Aufsätze

Auslaufen des Daueremittentenprivilegs

Die Bankenlandschaft erlebte in den letzten Jahren einen durchgreifenden Wandel hinsichtlich der Anforderungen und Standards für die Geschäftsausübung. An dieser Stelle seien beispielhaft die Schlagworte Basel II und MiFiD angeführt. Neben diesen Hauptthemen gab es eine Vielzahl kapitalmarktrechtlicher Veränderungen, wie beispielsweise das zum 1. Juli 2005 in Kraft getretene Wertpapierprospektgesetz (WpPG), das die Prospektrichtlinie umgesetzt hat.1)

Nochmals eine bedeutende Zäsur

Obgleich die Auswirkungen der Prospektrichtlinie zum größten Teil bereits seit rund drei Jahren ihre Wirkung entfalten, steht nun nochmals eine bedeutende Zäsur an.* Entsprechend der in der Prospektrichtlinie enthaltenen Übergangsregelung wird mit Ablauf des 31. Dezember 2008 das sogenannte "Daueremittentenprivileg" entfallen, das seither viele Banken aus allen Sektoren genutzt haben, um prospektfrei bestimmte "Nichtdividendenwerte"2) zu emittieren. Das Privileg erlaubt bislang den sogenannten "Daueremittenten", Schuldverschreibungen und diesen vergleichbare Wertpapiere zu begeben und so einen Teil ihrer Refinanzierung am Kapitalmarkt sicherzustellen.

Das deutsche Bankensystem war und ist noch immer von einer relativ hohen Bankendichte gekennzeichnet. Zwar hat in den letzten Jahren ein deutlich spürbarer Konsolidierungsprozess stattgefunden, aber die Zahl der inländischen Banken ist mit rund 2 000 Instituten noch immer vergleichbar hoch. Betrachtet man die Banken nach Hauptgruppen, lässt sich folgende Verteilung feststellen (Tabelle 1):

Die Mehrzahl der Institute weist eine eher mittlere bis geringe Größe auf. Daher erscheint es auch gut nachvollziehbar, dass in den vergangenen Jahren ein deutlicher Konsolidierungsprozess mit vielen Fusionen stattgefunden hat. Dieser Prozess dürfte insbesondere im Bereich der Genossenschaftsbanken und Sparkassen weiter anhalten.

Bedeutung von Schuldverschreibungen

Ein Instrument der Refinanzierung von Kreditinstituten über den Kapitalmarkt stellt die Emission von Schuldverschreibungen dar. Dies lässt sich für alle Bankensektoren gleichermaßen konstatieren. Banken geben Schuldverschreibungen aus, um diese Mittel für die Refinanzierung und Fristentransformation zu nutzen. Folglich kommt entsprechenden Emissionen eine hohe Bedeutung zu, da dem Kunden einerseits Möglichkeiten zur Kapitalanlage aus der eigenen Hand angeboten werden können und zum anderen eine relativ kostengünstige Alternative zur Refinanzierung offen steht. Dies gilt allerdings nur insofern, als dass eine gewisse kritische Größe der Emission erreicht werden kann, auf die sich die entsprechenden Kosten verteilen lassen.

Dabei ist grundsätzlich zwischen Namensschuldverschreibungen und Inhaberschuldverschreibungen zu differenzieren, wobei den Inhaberschuldverschreibungen die (wesentlich) größere Bedeutung beizumessen ist. Während Inhaberschuldverschreibungen als Inhaberpapiere dem Wertpapierbegriff des WpPG unterliegen, findet auf Namensschuldverschreibungen das für Vermögensanlagen einschlägige Verkaufsprospektgesetz (VerkProspG) Anwendung. Um einen Eindruck vom Volumen des Marktes zu bekommen, soll nachfolgend die jüngere Entwicklung auf Basis der Bundesbankstatistik dargestellt werden (Tabelle 2).

Entwicklung des Daueremittentenprivilegs

Wie kam es zu dem "Daueremittentenprivileg"? Das Daueremittentenprivileg stellt eine Ausnahme von der grundsätzlichen Prospektpflicht dar, die aus einer Interessenabwägung erfolgt ist. Auf der einen Seite ist der Prospekt als zentrales Informations- und Haftungsdokument für die Anlegerschaft von herausragender Bedeutung, sodass es angezeigt erscheint einen Prospekt zu verlangen. Auf der anderen Seite würde es für eine Vielzahl kleiner Kreditinstitute einen hohen Aufwand bedeuten, die nach dem Prospektrecht erforderliche Dokumentation zu erstellen. Die Produkte - insbesondere Inhaberschuldverschreibungen - sind in der Regel einfach strukturiert und können so leicht verständlich der Anlegerschaft nahe gebracht werden. Das Institut treffen darüber hinaus Wohlverhaltens-, Beratungs- und Aufklärungspflichten nach dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG).

