Aufsätze

Anreizsysteme im Vertrieb richtig setzen und messen - das Beispiel der Wüstenrot Bausparkasse

Herzstück eines jeden Finanzdienstleisters ist der Vertrieb. Dessen Hauptpfeiler bildet bei der Wüstenrot Bausparkasse AG, einer Tochter des Vorsorge-Spezialisten Wüstenrot & Württembergische, ihr mobiler Außen dienst. Im Rahmen des Zukunftsprogramms "W&W 2009" hat sie ihn grundlegend neu aufgestellt, um ihn stringent und schlanker zu strukturieren. Zentrales Element ist ein potenzialorientiertes, auf Wertschöpfung und Nachhaltigkeit ausgerichtetes Vergütungssystem. Die Wüstenrot & Württembergische-Gruppe hat 2006 einen Modernisierungskurs eingeschlagen, den sie seitdem konsequent vorantreibt.

Dabei basiert das Zukunftsprogramm "W&W 2009" auf drei Säulen. Die erste ist das gruppenweite Vertriebsprojekt "Spring". Die zweite bilden Kostensenkungs- und Effizienzsteigerungsprojekte der beiden Geschäftsfelder Bauspar-Bank und Versicherung, aufgeteilt in "Wüstenrot 2009" und "Württembergische 2009". Die dritte Säule ist ein Konzernprojekt, das die Steuerung der Gruppe optimieren und die Komplexität innerhalb der Gruppe verringern soll. Diese Projekte werden die Stellung der W&W-Gruppe am Markt weiter festigen.

Weichen für mehr Wachstum

Das Vertriebsprojekt hat die Aufgabe, in der Gruppe Weichen für mehr Wachstum zu stellen. Es soll nicht allein dazu dienen, Marktanteile zu gewinnen, sondern vor allem auch, bei W&W zukunftsorientierte, attraktive Beschäftigung zu sichern. Es geht außerdem um mehr Effizienz - um Kosten zu sparen, aber auch, um leistungsfähiger zu werden und mehr Schlagkraft im Wettbewerb zu gewinnen. Und es geht in dem Projekt um mehr Rentabilität, die vor allem notwendig ist, um die eigene Finanzkraft zu stärken und die Unabhängigkeit der W&W-Gruppe zu sichern. Seit 2007 befindet sich das Projekt in der Umsetzung.

Ein zentraler Aspekt des Modernisierungskurses besteht darin, das Geschäftsmodell des Konzerns ganz auf den Kunden auszurichten. Dazu ist es zunächst erforderlich, dessen finanzielle Bedürfnisse und Potenziale umfassend zu analysieren. In einem zweiten Schritt wird das Produktangebot vereinfacht und stärker an den finanziellen Bedürfnissen des Kunden in verschiedenen Lebensphasen ausgerichtet. Standardlösungen für Baufinanzierung, Anlage und Risikoschutz sowie einfache Bausteine für bedarfsgerechte Produktbündel erleichtern den Mitarbeitern im Außendienst den Verkauf.

Für eine erfolgreiche Kundenansprache reicht das aber noch nicht aus. Es müssen darüber hinaus auch im Vertrieb neue Wege eingeschlagen werden. Für die Wüstenrot Bausparkasse führte das zu der Erkenntnis, dass sie vor allem ihren Hauptvertriebsweg, die Ausschließlichkeitsorganisation, neu aufstellen und ausrichten sollte. Diese komplexe Aufgabe wurde in vier Teile aufgegliedert. Im Ergebnis wurden

- die Aufbaustrukturen der Außendienstorganisation stringent und schlanker gemacht,

- die Zielvereinbarungen und Vergütungssysteme potenzialorientiert und auf Nachhaltigkeit hin angepasst,

- die Vertriebsunterstützung bis hin zur Beratungs-Software und dem Kunden-daten-Management sowie die Serviceprozesse professionalisiert

- und nicht zuletzt die Anforderungen an die Kundenberater und deren Schulung ausgebaut sowie die Verdienstchancen der Kundenberater verbessert.

Neues Vergütungssystem: Förderung der Leistungsträger

Aus diesen vier Bestandteilen des neu modellierten Wüstenrot-Außendienstes wird hier nur der zweitgenannte herausgegriffen, die Zielvereinbarungen und das potenzialorientierte, nachhaltige Vergütungssystem. Sein Kern ist das neue Vergütungssystem. Es zielt darauf ab, die Leistungsträger des Außendienstes zu fördern und den Außendienst stärker auf das werthaltige Neugeschäft auszurichten. Dazu hat das Projektteam zu Beginn vier Grundsätze formuliert, die ihm als Richtschnur dienten, als es die Einzelheiten des Systems entwickelt hat. Demnach sollte

das neue Bezahlungssystem leistungs- und verhaltensorientiert sowie wert-, potenzial- und wachstumsorientiert sein. Dabei bedeutet

1. Leistungs- und Verhaltensorientierung, dass die eigene Abschlussleistung eines Außendienstmitarbeiters belohnt und sich Leistungsunterschiede auch in der Vergütung widerspiegeln sollen;

2. Wertorientierung, dass ein Abschluss auch je nach Profitabilität und Qualität unterschiedlich zu vergüten ist;

3. Potenzialorientierung, dass die Vertriebsleistung daran zu messen ist, inwieweit der Mitarbeiter das vorhandene Potenzial ausschöpft und

4. Wachstumsorientierung, dass ein zusätzliches Kriterium für Bonus und Wettbewerbe die Frage ist, ob Kundenbasis und Vertriebsnetz eines Außendienstmitarbeiters wachsen.

