Ankauf die einzig effektive Möglichkeit für den Staat ist, nicht auf einen zufälligen Einzelfall beschränkt an brisante Informationen heranzukommen. Damit handelt der Staat - so könnte man überspitzt argumentieren beim Ankauf sogar in einer faktischen Notstandssituation.

Strikte Befürworter des Ankaufs sind der Ansicht, dass das Gesetz Steuerhinterziehern nicht helfen darf. Ihr Argument: Würde man den Ankauf als "rechtswidrig" werten, könnte der Steuersünder davon sogar profitieren. Bei Bejahung eines Verwertungsverbots kann der Steuersünder sicher sein, dass ihm trotz sicheren Nachweises einer Hinterziehung nichts passiert. Das wäre paradox! Dieser Schutz soll keinesfalls greifen. Denn deutsche Bürger gerade auch wohlhabende - profitieren von den hoch entwickelten Märkten, der guten Infrastruktur und einer intakten deutschen Gesellschaft. Und wer mit Raffinesse, Experten und Energie sein Geld ins Ausland verschleppt und der Gemeinschaft Steuern vorenthält, schädigt die Gesellschaft und verdient keinen Schutz. Punkt.

Kontra: Argumente gegen den staatlichen Ankauf der Daten-CD

So einfach, wie der Fall scheint, ist er allerdings nicht - weder rechtlich noch moralisch. Deutschland ist ein Rechtsstaat, Grundrechte gelten für jedermann, auch für Täter. Ganz besonders benötigen den Grundrechtsschutz Verdächtige. Bis zum Nachweis einer Tat gilt die Unschuldsvermutung. Und für den Tatnachweis sollen nur rechtmäßige Mittel dienen.

Im Volkszählungsurteil hat das Bundesverfassungsgericht Ende 1983 das individuelle "Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung" entwickelt. Dieses Recht ist gerade aufgrund der besonderen Gefahren für die Persönlichkeit aus der Erhebung, Speicherung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten erwachsen. Das Grundrecht garantiert jedem Einzelnen, selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner Daten zu bestimmen.

Auch moralisch bestehen Bedenken: Auch wenn der Ankauf von illegalen Daten im strengen Sinne keine Hehlerei ist, so bleibt er ein Unrecht im moralischen Sinne. Der Staat darf keine Geschäfte mit Dieben machen. Er soll Vorbild sein und nicht das tun, was er anderen dem Ziel nach vorwirft. Durch den schnellen Ankauf stiftet er andere zur Schwarzbrennerei von geschützten Daten an und beflügelt den Handel mit illegalen Daten. Im rechtswidrigen Milieu des Geheimnisverrats muss der Staat gegensteuern und darf derartiges Unrecht nicht anheizen. Der Staat muss "sauber" handeln und sollte nicht Unrecht (Steuerhinterziehung) mit unrechten oder schmutzigen Werkzeugen (rechtswidrig erlangten Daten) bekämpfen.

Der Ankauf von illegalen Daten für Steuerzwecke bedeutet auch einen Ausverkauf der Werte. Schon aus ureigenem Interesse sollte der Staat vorsichtig agieren, zumal sein Status und Image berührt werden. Auf Robert Bosch geht der Spruch zurück: "Lieber Geld verlieren als Vertrauen". Im vorliegenden Problemfall könnte diese Erkenntnis für den Staat und die entscheidenden Politiker die Leitlinie sein.

Die Steuerehrlichkeit auf der einen Seite, verlangt auf der anderen Seite das Vertrauen der Bürger in den Staat und in saubere Geschäfte. Gerade die unglückliche Steuerpolitik und das systematische Aushöhlen des Bankgeheimnisses in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten haben die Anleger ins Ausland getrieben und so den Nährboden für Steuerflüchtige gelegt. Erst durch die Einführung der Abgeltungssteuer in 2008 gibt es in Deutschland international eine konkurrenzfähige, die Privatsphäre schützenswerte Alternative. Im Ergebnis argumentieren die Gegner des Datenankaufs wie folgt: Das Aushöhlen des Bankgeheimnisses und die Besteuerung von Kapitalvermögen mittels illegaler Daten ist der Gipfel der Respektlosigkeit des Staates vor der Privatsphäre des Einzelnen. Diese Signalwirkung schadet den Werten einer Gesellschaft. Für die Demokratie wäre das verheerend.