Im Hinblick auf die staatliche Solvenzaufsicht ist die Wahrscheinlichkeit des Ausfalls eines Instituts denkbar gering, sodass die Bonität als sichergestellt erscheint.5) Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass eine in Schieflage stehende Genossenschaftsbank oder Sparkasse von dem jeweiligen Verband aufgefangen werden dürfte. Die Sparkasse als öffentlich-rechtlich organisiertes Institut kam früher zudem auch noch in den Genuss der Gewährträgerhaftung und Anstaltslast. Auch nach Wegfall dieser Schutzmechanismen besteht eine gewisse Bindung des Trägers gegenüber der Sparkasse, wenngleich ohne materiellen Anspruch gegen den Träger.6)

Auf diesen Erwägungen beruhend hat bereits die alte Emissionsprospektrichtlinie,7) die wesentlich geringere Mindestanforderungen für den Prospekt vorgesehen hat (siehe Abschnitt III der RL), den Kreditinstituten eine derartige Ausnahme eröffnet. Die besondere Konstellation fand in Art. 5 a) der Emissionsprospektrichtlinie ihren Niederschlag. Dementsprechend wurde in § 3 Nr. 2 VerkProspG eine Ausnahme für Kreditinstitute begründet, die dauernd oder wiederholt Schuldverschreibungen emittieren.

Diese bedeutsame Ausnahme erfolgte vornehmlich vor dem Hintergrund, dass emittierende Institute der laufenden staatlichen Aufsicht unterliegen.8) Zu beachten ist allerdings, dass bei der Umsetzung in deutsches Recht ein enger Schuldverschreibungsbegriff zugrunde gelegt worden ist.9) Diese Konstellation sollte auch im Rahmen der Umsetzung der Prospektrichtlinie fortgesetzt werden, dies legt neben den Gesetzesmaterialien auch die Formulierung "weiterhin" in § 31 Abs. 2 WpPG nahe. Dementsprechend wird als Schuldverschreibung ein Wertpapier verstanden, bei dem die Rückzahlung von 100 Prozent des Anlagebetrages sichergestellt ist und der Emittent Zinsen verspricht.10)

Wenig Rückhalt innerhalb der EU

Bei den Verhandlungen zur neuen Prospektrichtlinie wurde auf europäischer Ebene eine Vielzahl von Themenbereichen auf den Weg zu einem harmonisierten europäischen Wertpapierprospektrecht und dem "Europäischen Pass für Emittenten"11)diskutiert. Das insbesondere auf die deutsche Bankenstruktur ausgerichtete Daueremittentenprivileg fand allerdings bei den Verhandlungen auf europäischer Ebene nur geringen Rückhalt. Dies erklärt sich insbesondere vor dem Hintergrund, dass in vielen Ländern, zum Beispiel Großbritannien, eine starke Bankenkonzentration stattgefunden hat, wobei sich relativ wenige Banken das Geschäft großenteils untereinander aufteilen. Derartigen Großbanken dürfte es leicht fallen, die Dokumentationspflichten zu erfüllen, zumal sie häufig auch eine größere Produktpalette anbieten, etwa derivative Wertpapiere, oder durch das Auflegen von MTN-Programmen,12) sodass sie mit der Prospekterstellung auch aus diesem Aspekt heraus vertraut sind. Von daher fand der in Deutschland verfolgte Ansatz nur wenig Rückhalt innerhalb der EU.

Zwar wollte die große Mehrheit der Mitgliedstaaten das Daueremittentenprivileg nicht fortsetzen. Bei den damaligen Verhandlungen wurde auch unter Berücksichtigung der Situation in Deutschland immerhin eine Übergangslösung vereinbart, die den Kreditinstituten Gelegenheit gibt, sich auf die künftige Prospektpflicht einzustellen. In seiner bisherigen Form läuft das Daueremittentenprivileg nach Art. 30 Abs. 2 der Prospektrichtlinie beziehungsweise § 31 Abs. 2 WpPG mit Ablauf dieses Jahres aus. Die Übergangsfrist von dreieinhalb Jahren gegenüber dem allgemeinen Inkrafttreten der Richtlinie bereits am 1. Juli 2005 sollte den Betroffenen ermöglichen, sich möglichst schonend auf die neue Rechtslage einzustellen.