Das neu entwickelte System setzt neue Standards in der Branche. Zwar besteht die Vergütung eines Außendienstmitarbeiters wie bisher aus Provision, Bonifikation und Zuschüssen. Was sich ändert, sind die durchschnittlichen Anteile an der Gesamtvergütung und deren Höhe. Im Vergleich beider Systeme steigt der Anteil der Abschlussprovision und der Bonifikation, während die Bestandsprovision und die Zuschüsse zurückgehen. Die Gesamtvergütung steigt dadurch bei Zielerreichung auf zirka 120 Prozent der alten Höhe.

Neue Regeln für "dienstjunge" Mitarbeiter

In der neuen Systematik erhält der Außendienstmitarbeiter die Abschlussprovision erst, wenn der Bausparvertrag eingelöst wird. Ihre Höhe orientiert sich jetzt daran, wie werthaltig das Bauspargeschäft ist. So wird in der Standardvariante des Bauspartarifs "Ideal Bausparen" berücksichtigt, wie hoch der Vertrag bespart wird. Kündigt der Kunde seinen Bausparvertrag in den ersten drei Jahren nach Abschluss, vermindert das die Provision.

Für aktiv besparte Verträge erhält der Außendienstberater nachträglich 1,5 Promille der Bausparsumme vergütet. Für nicht aktiv besparte Verträge behält das Unternehmen hingegen nach einem Jahr ein Promille der Bausparsumme ein. Die Abschlussprovision Bausparen gilt für alle Außendienstpartner, sie ist unabhängig von Hierarchie, Funktion und Dienstalter. Die bisherige Bestandsschutzprovision gibt es nicht mehr. Auch die Einlagenprovision Bausparen wurde abgeschafft, weil sie nicht leistungsorientiert wirkt. Die eingesparten Mittel nutzt die Bausparkasse, um die attraktiveren Abschlussprovisionssätze zu finanzieren.

Neue Regeln gelten zudem für dienstjunge Mitarbeiter des mobilen Wüstenrot-Außendienstes. Die Bausparkasse ist bestrebt, ihre Ausschließlichkeitsorganisation personell zu verstärken, und bietet daher neuen Mitarbeitern Einstiegs- und Übergangshilfen. Sie erhalten nun ab sofort die volle Abschlussprovision, während der Investitionszuschuss sinkt.

Bonifikationen an Saisonzielen und Potenzialausschöpfung ausgerichtet

Das neue Bonifikationsmodell soll die Mitarbeiter des Außendienstes darin bestärken, das Potenzial ihres Gebiets auszuschöpfen, aber auch darin, die Saisonziele zu erreichen. Das Modell besteht demzufolge aus zwei Teilen. Die Prämien werden halbjährlich und nicht mehr jährlich errechnet. Beim ersten Teil geht es um die Frage, inwieweit der einzelne Außendienstmitarbeiter zuvor festgelegte Verkaufsziele im Bausparen, in der Baufinanzierung und in der Produktkategorie Vorsorge erreicht hat. Der Bonus orientiert sich an der gesamten Abschlussprovision des Halbjahres in der jeweiligen Produktsparte.

Der zweite Teil des Bonifikationssystems ist der "Wüstenrot Grand Prix", bei dem derjenige Außendienstmitarbeiter ermittelt wird, der das Potenzial seines Gebiets am besten ausgeschöpft hat. Das Potenzial ergibt sich aus Kunden und Einwohnern im jeweiligen Gebiet, gewichtet mit der dortigen Kaufkraft. Auch hier erfolgt die Bonifikation prozentual auf die gezahlte Abschlussprovision.

Die Konditionen des neuen Vergütungssystems sind attraktiv, schaffen viele Gewinner und halten jedem Marktvergleich stand. Es ist ein überzeugendes Argument für einen erfolgreichen Ausbau des Wüs-tenrot-Außendienstes. Natürlich darf man es nicht isoliert betrachten, sondern als Teil des neu aufgestellten Vertriebs insgesamt. Für beides, neue Strukturen und neue Bezahlung, gilt: Sie müssen nicht nur konzeptionell überzeugen, sondern sich auch in der Praxis bewähren.

Die Zahlen des vergangenen Jahres, des ersten Geschäftsjahres mit dem neuen System, belegen, dass dies gelungen ist. Der Wüstenrot Bausparkasse gelang im Bausparneugeschäft ein Plus von knapp 24 Prozent auf rund zehn Milliarden Euro Brutto-Bausparsumme (Vorjahr: 8,1 Milliarden Euro). Das eingelöste Neugeschäft stieg in der Bausparsumme um knapp 21 Prozent auf rund acht Milliarden Euro, nach 6,6 Milliarden Euro im Vorjahr.

Schub im Neugeschäft

Mit diesem Schub im Neugeschäft verzeichnete Wüstenrot die größte Wachstumsdynamik im deutschen Bausparmarkt. Auch in das Jahr 2009 ist sie gut gestartet: Im ersten Quartal stieg das Bruttoneugeschäft gegenüber dem Vorjahr um fast 20 Prozent.

Bernd Hertweck , Vorstandsvorsitzender, Wüstenrot Bausparkasse, Kornwestheim, und Vorstandsvorsitzender, Verband der Privaten Bausparkassen e.V., Berlin
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