Schwierige Abwägung

Lässt man die widerstreitenden Argumente auf sich wirken, oder schärft man diese sogar noch, so fällt es schwer, eine eindeutige Lösung zu finden. Auf jeder Seite liegen gewichtige Argumente. Je nach Bewertung und Gewichtung der Rechtsgüter fällt das Urteil. § 34 StGB verlangt für die Berufung auf einen rechtfertigenden Notstand, dass bei Abwägung der Interessen das Rechtsgut und der Grad der ihm drohenden Gefahren überwiegen müssen und gibt für das Dilemma eine erste Rangfolge für Rechtsgüter: "Leben" vor "Leib" vor "Freiheit" vor "Ehre" vor "Eigentum". Die betroffenen Rechtsgüter "effektive und gleichmäßige Steuererzielung", "Recht auf informationelle Selbstbestimmung bei Bankdaten", "Vertrauen auf rechtmäßige Daten" sind nicht genannt.

Und doch: In Deutschland hat das Bankgeheimnis einen sehr geringen rechtlichen Stellenwert, sein öffentlich-rechtlicher Schutz geht gegen Null. Auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht schrankenlos. Staatliche Eingriffe sind möglich und werden im Spannungsverhältnis zwischen Individuum und Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsgebundenheit entschieden. Da beim Datenschutzrecht das Gemeinwohlinteresse im Zweifel wichtiger ist, siegt wohl das Fiskalinteresse. Wie genau die Abwägung konkret zu erfolgen hat, dürfte bald das Verfassungsgericht klären müssen; eine Beschwerde hierzu liegt bereits vor.

Der Ankauf illegaler Daten stellt nicht den einzigen Weg dar, an die Daten von Steuerhinterziehern zu kommen, denn die Originaldaten befinden sich ja nach wie vor in der jeweiligen "Hinterzieherbank". Der Hinweis an den Gesetzgeber, sie legal - etwa mittels Verhandlung, Doppelbesteuerungsabkommen - zu besorgen, ist wenig effektiv und hilft in dieser Entscheidungssituation genauso wenig wie der Hinweis auf einfachere Besteuerungsverfahren mit niedrigen Steuersätzen als Anreiz für das flüchtige Geld. Als goldenen Mittelweg für den Bürger kennt Deutschland die Selbstanzeige. Sie schenkt dem Steuersünder die Straffreiheit, dem Staat bringt sie die Steuer und die gewünschte Information. Für das Individuum ist das eine gangbare Lösung, das generelle Vertrauensproblem ist damit aber nicht gelöst.

Datenkauf per gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage

Den Handel mit illegalen Daten darf der Staat nicht ankurbeln. Langfristig ist das für einen modernen Rechtsstaat schädlich. Illegale Daten dürfen also weder geködert noch bedingungslos angekauft werden. Die Kapitalmärkte und die Demokratie bieten auch für dieses Problem eine generelle Lösung: Demokratien leben von Gesetzen, Märkte von Transparenz. Übersetzt auf das Problem heißt das: Künftig ist der Datenankauf nur per gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage möglich. Im Gesetz selber sollen die Ankaufsbedingungen klar geregelt werden, zum Beispiel Modalitäten und Höchstgrenzen der Zahlung, öffentliche Bekanntgabe des Datenanbieters und Zahlungsempfängers sowie öffentlich nachvollziehbare Offenlegung der Datenquelle. Damit werden Systemlücken transparent, anonyme Täter, Dealer und Begünstigte erhalten Namen. Das Problem wird dadurch berechenbarer - Vertrauen entsteht.

Prof. Dr. Urban Bacher , Professur für allgemeine Betriebswirtschaftslehre und für Finanz- beziehungsweise Bankmanagement, Hochschule Pforzheim
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