Allerdings muss man festhalten, dass mit Ablauf des 31. Dezember 2008 dieser Ausnahmetatbestand nachhaltig endet und damit eine Zäsur darstellt.13) Es ist insofern auch nicht denkbar, dass eine bereits 2008 begonnene Emission noch über Silvester 2008 hinaus öffentlich angeboten und quasi "abverkauft" werden kann. Die Ausgestaltung als Ausnahmevorschrift und der Wortlaut lassen kein wie auch immer geartetes Fortwirken der Übergangsregelung zu.14) Es bleibt abzuwarten, ob diesbezüglich im Rahmen der anstehenden Überprüfung der Richtlinie (vergleiche Revisionsklausel Art. 31) eine Berücksichtigung erfolgt.

Fortleben in verkleinerter Form

Das Daueremittentenprivileg wird allerdings auch 2009 nicht völlig erlöschen, sondern lebt in verkleinerter Form fort. Art. 1 Abs. 2 j) der RL sieht vor, dass auf Nichtdividendenwerte, die von Kreditinstituten dauernd oder wiederholt für einen Gesamtgegenwert von weniger als 50 Millionen Euro begeben werden - über einen Zeitraum von zwölf Monaten gerechnet - und die nicht nachrangig, wandelbar oder umtauschbar sind oder nicht zur Zeichnung oder zum Erwerb anderer Wertpapiere berechtigen und nicht an ein Derivat gebunden sind, die Richtlinie keine Anwendung findet. In diesen wie im Übrigen auch den anderen in Art. 1 Abs. 2 der RL genannten Tatbeständen ist der Mitgliedstaat prinzipiell frei, ob er für diese Sachverhalte eine Prospektpflicht begründen möchte oder nicht.15)

Da diese Fortsetzung des Daueremittentenprivilegs insbesondere aus deutscher Sicht geboten war, fand folgerichtig diese Option auch Eingang in das Umsetzungsgesetz (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 5 WpPG). So wird über § 1 Abs. 2 Nr. 5 WpPG die Emission bestimmter Nichtdividendenwerte durch Kreditinstitute privilegiert.16) Der plakativ angekündigte "Entfall des Daueremittentenprivilegs" könnte somit kleine Institute, die nur in begrenztem Umfang Schuldverschreibungen begeben, weniger tangieren.

Gleichwohl scheint es geboten, dass die Kreditinstitute sich insgesamt mit dem Thema näher beschäftigen und ihre Mitarbeiter, welche die Prospekte erstellen sollen, entsprechend schulen. Insofern muss man bedenken, dass selbst Großemittenten, die bereits in der Erstellung von Verkaufsprospekten nach altem Recht geübt waren, vor rund drei Jahren vor nicht unerheblichen Anlaufschwierigkeiten gestanden haben. Umso stärker trifft dies jetzt Institute (insbesondere Sparkassen und Genossenschaftsbanken), die sich bislang lediglich auf hauseigene Broschüren, Flyer und Ähnliches beschränkt haben.

Für die Vielzahl von Instituten, deren Geschäftsjahr das Kalenderjahr ist, sei insofern auch auf Ziff. 11.5.2. des für Banken einschlägigen Anhangs XI der EG-Verordnung17) hingewiesen. Hiernach sind nach mehr als neun Monaten nach Ablauf des letzten Geschäftsjahres Zwischenfinanzinformationen (insbesondere Bilanz, GuV) zumindest für die ersten sechs Monate des laufenden Geschäftsjahres zu erstellen. Sofern eine Billigung also nach dem 30. September 2008 ansteht, wären auch noch Zwischenfinanzinformationen bis jedenfalls zum 30. Juni 2008 zu erbringen.

Verschärfend kommt hinzu, dass neben den Zwischenfinanzinformationen aus diesem Jahr auch die Vergleichszahlen aus dem Vorjahr für den adäquaten Zeitraum notwendig sind. Dies stellt für kleinere Institute durchaus eine Herausforderung dar, da diese Institute meist nicht den Kapitalmarktpubilizitätspflichten wie etwa der Transparenzrichtlinie unterliegen und somit bislang keine derartigen Finanzangaben veröffentlichen beziehungsweise in der erforderlichen Art vorhalten mussten.

Erstellung eines Musterprospekts?

Der Wegfall des Daueremittentenprivilegs stellt gerade für kleinere Kreditinstitute, die bislang mit der Prospekterstellung nicht vertraut sind, eine besondere Herausforderung dar. Eine nicht rechtzeitige und unzulängliche Vorbereitung könnte die Refinanzierung erheblich gefährden. Die BaFin als zentrale Stelle für die Prospektprüfung und -hinterlegung hat frühzeitig reagiert, um einen etwaigen Engpass möglichst abzuwenden. Zu diesem Zweck hatte sie für die betroffenen Institute einen zweitägigen Workshop am 28. und 29. Mai 2008 angesetzt, anlässlich dessen die Anforderungen an den Prospekt und das Hinterlegungsverfahren näher gebracht werden sollten.18)

In der Wirtschaftspresse wird aktuell berichtet, dass der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) mit der BaFin auch die Erstellung eines Musterprospekts erörtert.19) Durch einen Musterprospekt wäre es - obwohl es natürlich schon eine Vielzahl gebilligter und veröffentlichter Prospekte für Inhaberschuldverschreibungen gibt für die vom Wegfall des Daueremittentenprivilegs betroffenen Institute sicher einfacher ihren Prospekt zu erstellen. Denn dadurch wäre ihnen die Möglichkeit gegeben, sich auf ein grobes Gerüst der zu erstellenden Dokumentation einzustellen, sodass sie den Anforderungen leichter gerecht werden dürften.

Gleichwohl stehen Emittenten vor einer besonderen Herausforderung im Hinblick auf ihre Finanzinformationen. Sofern der letzte geprüfte Jahresabschluss mehr als neun Monate zurückliegt, müssten auch Zwischenfinanzinformationen aufgenommen werden. Für die betroffenen Institute erscheint es daher interessant, eine Billigung bereits bis zum 30. September 2008 anzustreben. Um dies zu erreichen, müssen sie allerdings die Prüfungsfrist der BaFin (§ 13 Abs. 2 WpPG) berücksichtigen sowie insbesondere auch den Umstand, dass bei Neueinreichung des überarbeiteten Prospekts diese Frist von Neuem zu laufen beginnt. Gerade bei unerfahrenen Emittenten wäre eher mit einer längeren Vorlaufzeit und Rücksprachen zu rechnen.

Das Konzept eines Musterprospekts scheint für viele Institute hilfreich zu sein, da sie auf diese Weise eine verlässliche Grundlage für die Prospekterstellung gewinnen. Dies dürfte den gesamten Prospektierungsprozess bis hin zur Prospektprüfung spürbar verkürzen. Im Übrigen dürften hierdurch a priori auch die Kosten, etwa für Rechtsberatung geringer gehalten werden können. Einige Institute dürften sich allerdings auch ernsthaft Gedanken machen, ob es für sie weiterhin wirtschaftlich erscheint, eigene Inhaberschuldverschreibungen öffentlich anzubieten oder sich stattdessen auf andere Geschäftszweige zu konzentrieren.

* Die Autoren weisen darauf hin, dass es sich bei diesem Beitrag ausschließlich um die persönliche Auffassung handelt und der Beitrag keine amtliche oder halbamtliche Stellungnahme zur Thematik darstellt. Literatur

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Heidelbach, A./Preuße, T. (2008): Zweieinhalb Jahre neues Prospektregime und noch viele Fragen offen, in: BKR, 1/2008, Seiten 10 bis 16.

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Schäfer, F.: Emission und Vertrieb von Wertpapieren nach dem Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, in: ZIP 23-24/1991, Seiten 1 557 bis 1 565.

Schäfer, H. (1999): Flexibilisierung des Finanzmanagements durch Medium Term Notes, in: DB 13/1999, Seiten 652 bis 657.

Schnorbus, Y. (2008): Die prospektfreie Platzierung von Wertpapieren nach dem WpPG, in: AG 11/2008, Seiten 389 bis 410 von Kopp-Colomb, W./Lenz, J. (2002): Der europäische Pass für Emittenten, in: AG 1/2002, Seiten 24 bis 29.

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